Kapitel 7

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Stöhnend drehte ich mich auf die andere Seite, als mein Wecker zu piepen begann, bevor ich mich eines besseren besann, das nervige Geräusch abschaltete und aufstand. Die ersten Schritte, um das Fenster zu öffnen tappte ich immer im dunkelen, öffnete es dann, quasi noch im Halbschlaf und machte erst dann das große Licht an.
Ein Nachttischlämpchen hatte ich schon seit einiger Zeit nicht mehr, was vermutlich daran lag, dass ich  einfach zu faul oder vergesslich war, um in einen Laden zu fahren und mir etwas zu besorgen, denn Sandra würde ganz sicher nicht auf die Idee kommen so was zu machen.
Leise machte ich mich fertig, wobei ich jetzt schon wusste, dass es ein mieser Tag werden würde.
Der Schlafmangel kickt rein, sodass ich eindeutig erstmal etwas Koffein brauche, bevor ich mit jemanden sprechen konnte. Dazu kam, dass ich jetzt schon Kopfschmerzen hatte und der Kampf gegen Tobi seine Spuren hinterlassen hattte.
Mein Auge schwoll langsam an, die andere Gesichtshälfte war ziemlich grün und blau, da hatte er ja an genau den richtigen Stellen getroffen, denn sonst war mein Körper, bis auf ein paar blau, grüne Flecken am Arm und genau in der Magengrube relativ in Ordnung.
Während ich langsam wacher wurde schlüpfte ich in einen zu großen, jetzt kam was ganz überraschendes, schwarzen Pullover und habe mir meine Haare zu einem seitlichem Zopf geflochten. Wäre ganz gut, mal wieder zum Friseur zu gehen, so langsam wurden sie echt zu lang.
Früher hatte ich immer den ganz großen Mädchen-Traum, dass meine Haare mir in Wellen bis über die Hüften gingen, aber mittlerweile war es manchmal echt unpraktisch, vor allem zum kämpfen.
Seufzend tappte ich durch die Wohnung, in der jetzt Stille herrschte. Das bedeutete dann wohl, dass Sandra mal wieder ganz spontan beschlossen hatte, heute ,,frei" zu machen.
Mir sollte es egal sein, so lange sie nicht noch mehr Geld von mir verlangte, denn alles was ich sparen konnte ging in mein Versteck.
Seit ich denken konnte sparte ich schon für irgendwas und jetzt war es so weit, dass ich darauf sparte, mir einen Führerschein bezahlen  zu können und dann ein Auto zu kaufen. Dazu würde dann noch das College kommen, was ich sicherlich selber bezahlen müsste. Allerdings strengte ich mich da echt noch an, denn die Chance auf ein Stipendium, was so einiges erleichtern würde, lockte mich immer noch.
Also sah ich zu, dass ich all meine Sachen im Rucksack hatte, schnappte mir noch mein Handy und ging diesmal durch die Haustür nach draußen, auch wenn ich dann wieder mein Rad aus dem Garten holen musste. Irgendwie dumm der ganze Aufwand, nur damit die Nachbarin, die immer erst um punkt neun Uhr aufstand, nichts von meinem Nachtleben mitbekam.
Während ich freihändig mit dem Rad durch die leere Siedlung fuhr versuchte ich gleichzeitig noch etwas von dem, leider immer noch, brühend heißem Kaffee zu trinken.
Eigentlich hasste ich dieses ekelhafte Gebräu. Ich meine, wer tat sich das freiwillig an? Aber irgendwie konnte ich auch alle verstehen, die es trotzdem tranken, denn Kaffee musste ständig dazu herhalten, mich am Leben zu halten. So ein Schub von Kraft würde mir wahrscheinlich nicht mal ein Kampf geben.
An der Schule angekommen wurde es auch langsam mal etwas heller. Wie sehr hasste ich diese schreckliche Jahrezeit, in der es gar nicht hell wurde. Da machte selbst der Blick aus dem Fenster depressiv. So langsam wurde es besser.Tatsächlich war ich nichtmal die erste, welche ankam. Es standen bereits einige Grüppchen rum und redeten schrecklich laut für diese früher Uhrzeit. Ich hätte wirklich eine Kopfschmerztablette nehmen, oder wenigstens einpacken sollen.
Aber so parkte ich einfach nur mein Fahrrad und lehnte mich dann an die Wand neben dem Eingang. Vielleicht gab ich ein jämmerliches Bild, sah aus, als wäre ich einsam und todünglücklich, aber beides hatte auch Vorteile. Oder zumindest die Einsamkeit, denn so konnte ich super Menschen beobachten.
Bei uns auf der Highschool gab es nicht diese typischen Grüppchen, welche sich sonst anscheinend überall bildeten. Viel mehr  standen die meisten einmfach bei ihren Klassen, aufgeteilt in Freundesgruppen, die mehr oder weniger auffallend waren.
Zwar war meine Schule nicht besonders groß, aber da ich so gut wie keinen Kontakt zu Menschen außerhalb unseres Jahrgangs hatte, kannte ich den Großteil logischerweise nicht.
Deswegen beschränkte ich mich einfach darauf, dass ich wieder mal meine Ex beste Freundin wie eine kranke Stalkerin bepobachtete. Es war so, als würde ich mir jedes mal absichtlich selber Salz in die Wunde streuen, jedes mal, wenn sie irgendwas sagte, was mich an früher erinnerte.
Christine hatte sich verändert, aber was sollte ich schon sagen, das hatte ich schließlich auch, also sollte ich hier nicht darüber ablästern.
Trotzdem tat es mir weh, zu sehen, wie sie gerade über den etwas molligeren Postboten, der bei uns ebenfalls kam maulte. Was keiner wusste war, dass auch Chris mal etwas dicker gewesen war und man sie dafür am Anfang der Middleschool sogar mal gemobbt hatte.
Ich war ja kein Psychologe, allerdings gab es ja viele Geschichten, von ehemaligen Opfern, die dann zu Mobbern geworden waren. Und eins der größten Opfer von Christine war eindeutig ich, was vielleicht daran lag, dass ich ganz gut zurückschlug. Ich weiß nicht, aber ich sah es als eine Herausforderung, die einzige Verbindung, die uns beiden noch geblieben war.
Und so antwortete ich auf jeden ihrer Sprüche mit einer großen Portion Ironie, forderte manchmal auch eine Reaktion raus, indem ich einen Verband vom Kampf offensichtlich trug. Denn über meine Wunden gab es die unterschiedlichsten und lustigsten Spektakultionen überhaupt. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie wenige Sachen die Leute zum drüber reden hatten.

Alone in the UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt