Kapitel 21

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Sagenhafte vier Stunden brauchten Rachel und ich, bis wie schließlich wieder vor dem großen Ausgang der Schule standen.
Ich wusste jetzt schon, dass ich morgen früh wieder komplett aufgeschmissen wäre in diesem riesigem Gebäude, aber das könnte auch einfach daran liegen, dass Rachel und ich größtenteils irgendwo rum standen und uns über ziemlich viele, unterschiedliche Sachen unterhielten. Und uns war wohl beiden klar geworden, dass wir Freunde werden würden. Wenn wir das schon nicht waren.
In ihrer Gegenwart fiel mir das Lachen-und zwar das echte- einfach leichter. Alles an ihr, die Art wie sie beim Reden wild rumgestikulierte und es schaffte, genau die Mitte zwischen Ernst und Witz zu finden, war unfassbar schön.
Für eine Zeit hatte ich sogar alle meine Sorgen vergessen, wofür ich jetzt prompt ein schlechtes Gewissen bekam. Kaum war Darling tot fand ich auch schon eine neue Freundin, mit der ich einfach weiter machte.
Aber Darling hätte es gewollt. Genau das selbe hatte ich mir immer eingeredet, wenn ich mal wieder in meinem Loch der Trauer wegen meine Mutter verschwunden war.
Allerdings wusste ich genau, dass ich heute Abend noch los ziehen würde, um ein bisschen nach einem geeignetem Grabplatz zu schauen. Und dann würde ich auch noch ein Erinnerungskreuz für darling dort aufstellen. Leadora hieß sie also in Wirklichkeit, dass ich das noch nicht wusste...

Rachel zog ihr Handy aus der Tasche und runzelte kurz die Stirn, als sie etwas las:,, Sorry, ich muss jetzt los, aber wir sehen uns morgen ja sowieso in der Schule. Sollen wir uns irgendwo treffen? Oder soll ich die vorher abholen?"
Erleichtert nahm ich das Angebot an:,, Das wäre super. Ich wohne nah am Meer, in der Hasenstraße 76. Weißt du zufällig,ob du in der Nähe wohnst?" Rachel überlegte einen Moment, dann nickte sie:,, Ja, ich fahr normalerweise mit Rad zur Schule.." ,,Ich auch, dann passt das ja" Tatsächlich hatte ich schon Ella gefragt ob sie mich fahren könnte, morgen aber schon beim Dienst sein musste, mir jedoch gerne ihr Fahrrad lieh.
,,Super, dann treffen wir uns um 7Uhr bei dir vor der Haustür", entschied Racchel, während sie wieder ihren Helm aufsetzen und mich zu einer kurzen Umarmung heranzog.
Ohne das ich noch etwas sagen konnte schwang Rachel sich schon auf ihr Rad, winkte mir einmal zu und fuhr dann schon weg.
Okay, das war ein schneller Abgang, sie hätte vermutlich nicht mal mehr die Schule abgeschlossen, wenn sie vorher aufs Handy geschaut hätte. Musste wohl was wirklich wichtiges gewesen sein.
Auch ich zog jetzt mein Handy raus und betrachte dort kurz das Profilbild von Rachel. Wir hatten irgendwann während der Führung unsere Nummern ausgetauscht, sodass ich jetzt einen kontakt mehr auf meinen ellenlangen Kontaktliste von höchstens zehn Leute hatte. Mann, ich war schon echt sozial.
Tatsächlich hatte ich schon einen Punkt auf meiner Liste abhaken können: Sobald ich aus dem Flugzeug gestiegen war und die Nachricht von Darlings Vater verarbeitet hatte, hatte ich meine herzallerliebste Tante geblockt. Jetzt müsste sie sich schon etwas anstrengen, um mich noch zu erreichen, aber anstrengen war ja generell nicht so ihre Sache.

Ella hatte noch nichts geschrieben, weshalb ich davon ausging, dass sie noch bei ihren Freunden war.Aber das war kein Problem, ich hatte sowieso schon geschaut, wann die Busse an der gegenüberliegenden Bushaltestelle fuhre.
In genau sieben Minuten würde der nächste Bus kommen, der hoffentlich irgendwo in die Nähe der Siedlung fuhr, oder wenigstens am Meer hielt.
Der Bus war komplett leer, als ich einstieg, was irgendwie ein komisches Gefühl war, vor allem, als die Busfahrerin damit begann per Funk die ganze Zeit privates Zeug mit ihrer Kollegin zu besprechen.
Deswegen flüchtete ich praktisch an der nächsten Haltestelle aus dem Bus, als ich sah, dass es dort eine Straße gab, die Küystenalle hieß. Das war doch schon mal ein ganz gutes Zeichen, was sich sogar bewahrheiten sollte.
Ich musste nur um die Ecke laufen, dann sah ich schon das Wasser was heute, bei dem viel kälteren, düsteren Wetter, rau gegen die Steil abfallenden Felsen peitschte. Es gab nur ein paar kleine Sandstrände, entlang der Promenade, wo überall Menschen herum liefen, die meisten saßen jedoch auf der terasse der Geschäfte und aßen zu Mittag.
Das erinnerte mich sofort daran, dass ich auch nichts gegessen hatte, seit heute Morgen. Leider hatte ich mein Geld schon komplett für ein Busticket ausgegeben, was wohl bedeutete, dass ich jetzt an der Küste entlang laufen könnte, bis ich irgendwann bei den Feldern ankam und dort dann hoffentlich den Weg nach zu Hause finden würde.
Ich spürte einen kleinen Stich im Herzen, als ich an dieses Wort dachte. Sandaras Wohnung hatte ich nie als mein zu Hause angesehen. Es war bloß ein Ort gewesen, an dem ich nun mal zurück kehren musste, um nicht im freien zu schlafen.
Aber diese spezielle Art von Zusammehnleben mit Ella könnte eigentlich noch ganz schön werden, wenn sie genauso entspannt blieb, wie sie seit meiner Ankunft gewesen war. Aber eigentlich hatte sie auch gar keinen Grund, sich an mir zu ärgern, schließlich machte ich keinen großen Dreck, zahlte für alles und war nicht ihr Kind.
Trotzdem, es war schön, jetzt nach Hause gehen zu können und sich darauf tatsächlich zu freuen.
Nachdem ich mir die Musik angemacht hatte lief ich im schnellen Stechschritt über den Sand, der schließlich zu Kies und Gras wurde, dann ging es einen Hügel hoch und plötzlich lief ich an einer Klippe entlang, von der man gefühlt dreizig Meter herunter ins Meer sprang. Es gab keine Häuser mehr, die vor mir standen und als dann auch noch für einen kurzen Moment die Sonne heraus kam wusste ich, dass Deleware ein wirklich guter Moment für einen Neuanfang war.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt