Kapitel 110

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Ich fühlte mich maximal lächerlich, als mein Vater eintrat.
Da saß ich also hier, mit meinen sechtzehn Jahren und sollte mich auf ein ernstes Gespräch mit meinem Vater vorbereiten, während ich eine gepunktete Shorts trug, die jedoch komplett von diesem hässlichen grünen T-shirt bedeckt wurde, was mir mindestens drei Größen zu groß war und auf dem ein pinker Frosch abgebildet war, der einen bunten Partyhut auf hatte.
Ich machte mir wirklich nicht viel aus Mode, aber dieses T-shirt gehörte wirklich verboten.  Aus welcher Ecke hatte Mr. Grud das wohl ausgebuddelt?
Aber mein Plan ging wenigstens auf. Mein Vater ging rein und ich trug immer noch nur meine Handschocker.
Trotzdem wusste ich, das jetzt noch nicht der richtige Moment war, um ihn an zu greifen. Mr. Grud hielt einen kleinen Stick in seiner Hand, auf dem genau zwei Könpfe waren. Da er ihn erst raus geholt hatte, nachdem er mir diese zwei dicken Ringe um meine Handgelenke befestigt hatte, ging ich mal davon aus, dass sie dafür da waren, um mich unter Strom zu setzten, sollte etwas passieren oder sollte ich mich nicht brav verhalten.
Erstmal musste ich also reden.
Musste versuchen so viele Informationen wie möglich zu sammeln.
Denn wenn ich hier erstmal aus dem Raum war, war das Spielchen noch lange nicht vorbei. Die Kameras im Raum gaben mir am meisten zu denken.
Es gab sicherlich jemanden, der das alles hier überwachte. Das bedeutete, diese Person würde sofort jemanden los schicken, um mich auf zu halten, sollte ich überhaupt an meinem Vater und Mr. Grud vorbei kommen.
Im schlimmsten Fall hätte diese Person hinter der Kamera dann auch noch einen weiteren Stick, der mich unter Strom setzten konnte.
Dann konnte ich das hier vergessen.
Aber erstmal brauchte ich einfach nur Informationen.
Allerdings musste ich behutsam vorgehen, denn ich wollte in keinem Fall einen weiteren Wutanfall von Seiten meines Vaters riskieren.
Trotzdem schaute ich ihn direkt in die Augen, versuchte dabei eine möglichst gute Mischung zwischen Abscheu, Hass aber auch Angst zu treffen.
Vielleicht funktionierte es bei ihm. Vielleicht empfamd der grausame David Will irgendwo in seinem nicht vorhandenen Herzen noch ein Gefühl, was ihn als Vater kennzeichnete.
Er sollte sich dafür schämen, dass die Tochter der Frau, die er einst zweiffellos geliebt hatte, ihn fürchtete, auch wenn ihr Hass noch die Oberhand hatte.
Doch dabei musste ich gut aufpassen, dass ich auf ihn nicht erbärmlich wirkte. Denn ich hatte ganz stark den Eindruck, dass er mich dann nicht mehr respektieren würde.
Generell war ich mir, nach der Analyse und Vorbereitung auf dieses Gespräch, ziemlich sicher, dass er Mädchen nicht so sehr respektierte wie Jungen.
Ein Grund, warum ich ihn noch mehr hasste.
Aber es deutete ziemlich viel darauf hin: Während er dafür gesorgt hatte, dass meine Brüder weg ziehen mussten, hatte er mich bloß als Erpressungsmittel benutzt. Für ihn war ich das schwächste Gied in der Kette und er verließ sich darauf, dass alle sich viel mehr Sorgen um ein Mädchen machten, als um einen Jungen.
Aber das würde er eindeutig noch bereuen.
Zumindest wenn alles gut lief.
Ich setzte mich nicht hin, lieferte mir nur ein kleines Blickduell mit meinem Vater.
David Will wirkte fast emotionslos, beherrschte ein ziemklich gutes Pokerface, was jedoch nichts im Vergleich war, zu dem was ich so drauf hatte- wenn ich es dann wollte.
Er hatte Gewissensbissen, weil er so grob zu mir gewesen war und war genau deswegen auch wütend auf sich, weil er sich vor Gefühle wie Schuld wehrte.
Und genau das musste ich jetzt aus nutzen.
Meine Stimme klang ein bisschen rauer, als sie eigentlich war, denn das Wasser, mit was auch immer Mr. Grud mir da rein getan haben musste, hatte sehr gut geholfen.
Aber das musste mein Vater ja nicht wissen, sollte er mal schön glauben ich litt noch an Schmerzen. Und ich würde ganz sicher noch Wunden davon tragen.
,,Schön dich wieder zu sehen, was hast du heute so vor?"
Unsere Mutter hatte uns manchmal von ihrer Jugend erzählt.
Ich kannte sie nur als fröhliche, lustige aber vor allem aber auch nette Person, die niemals gemein war.
Doch damals musste sie anders gewesen sein. Es waren Geschichten, die von einer völlig anderen Person zu kommen scheinen, mir aber nie aus dem Gedächntnis verschwunden waren.
Sie war damals furchtbar frech gewesen.
Hatte sich gegen alles und jeden gelehnt.
Und sarkastisch war sie auch noch gewesen.
Zu dieser Zeit musste sie irgendwann meinen Vater kennen gelernt haben.
Das bedeutete, er kannte nie die Person, welche er sicher als weich bezeichnet hätte und die ich so sehr bewundert und geliebt hatte.
Jetzt war es meine Aufgabe genauso zu sein, wie die Frau, die er mal geliebt hatte.
Ich musste Erinnerungen wecken.
Musste ihn an meine Mutter erinnern.
Wenigstens hatte ich auf jeden Fall kein Problem damit, wenn ich mal sarkastisch sein musste.
Tatsächlich lachte mein Vater wieder.
Er lachte über meine Anspielung, ob er mich nochmal zusammen weh tun wollte. War ihm das bewusst? War ihm bewusst, was für ein Arschgesicht er war?
,,Das werden wir noch sehen"
Er wackelte mit den Augenbrauen und ich musste wirklich mein bestes tun um ihn  nicht auf der stelle die Augen aus zu kratzten.
War ihm bewusst, dass ich seine Tochter war und dieser lockere Unterton hinsichtlich einer angedrohten Bestrafung nicht gerade angemessen war für die Erziehung?
Vermutlich nicht, weil vermutlich alle anderen Leute nicht mal den Mut hatten, mit ihm zu reden.
Das wiederum konnte ich total nachvollziehen, schließlich war ich selber auch total ängstlich.
Aber ich musste jetzt durch halten, musste irgendwie die Unterhaltung in die richtige Richtung lenken.
War nur noch die Frage, was die richtige Richtung war.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt