Kapitel 128

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Es war unmöglich zu sagen , wie lange wir uns küssten, aber ich wünschte es wäre für immer gewesen.
Irgendwann löste ich mich von Jesper.
Meine Schulter war nämlich alles andere als erfreut darüber, dass ich ein riesiges Verlangen spürte, sie zu heben und durch Jespers wunderbares braunes, leicht gelocktes Haar zu wuscheln.
Er sah fast enttäuscht darüber aus.
Ein winziger Teil von mir dachte sofort, dass er es doch verdient hatte. Ich war schließlich tausendmal mehr zerstört gewesen, als er unseren ersten Kuss beendet hatte.
Aber ich konnte ihm verzeihen.
Hatte ihm schon etwas verziehen.
In dem Raum, während meiner Gefangenschaft hatte ich ihn für kurze Zeit gehasst, mir selber geschworen,ihn für immer so viel es nur ging auseinander zu nehmen.
Doch schon als er zum ersten mal in meinem Krankenzimmer aufgetaucht war, war dieser Hass verschwunden gewesen.
Ich war einfach noch verletzt gewesen.
Ich hatte ihm alles anvertraut, mich ihm von meiner verletzlichsten Seite gezeigt und er hatte so seht versucht, mich nicht zu verletzten, dass es mich letzten Endes fast zerstört hätte.
Aber jetzt standen wir ja wieder hier,bereit gemeinsam zu reden.
Und das raten wir.
Der Anfang war etwas holprig.
Ich hatte immer noch das Gefühl, vor Glück über zu sprudeln und war etwas sprachlos.
Es war Jesper, der sich endlich was sagte:,, Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht mit dir darüber gesprochen habe und einfach davon ausgegangen bin, dass ich entscheiden kann, was für dich das beste ist. Aber ich hab mich in dich verliebt, Tiger und wollte fragen..."
Er holte tief Luft:,, Willst du mit mir auf ein Date gehen?"
Plötzlich wurde mir bewusst, dass Jesper sich vermutlich gerade auch sehr biel verletzlich machte, als es für ihn normal war.
Er hatte vielleicht andere Beweggründe habt, doch auch er hatte lange Zeit verschlossen und immer auf der Hut sein müssen, damit keiner hinter sein kleines Geheimnis kam und ihn wohlmöglich noch ans Jugendamt verriet.
All das ging mit den Kopf, bevor mir auffiel, was Jesper mich da gerade gefragt hatte..
,,Ja!Ja, natürlich", rief ich euphorisch aus, ohne mich dafür zu schämen, denn Jesper strahlte mich so glücklich an, dass ich gar nichts anderes konnte, als auch glücklich zu sein.Allerdings musste ich diese kleine, überaus glückliche Blase in der wir uns befanden sofort wieder zerplatzen lassen.
Manchmal hasste ich mich dafür, dass ich so ein furchtbar pragmatischer Mensch war.
Das hier war das beste, was mir in meinem Leben passiert war- zumindest fühlte es sich im Moment so an.
Aber trotzdem waren in mir immer noch Zweifel.
Zweifel durch diesen Kuss eindeutig verkleinert wurden, allerdings waren sie immer noch da.
Denn egal wie oft Jesper mich küssen würde, meine Brüder existierten immer noch weiter.
Um hier ein Halbwegs gutes Gespräch führen zu können, und auch beim Thema zu bleiben lehnte ich mich etwas von Jesper weg.
Seine Nähe machte mich ganz verrückt.
Lag es an meinen Hormonen, dass ich nicht klar denken konnte, wenn er da war?
Oder handelte es sich hier tatsächlich um Liebe?
Diese Frage hatte noch Zeit.
Wichtig war nur, dass wir über Hindernisse sprachen, die genau in diesem Moment wichtig waren.
Ich wollte unsere Blase schließlich nicht wegen solchen Sachen platzen lassen.
,,Was ist mit meinen Brüdern?", fragte ich Jesper schnell und schaute ihm offen ins Gesicht, fest davon überzeugt, dass ich von seinem Gesicht ablesen konnte, was seine Antwort sein würde.
Aber dieses Arschloch setzte dioesesmal doch tatsächlich sein Pokerface auf.
So eine Gemeinheit!
Vielleicht nicht mehr unbedingt, wenn man bedachte, dass ich auch versuchte, mich möglichst neutral zu verhalten.
Ich wollte wissen, was er zu ihnen sagte, was seine Lösung war.
Generell wollte ich wissen, ob sie mit ihm über mich gesprochen hatten.
Anscheinend war das der Fall gewesen, denn er fragte nicht nach, was ich damit meinte.
Irgendwie wunderte es mich nichtmal, dass sie mit ihm über mich gesprochen hatten.
Meine Brüder wollten für mich nur das beste.
Ich wusste ja noch von früher, wie beschützerisch sie alle drei waren.
Jetzt wo es Mom nicht mehr gab hatte sich das bei ihnen allen ziemlich ausgeprägt.
Jesper nahm sich Zeit damit, meine Frage zu beantworten, was mir wiederum Zeit gab, zu überlegen, was ich wirklich machen würde.
Jetzt wo ich Jesper nochmal geküsst hatte, war es gar keine Option, sich von ihm fern zu halten.
Ich war in ihn verliebt.
Vielleicht war es sogar Liebe.
Und er schien meine gefühle zu erwiedern.
Warum sollte ich das noch unterdrücken, wenn es sich so richtig anfühlte.
Es könnte einiges in unserer Freundesgruppe kaputt machen.
Meine Hoffnung war, dass es Rachel nicht mehr so traf, denn auch wenn ich viele Schwächen hatte, blind war ich nicht.
Ich sah, wen zwei Freundinnen von mir Blicke tauschten.
Ich bemerkte, wenn ihre Hände immer wieder aneinander streiften.
Mein Blick wanderte wie automatisch zu Jespers Händen, die er in seinem Schoß hatte, wobei er sich immer wieder übers Handgelenk strich.
Er war nervös.
Konnte ich verstehen.
Es dauerte sicher ein paar Minuten, bis Jesper mir antwortete, doch leider blockierte mein Gehirn das Nachdenken ab dem Moment, als ich seine Hände anschaute und meine Augen ausführlich über seinen Körper wandern ließ, bis ich schließlich in seinem Gesicht verhaarte.
Hatte dieser perfekte Junge mich gerade eben tatsächlich geküsst?
Oder war das doch nur ein Traum gewesen?
Aber meine Lippen brannten immer noch und ich hatte die vage Vermutung, dass sie niemals aufhören würden, wenn ich an Jesper dachte.
Aber das sollten sie auch nicht.
Denn diese Srinnerung.
Sie sollte immer in mir bleiben.
Denn egal was Jesper jetzt antwortete, ich wollte die Situation gerade doch nicht abewägen.
Eigentlich wollte ich ihn nur nochmal küssen.
Das war dann wohl doch zu wenig Abstand für ein gutes Gespräch.

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