Kapitel 99

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P.o.V. Natalie Torres

In meinem Kopf brummte es, als wäre dort eine dicke Wespe eingesperrt, die immer mal wieder zu stach und dabei zahlreichende Nerven traf.
Stöhnend versuchte ich meinen Kopf etwas nach hinten zu bewegen, wurde aber prompt von irgendwas zurück. Autsch. Das tat weh.
Doch irgendwie war ich noch nicht ganz in der Lage meine Augen zu öffnen, oder nach einem Grund zu suchen, warum mir alles so sehr weh tat.
Viel mehr war ich damit beschäftigt, in einer Welt zwischen Schlaf und Bewusstsein, zwischen Traum und Realität fest zu hängen.
Immer wieder hörte ich Jespers Stimme, sah sein Gesicht, so nah vor meinem, dass ich die Wimpern zählen konnte. Manchmal waren seine Züge wutverzerrt, manchmal strahlten sie nur vor Liebe.
Es dauerte, bis ich meine Augen schließlich aufschlug und...Trommelwirbel... Nur Schwärze sah.
So langsam kehrten meine Sinnesfähigkeiten zusammen mit den Erinnergungen, an alles, was zu letzt passiert war, zurück.
Ich hatte eine maskierte Gestalt angeblickt, dann hatte mich jemand mit einer Spritze betäubt und jetzt saß ich hier.
Vorsichtig versuchte ich alles in mir auf zu nehmen, blieb dabei viel ruhiger, als ich es eigentlich erwartet hatte.
Sehen konnte ich nicht viel, bis auf einen schmalen Streifen Licht, wenn ich ganz nach unten schielte. Also hatte man mir vermutlich irgendwas über den Kopf gezogen.
Meine gesamter Körper tat zwar weh und als ich meine Beinmuskeln anspannte, merkte ich, wie da etwas reinschnitt. Vermutlich hatte man also meine Beine gefesslt, ebenso wie meinen Hals, sowie meine Arme, die beide etwas hinter meinem Körper an kalte Stangen gedrückt wurden.
Warum mein ganzer Körper weh tat, das war noch das offensichtlichste von allem: Ich war einfach schwach.
Aber warum , wofür sollte ich auch noch kämpfen?
Alles deutet darauf hin, dass mein Vater mich entführt hatte.
Doch das machte mich wirklich nicht nervös.
Vielleicht war ich doch noch etwas betäubt, denn es würde überhaupt keinen Sinn machen, wenn ich keine Angst davor hatte, was mein  Vater mit mir vor hatte.
Bis jetzt fehlte mir auf jeden Fall die Motivation, mich irgendwie von diesem harten Stuhl, an den man mich gefesselt hatte, zu bewegen. Dabei wäre ich dazu doch ehe nicht in der Lage.
Für einen kurzen Moment dachte sogar, dass es doch ziemlich gerecht war, dass mir gerade jetzt eine Entführung passierte: Wenn ich jetzt starb, dann musste Jesper sein Leben lang mit den Schuldgefühlen leben, dass sein Verhalten nach unserem Kuss dazu geführt hatte, dass ich lieber alleine zu Hause blieb, als mit ihm in meiner Nähe zu Darling zu gehen, wo ich eindeutig sicherer gewesen wäre.
Im nächsten Moment schämte ich mich schon wieder für den Gedanken, aber er entsprach ziemlich meinen Gefühlen.
Ich war wirklich ein schlechter Mensch.
Verzweifelt versuchte ich daran zu denken, dass ich für Alex, Dan, Jo und Rachel kämpfen musste, doch das einzige was mir wirklich wichtig erschien, war die Möglichkeit meinem Vater endlich mal ins Gesicht zu sehen. Zumindest wenn man mir diesem komischen Sack mal vom Kopf nahm, unter dem es langsam auch echt stickig wurde.
War ich vielleicht wichtig genug, dass er selbst zu mir kommen würde, um mir mit zu teilen, was auch immer sie mit mir vor hatten?
Unsere Mutter, seine ehemalige Frau, mit der er vier Kinder geschaffen hatte, ließ er von jemand anderem umbringen, aber vielleicht hätte er es sich selbst ja auch nicht zu getraut es selber zu tun.
Für einen Moment stellte ich es mir vor, wie es sein würde, wenn ich es endlichen sehen könnte.
Unser gesichtsloser, skrupelloser Feind würde endlich zu einer lebenden Person werden, aus dem Schatten treten müssen.
Diese Enführung wäre eigentlich meine beste Möglichkeit, um David Will zu vernichten.
Vielleicht würde ich ihn physisch nicht erreichen können.
Doch niemand sollte die Kraft von Worten unterschätzten.
Worte waren es, die unsere Gefühle beeinflusste.
Worte waren es, die unsere Taten prägten.
Und es waren auch Worte, die mein leben in die Luft gesprengt hatten.
,,Scheiße"
Ich konnte nicht mehr weinen, dafür war keine Flüssigkeit mehr da.
Aber die Lustlosigkeit und die mangelnde Angst war noch viel schlimmer. Mich hatte einfach das Interesse an jeglichen Sachen verlassen.
Wie war mir das passiert, dass ich schon wieder so sehr abhängig geworden war, von einer einzigen Person.
Vielleicht sollte ich es einfach lassen, zu versuchen, mit anderen Leuten zu kommunizeren.

Müde schloss ich meine Augen. Vielleicht musste ich auch einfach nur etwas schlafen, um wieder Motivation für irgendwas zu bekommen.
Doch gerade, als ich das Reich der Träume erreicht hatte, sackte mein Kopf nach vorne und etwas kaltes- es war vermutlich eine Kette- bohrte sich in meine Haut, sodass ich wieder aufschreckte.
Das war wirklich fies.
Wenn ich tatsächlich einschlafen wurde, dann würde ich vermutlich mit dem Kopf nach vorne kippen und mir selber das Blut abschneiden, wenn ich es nicht früh genug bemerkte.
Da hatten wir ja gleich noch was, weshalb ich useren Vater hassen konnte. 

Zeit verging, in der ich langsam aufmerksamer wurde oder wieder kurz davor war weg zu dämmern.
Schon jetzt fiel es mir schwer, die Zeit ein zu ordnen.
Der Lichtstreifen den ich erkennen konnte hatte sich nie verändert, weshalb ich mittlerweile vermutete, dass ich mich in einem Raum mit eklekrtischem Licht befand.
Er musste ebenfalls schalldicht abgeschlossen sein, weil ich kein einziges Geräusch zu hören war. Oder, die nicht so optimale Variante: Hier kam keiner vorbei.
So langsam musste ich mal auf die Toilette, obwohl ich gleichzeitig Durst hatte und ich wurde immer unruhiger.
Wie lange wollte man mich hier noch schmoren lassen.
Das warten war das schwerste.
Und hatte ich schon mal erwähnt, wie schlecht die Luft unter diesem verdammten Sack war? Ich würde ganz sicher nicht daran ersticken, aber schön war es wirklich nicht mehr.
Ich begann, mich gegen meine Fesseln zu wehren.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt