,,Rachel, ich muss dir was erzählen"
Für einen Moment war ich wach und mir lief es heiß über den Rücken, als sich ein Paar dunkelbraune, wunderschöne Augen, in mein Gedächnis schob, aber dann übernahm wieder diese schreckliche Müdigkeit.
Meine Freundin schien das genau Gegenteil zu sein. Ich spürte ihren aufmerksamen Blick auf mir, während ich im Halbschlaf, mit Schmerzen überall, die sich bei jeder Bewegung bemerkbar machten, fast vor eine Mülltonne gefahren wäre.
Um Gottes Willen. Wie hatte ich eigentlich den Weg bis zu unserem Treffpunkt geschafft? Und wie hatten Jesper und ich es geschafft, tatsächlich auf zu stehen und mich bis nach zu Hause zu verfrachten, wo ich dann durch das Fenster wieder eingestiegen war?
Um ehrlich zu sein, ich hatte keine Ahnung. Das einzige was ich noch wollte war schlafen.
Vermutlich sah ich so aus, als wäre ich betrunken, als ich meiner Freundin halb schlafend von meiner ereignisreichen Nacht erzählte. Eigentlich wollte ich es ihr zusammen mit meinen Emotionen erzählen, aber irgendwie leierte ich es so runter.
Irgendwann merkte ich, dass ich nuschelte, aber ich war viel zu müde, um echte Laute zu bilden.
,,Jesper ist eigentlich voll nett", schloss ich meine Zusammenfassung und schwieg dann, ohne auf Rachels Reakttion zu warten klappten meine Augen zu und ich wurde erst wieder von einem Hupen aus meinem Sekundenschlaf gerissen.
Stimmt, ich war ja am Rad fahren, das hatte ich komplett vergessen.
Aber meine nicht vorhandenen Energiereserven warten schon dafür drauf gegangen, Rachel die Zusammenfassung des Abends- sie beinhaltete nur, dass Smash mich angegriffen und Jesper mich dann bei sich zu Hause verbunden hatte- zu erzählen.,,Wie kannst du es wagen? Was ist eigentlich los mit dir? Sag mal geht es noch'?!", überrascht drehte ich meinen Kopf zu Rachel, die mich wutentbrannt anfunkelte.
,,Du wirst von einem fremden Typen angegriffen, rufst mich nicht mal an und willst mir dann erzählen, dass Jesper Hill, ausgerechnet dieses Arschloch, gar nicht so schlimm ist? Was ist bei dir denn falsch gelaufen? Bin ich jetzt etwa nicht mehr gut genug für dich?"
Überrascht starrte ich Rachel an.
Jetzt wäre eigentlich der richtige Moment für mein Gehirn, um mal aus seinem Schlafmodus zu kommen, aber irgendwie funktionierte das nicht ganz, weshalb ich noch versuchte einen Sinn hinter ihrem ausraster zu erkennen.
,,Ähh, also... Ich weiß nicht.. Es tut..", begann ich stammelnd.
Rachel funkelte mich wütend an:,,Es tut dir, dass du den Abend mit meinem ehemaligem besten Freund- vor dem ich dich eindeutig gewarnt habe- verbracht hast? Anstatt deine beste Freundin an zu rufen, die dir sicher geholfen hätte? Ich hoffe doch sehr, dass es dir leid tut."
Mit einem schnauben drehte Rachel sich um und düste mit dem Fahrrad davon überrascht starre ich ihr hinterher. Was ist denn hier passiert?
Etwas verspätet reagierte ich jetzt auch mal und rief schwach, weil mein Hals immer noch etwas trocken war hinter her:,, Rachel. Warte!"
Aber sie dreht sich nicht nochmal um, sonder verschwand um die Ecke, während ich von einem zweitem Auto angehupt wurde.
Heute schien nicht mein Tag zu sein.Als ich an der Schule ankam,war von Rachel keine Spur mehr zu sehen und sie hatte ihr Rad auch nicht an dem Platz abgestellt, an dem wir normalerweise parkten.
Natürlich machte ich mir Sorgen um sie: Konnte es sein, dass sie tatsächlich ein Problem damit hatte, dass ich mit Jesper gesprochen habe?
Doch andereseits war ich gerade auch nicht wirklich in der Lage, mich um etwas anderes zu kümmern, als um den Gedanken, wie unfassbar müde ich doch war.
Manchmal, da wusste ich, das das, waich tat komplett scheiße war und fühlte mich deswegen auch beschissen, aber gleichzeitig war ich auch nicht in der Lage, etwas an der Situation zu ändern, weil ich zu festgefahren in meinen Gedanken war, um etwas zu ändern.
Müde schaute ich mich auf dem Schulhof um, in der Hoffnung Rachel zu sehen, aber sie schien nirgendswo auf zu finden zu sein, auch wenn ich schwören könnte, dass sie mich beobachtete.
Ich war schon ziemlich spät dran und würde deshalb erstmal zu den Räumen gehen, entschied ich mich schließlich, weil es aussichtslos war, dass jetzt noch zu klären.
Vielleicht hatte Rachel einen schlechten Tag gehabt und es war ja auch scheiße von mir so früh am morgen einfach von Jesper zu erzählen.
Und wahrscheinlich war ich nicht mal feinfühlig gewesen, sondern hatte das einfach so erzählt, als hätte sie keine Vorerfahrungen mit Jesper.Zum Glück hatte ich meine nächste Stunde einen Platz ganz hinten im Kurs, weshalb ich mich etwas ausruhen konnte. Jesper hatte es nicht so gut wie ich- er saß im selben Kurs, aber etwas weiter vorne zusammen mit Dan und der Lehrer schien die beiden nicht wirklich gerne zu haben.
Mit halb geschlossenen Augen starrte ich auf Jespers Rücken, als würde dort die Antwort all meiner Fragen liegen. Gestern Abend hatte ich eine ganz andere Seite von ihm kennengelernt und davor, der Nachmittag den wir miteinander verbracht hatten war auch nicht übel gewesen.
Als könne er meine Gedanken lesen drehte Jesper sich kurz zu mir um. Unsere augen trafen sich und ich begann schon wieder rot an zu laufen.
Trotzdem wand ich nicht den Blick ab.
Er sollte mich nicht immer als das opfer sehen, dem er den Verband wickeln musste, sondern das Mädchen, was ich geworden war: Eine selbstichere Kämpferin, die sich auch alleine, ohne die Hilfe von anderen durchschlagen konnte.
Aber auch wenn ich alleine ohne Probleme durchkam, war Rachel mir eine gute Freundin gewesen. Eine Freundin, die ich sehr zu schätzen wusste.
Und genau deswegen ignorierte ich nach der Stunde, wie er meinen Namen rief und eilte in die Pause: Ich würde erstmal zu Rachel gehen.
DU LIEST GERADE
Alone in the Underground
RandomTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...