Kapitel 131

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P.o.V. Natalie Torres

Ich erwachte wieder in einem Krankenhaus.
Es war das gleiche Krankenhaus.
Das gleiche Zimmer.
Das gleiche Bett.
Mein Atem ging ruhig, meine Muskeln waren schlaff.
Doch in mir wütete die pure Panik.
Mein Körper war vielleicht ruhig, eigentlich viel zu ruhig, aber meine Gefühle, die konnte man nicht betäuben.
Während meine Augen immer wieder auf und zu flatterten, sich schwer wie Blei anfühlten, begann ich, mal wieder, Gedanken zu ordnen.
Ich hatte eine Panikattacke gehabt.
Oder zumindest etwas ähnliches.
Gerade noch war der beste Moment meines Lebens gewesen, aber nein, dann hatte mein verdammtes Gehirn natürlich wieder abschalten und auf verrückt machen müssen.
Na herzlichen Dank auch.

Während mein Körper sich nicht mehr so seltsam anfühlte, als würde er gar nicht zu mir gehören, wurde meine Panik langsam weniger.
Das Licht brannte immer noch in meinen Raum, doch als ich mich etwas aufrichtete, weil mir jetzt mein Po von ganzen liegen weh tat, schrie ich erschrocken auf.
Was sollte nur aus mir werden, wenn ich nicht mal bemerkte, dass da eine verfluchte Person in meinen Krankenzimmer saß? Tja, vermutlich eine Leiche.
Die Person war allerdings auch nicht wirklich gefährlich.
Ich brach in prustendes, völlig überschnapptes Gelächter aus, was höchstwahrscheinlich total fehl an Platz war.
Da saß Jesper auf einem der Stühle, den Kopf nach hinten an die Wand gelehnt, was ziemlich unangenehm aussah, und schnarchte leise vor sich hin.
Nein, er war eindeutig nicht bedrohlich.
Es kam mir viel mehr so vor, als hätte er jede Menge Schlaf nach zu holen, denn selbst nach meinen kurzen, ähm Lachanfall, wachte er nicht auf.
Super, dann blieb ,mir ja noch ein bisschen Zeit, um ihn an zu starren.
Und um zu grübeln.
Wenn ich mein Gehirn doch einfach mal ausschalten könnte.
Ich wäre so verdammt glücklich.
Aber nein, jetzt musste ich mir gleich sorgen machen.
Warum hatte ich schon wieder eine Panikattacke gehabt?
Gut, das warum ließ sich leicht klären. Aber eigentlich hatte ich mich zu dem Moment doch so sicher wie lange nicht mehr gefühlt.
Warum hatte mein Körper also gerade da überreagiert?
Vielleicht war ich auch einfach nervenschwach.
Oder es war eine Überreizung gewesen.
Was würden meine Brüder sagen, wenn ich ihnen von dieser Überreizung erzählte?
Was würden sie zu Jesper und mir sagen?
Ohne es zu wollen hatte sich ein lächeln auf meine Lippen geschlichen.
Was auch immer sie sagen würden, es war mir wirklich egal.
Denn wenn dieser Junge, der da im Stuhl schlief, genauso gerne mit mir zusammen sein wollte, wie ich mit ihm, dann würde sollte das auch so sein.
Eigentlich war ich in Sachen Beziehungen nicht besonders unrealistisch, obwohl ich so viele Kitschromane las.
Mir war auch jetzt schon klar, das die ersten Streits, großen Dramen- und, weil wir noch Teenager waren, bei uns wahrscheinlich auch das Ende unserer Beziehung kommen würde.
Aber gerade war es einfach nur schön, ihn an zu schauen.
Sein Gesicht wirkte leicht angespannt, die Stirn war durch kleine Falten gerunzelt.
Trotzdem, selbst wenn dieser Junge schlief, und schnarchte!, sah er aus, wie ein perfektes Model.

Genau in dem Moment, als die schönen Erinnerungen an unseren Kuss mich mit Wärme durchflutete, schreckte er hoch.
Wieder musste ich lachen.
Für einen Moment sah Jesper genauso orientierungslos aus, wie ich mich nach dem aufwachen auch oft fühlte.
Sein Blick schnellte zu mir rüber. Die Fältchen auf seiner Stirn wurden zu einer tiefen Sorgenfalte, als er langsam aufstand.
Doch bevor er mich fragte, ob alles gut sei, kam ich ihm dazwischen.
,, Du sabberst im Schlaf"
Erst fuhr er sich verwirrt und peinlich berührt über den Mund, dann hellte sich sein Gesicht auf:,, Na, so schlecht kann es dir nicht gehen wenn du schon Annabeth zitierst."
Ich hob arrogant meinen Kopf hoch.
Mit näselnder Stimme antwortete ich:,, Nun, schlecht ist an mir gar nichts"
,,Kann ich nur bestätigen", lachte Jesper, doch dann wurde seine Mine ernst:,, Was war eben los? Geht es jetzt etwas?"
Ich zuckte mit den Achseln.
Wie gerne hätte ich ihm erklärt, was mein verdammter Körper sich dabei gedacht hatte, aber so richtig verstehen tat ich es ja selber noch nicht so ganz.
,,Vielleicht hilft es ja, wenn ich noch einen Kuss bekomme"
Mit einem spitzbübischen lächeln sah ich ihn an.
Ein Kuss würde sicher helfen.
Ich fühlte mich irgendwie richtig erhaben, weil ich jetzt ganz offiziell einen Kuss fordern konnte.
Leider hob Jesper bloß eine Augenbraue:,, Ich hab das Gefühl, das meine Brührung irgendwas in dir getriggert hat. Also wäre das vielleicht nicht so schlau"'
,,Auch wenn ich dich natürlich gerne Küssen würde", schob er schnell hinteher.
Natürlich wollte ich nicht um einen Kuss betteln, aber ein bisschen enttäuscht war ich schon.
Aber gut, wir hatten ja später hoffentlich noch genug Zeit für ganz viele Küsse. Jetzt mussten wir sowieso erstmal reden.

Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, als Jespers Handy zu klingeln begann.
Er brach mitten im Satz ab und schaute auf das das Display.
,,Scheiße. Dan"
Er sagte es mit einem halben lächeln,aber trotzdem bemerkte ich, dass er nervös war.
,,Stell bitte auf Lautsprecher", bat ich ihn, bevor er abnahm.
Es war schön zu sehen, wie erleichtert er darüber war.
Mein Bruder konnte manchmal ganz schön explosiv sein, aber genau deswegen war er auch ein ebenso guter wie auch Freund.
Total loyal.
,,Alter, wo bleibst du? Du wolltest doch nur eben mit deinen Schwestern sprechen? Wir sind jetzt schon mit unserer ersten Zeugenaussage durch"
Bevor Jesper antworten konnte, übernahm ich das einfach:,, Hey, Danny, ich bins, Jesper ist gerade bei mir, ich hab euch nicht erreichen können, und ihn angeschrieben, ob er Pizza mitbringen kann"
Das war zwar eine riesengroße Lüge, aber übers Telefon, mussten wir so ein Gespräch eindeutig nicht führen.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt