Kapitel 105

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P.o.V. Natalie Torres

Nachdem Mr Grud mir Wasser gegeben hatte war für einen Moment alles wieder in Ordnung.
Auch wenn ich jetzt klitschnass war und dadurch etwas fror, wenigstens fühlte ich mich jetzt nicht mehr völlig ausgelaugt und fertig.
Stattdessen hatte ich das Gefühl, nochmal auf zu leben.
Ich bekam  eindeutig bald meine Regel.
Schon wieder hatte ich völlig andere Gefühle.
Nur mein Ziel war immer noch gleich.
Ich wollte, um jeden Preis, und dafür würde ich, wenn es dasbrachte auch ruhig mein Leben lassen, mit meinem Vater reden.
Ich wollte nicht nur eine weitere Leiche, ein lästiger Parasit, den er umbringen ließ, in seinem Leben werden.
Er sollte zerfressen werden von den Gewissensbissen.
Sollte sich ganz genau an mein Gesicht erinnern. An das meiner Mutter.
Er war der Vater von vier Kindern- und daran sollte er sich bei jedem Atemzug erinnern.
Denn das war rein theoretisch ehe das einzige, was ich noch bewirken konnte.
Ich liebte meine Brüder.
Und Rachel. Und Darling.
Aber ich liebte auch Jesper. Auf eine verdrehte wirre Art und Weise, die für mich manchmal so klar und manchmal so undeutlich war.
Doch je öfter ich den Kuss in meinem Kopf hin und her drehte, destso klarer wurde mir, wie dumm die Hoffnung war, dass Jesper vergleichbares für mich empfand.
Genau deswegen wollte ich sie alle nicht mehr wieder sehen.
Ich wollte mich mit diesen Problemen die aus meinen Gefühlen resultierten einfach nicht auseinander setzten.
Ja, ich war ein Feigling.
Aber ich wollte nicht sterben. Wirklich nicht.
Nur gab diese Situation es gerade so her. Ich würde nichts exaktes dafür tun, dass ich tatsächlich starb. Aber ich würde auch nicht für mein eigenes Überleben kämpfen. Dafür fehlte mir eindeutig die Motivation.
Aber meine Mutter rächen, dass würde ich auf jeden Fall.
Aber ich wiederholte mich.

Also begann ich damit ein Gespräch mit Mr Grud zu beginnen, der etwas ratlos in der Ecke stand und mir dabei zu sah, wie ich zu zittern begann.
Zum Glück hatte ich kein weißes T-shirt an.
,,Entschuldigen Sie, aber wissen sie zufällig, ob sie meinen Vater kennen? So ein großer, fetter Mann mit grauen Haaren, die meistens fettig sind und einem Vollbart, der ist noch orange" ich lachte komplett gefaket ,,Entschuldigen Sie, das war natürlich nur ein  Spaß, ich habe keine Ahnung, wie mein leiblicher Vater aussieht, aber das ist nicht nötig. Die Vorstellung wird schon passen. Ich meine, ich habe ihn nie vermisst, aber er scheint mich ja wirklich vermisst zu haben, die ganzen sechtzehn Jahre. Private Bewachung. Und jetzt sogar ein eigener Glaskäfig für seine Prinzessin. Dabei würde ich ihn doch mal gerne sehen. Wie ist es wohl, wenn man den wahren Mörder von seiner eigener Mutter sieht? Es muss einen in den Wahnsinn treiben. Aber vielleicht ist der Wahnsinn mir auch schon vorherbestimmt gewesen. Zumindest wenn es vererbbar wäre. Denn mein Vater, das will ich Ihnen mal ganz persönlich sagen, der ist wirklich wahnsinnig. Sie wissen schon, komplett verrückt in der Birne. Komplett. Meine Mutter hat nicht oft über ihn gesprochen,wissen Sie, so viele Schimpfwörter wollte Sie uns nie beibringen. Denn Sie hat unseren Vater gehasst. Aber gehasst hat meine Mutter ihn nur, weil Sie wusste, dass er nicht für seine Kinder sorgen würde. Das er sie irgendwann umbringen würde, das war von Anfang an klar gewesen für sie. Doch meine Mutter, hat mir mal anvertraut, Sie hätte sich gewünscht, dass er sie selber umbringt. Das wäre ein Zeichen gewesen, dass er sie nicht fürchtete. Sie wollte sehen, dass er sie nicht mehr liebte und keine Angst davor hatte sie selber zu töten. Aber das hatte er nicht. Und er scheint immer noch Angst zu haben, denn sonst wäre er ja hier. Sonst wäre mein Vater hier und würde mich selber quälen, um ein gutes Video für meine Brüder zusammen zu bekommen"
Ich laberte eigentlich nur Müll.
Aber es gefiel mir.
Es war gut und hilfreich, meine Gedanken endlich mal in Worte zu fassen. Auch wenn das meiste eigentlich bloß gelogen war. Teilweise wiedersprachen meine Worte sich selber, einfach weil ich mir selber noch nicht ganz sicher war, welche Strategie ich jetzt anwenden sollte, damit mein Vater kam.
Hoffentlich hörte er das alles Live mit. Es war ein komischer Gedanke, dass irgendwo die Person, die mein Leben ohne jemals da zu sein so sehr ins negative gezogen hatte, in einem Raum saß und sich ein Video von seiner Tochter ansah und anhörte, die er im realem Leben  seit ihrem ersten Lebensmonaten nicht mehr gesehen hatte.
Letztendlich setzte ich darauf, dass mein Vater genauso stur und stolz war, wie ich es manchmal sein konnte.
Wenn alles gut lief, dann wurde sein Gesicht gerade rot wie eine Tomate und er rannte direkt zu meinem kleinem Zimmerchen, um dort zu explodieren.
Denn dann würde ich mich dafür sorgen, dass er ein schlechtes Gewissen bekam.
Ich konnte nicht fake heulen, aber jemanden zu überzeugen, war kein großes Problem.
Wichtig war nur, dass ich das nicht auch noch verkackte, so wie den Großteil meines Lebens.
Der Plan war, meinen Vater erst zum explodieren und dann zum heulen zu bringen.
Denn ich wusste selber, wie leicht es war, jemanden zum weinen zu bringen, nachdem die Wut erstmal raus war.
Aber ich musste noch mehr erreichen, als ihn zum weinen zu bringen.
Dieser Schmerz musste nachhaltig sein.
So nachhaltig, dass meine Brüder keine weiteren Probleme mit ihm bekommen würden.
Wenigstens hatte ich Zeit. Denn Mr Grud entpuppte sich als sehr zuverlässiger Zuhörer, der mich die ganze Zeit anstarrte, ohne eine Miene zu verziehen.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt