Tränen schossen mir in die Augen, welche ich sofort bekämpfte.
Ich musste wütend sein.
Oh, ja ich war wirklich wütend auf sie:
Wie konnte das passieren? Sie erkannten mich einfach nicht.,,Hey Gothic-Girl, kennen wir uns?"; rief Dan nun auch und sein dreckiges grinsen zeigte mir sofort woran er anspielte. Ich verdrehte meine Augen, versuchte den Schmerz zu ignorieren:,, Also bitte, an jemanden wie mich würdest du dich erinnern", presste ich möglichst locker hervor, bevor ich mich umdrehte und versuchte, so schnell wie möglich zu verschwinden, ohne dass es aussah, als wäre ich auf der Flucht.
Verdammte Scheiße!
Was sollte das? Warum musste das Schicksal immer auf meinen Gefühlen herumtrampeln, als wäre es nicht ehe schon schlimm genug.
Ein schmerzerfülltes Schluchtzen entwich meiner Kehler, während die Weinkrämpfe begannen, die Oberhand zu nehmen.
Kaum das ich im Schulgebäude war,rannte ich und rempelte dabei, blind vor Tränen, den ein oder anderen rücksichtslos an, bis ich schließlich auf der leeren Mädchentoilette angekommen war, wo ich mich sofort in einer Kabine einschloss.
Meine Gedanken fuhren Karussel, mein ganzer Körper zitterte, während ich meinen Körper selbst umklammerte, als könnte das etwas helfen.
Gerade als ich gedacht hatte, alles könnte besser werden, tauchten plötzlich meine Brüder auf.
Und ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte.
Es gabe eine Millionen verschiedene Szenarien, in denen ich mir vorgestellt hatte, wie es sein würde, wenn wir uns gegenüberstehen würde.
Aber in keinem Fall hatten sie mich nicht erkannt.
Das war total absurd, wie war es möglich, seine Schwester, eine Person mit der man sein halbes Leben verbracht hatte, nicht mehr wieder erkannte? Hatte ich mich so sehr verändert? Aber ich hatte sie schließlich auch wieder erkannt.
Oder hatten sie mich schon vergessen? Aus ihrem Leben verdrängt, wie ein überflüssiges Päckchen an Ballast, den man einfach in den Müll schmeißen oder im Graben liegen lassen konnte, nachdem die eigene Mutter gestorben war?
Immer noch zitternd wiederholte sich die eben erlebte Szene in meinem Kopf zu hundertfach. Lasset den Teufelkreis beginnen.Ich hätte sicherlich einen ganzen Tag lang auf der Toilette sitzen können, wenn mich nicht plötzlich hastige Schritte aus meiner Trance gerissen hätten.
Jemand rannte auf die Kabine neben mich und dann hörte ich auch schon das untäuschbare Geräusch davon, dass sich jemand übergab.
Das brachte mich dazu, mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Und schon wieder gab es jemanden, dem es eindeutig schlechter ging, als mir selber. Mühsam richtete ich mich auf.
Ich versuchte tief durch zu atmen. Wollte mich sammeln.
Meine Brüder waren hier. Unerwartet. Also brauchte ich nur noch irgendeinen Plan.
Sie würden alle nicht mit mir in eine Klasse gehen, das war schon mal gut, aber das war es dann auch schon an guten Dingen. Denn Hockeytraining hatten wir sehr wohl zusammen.
Nochmal atmete ich tief ein, dann hatte ich einen groben Plan. Etwas, was ich machen konnnte.
Ich würde ihre Schwachstellen finden.
Wenn sie mich nicht erkannten, dann sollte das so bleiben.
Jeder nannte mich Lee, bis auf Rachel wusste vermutlich niemand, dass ich gar nicht so hieß.
Also würde ich in Ruhe daran arbeiten können, das zu tun, was ich eigentlich viel später machen wollte: Sie in den Abgrund treiben.
Einmal sollten meine Brüder, Dan, Jo und Alex nachvollziehen können, was ich durch machen musste. Ihretwegen.
Sie sollten merken, wie es sich anfühlte, von den drei wichtigsten Personen im Leben einfach so, ohne eine Vorwarnung, verlassen zu werden.
Entschlossen streckte ich meinen Rücken durch, trocknete meine Tränen und hoffte, dass man nicht zu sehr sah, dass ich geweint hatte, als mein Handy vibrierte. Das musste dann Rachel sein.
Schnell schrieb ich ihr, dass sie bitte zur Mädchentoilette kommen sollte, während ich selbst die Kabine verließ.
Mein Spiegelbild zeigte mir, dass ich leider doch nocht so super aussah. Nicht unbedingt, weil ich geweint hatte, aber irgendwie kamen mir heute die Pickel und der blaue Fleck von meinem letztem Kampf besonders hässlich vor.
Der Versuch mir selber ein zu reden, dass es mir scheißegal war, was die anderen über mein Aussehen dachten, scheiterte kläglich, aber ich hatte gerade ein deutig schlimmere Probleme, weshalb ich mir bloß etwas kaltes Wasser ins Gesicht klatschte, als auch schon die Tür aufschwang und diesmal Rachel rein kam.
,,Aloha... Was ist passiert?", erkundigte sie sich sofort, doch ich zog sie einfach aus der Toilette. Das kotzende Mädchen, welches mitlerweile auch schon aufgehört hatte, wollte sicherlich nicht meine Probleme mit hören.
,,Ich hab dir ja von meinen Brüdern erzählt, oder? Sie sind hier! Sie sind die drei Freunde von Jesper", berichtete ich aufgelöst aber leise, damit nicht gleich die halbe Schule was davon mitbekam, auch wenn eigentlich jeder mit sich selbst beschäftigt war.
Rachel schaute mich mit riesen großen Augen an:,, Die Torres-Geschwister sind deine Brüder? Oh mein gott, ich hätte es wissen müssen. Was ist passiert? Was haben sie zu dir gesagt?", erkundigte sie sich mit immer größer werdenen Augen und nahm dann meine Hand, als ihr auffiel, dass sie ziemlich laut geworden war:,, Entschuldigung. Wie geht es dir"
Ich riss meine Hand los:,, Sie haben mich nicht mal erkannt."
,,Was, diese Dreckskerle! Was für Arschlöcher. Meine Güte. Ich werde sie kalt machen? Was ist bloß los mit diesen strohdummen Idioten", schrie Rachel, sodass sich jetzt ausnahmslos alle zu uns umdrehten.
Sofort funkelte sie alle Leute um mich mit einem Todesblick an, wodurch ich mich automatisch selber ebenfalls klein machte.
,,Rachel, komm bitte runter, es ist okay", versuchte ich sie zu beruhigen.
Fassungslos starrte sie mich an:,, Wir wissen beide, dass das icht stimmt"
Das brachte mich zum verstummen. Denn sie hatte ja Recht. Es war ganz sicher nicht okay. Überhaupt nicht. Aber mit dem Gedanken sollte ich mich nicht in der Schule befassen.
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Alone in the Underground
RandomTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...