Alex und Jo saßen stumm und bleich da, als wären sie plötzlich erstarrt worden.
Rachel und Darling hatten sich eng nebeinander aufs Sofa gekuschelt.
Dan fluchte die ganze Zeit, brabbelte irgendwas vor sich hin.
Henry schaute sich das Video mittlerweile das siebte mal an.
Und ich?
Ich wusste nicht, was ich tuen sollte.
Meine Gefühle waren einfach zu viel.
Das war einfach zu viel für mich.
Aber was hatte ich für ein Recht, hier rum zu jammern, während Lee gerade vielleicht verprügelt wurde.
Mir drehte sich der Magen um, als sich die Tür ein Stückchen öffnete.
Frau Rosental streckte ihren Kopf durch die Tür rein:,, Alles okay bei euch, ich habe hier gerade etwas gehört?"
Henry reagierte als erstes. Und durch seine Antwort beschloss ich, dass ich ihn wirklich nicht mochte.
,,Alles bestens Frau Rosental. Wir danken für ihre Gastfreundschaft, allerdings müssten wir jetzt los und diese Dokumente abgeben.."
Dan war noch schneller als ich, Henry zu unterbrechen:,,Stopp, du willst doch nicht wirklich diese Sachen abgeben. Damit unterschreiben wir Natalies Todesurteil!"
Mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich merkte, dass nicht nur ich die Gefahr für Lee so groß einschätzte. Das war nicht nur meine Überlegung, in der ich alles überdramatisierte. Es war vermutlich die Wahrheit.
Aber Henry griff nur ungerührt nach den Unterlagen, die verstreut auf dem Tisch lagen:,, Mir ist diese ungünstige Situation sehr wohl bewusst. Allerdings ist es jetzt seit einigen Jahren mein Job, diesen Fall auf zu lösen. So nah war ich seit dem Tod von Natascha nicht mehr dran, ihn endlich zu beenden. Natürlich ist es sehr ärgerlich, dass Lee jetzt in Gewahrsam von Will ist, aber wir müssen nun mal Proritäten setzten. Es sind schon sehr viele Leute gestorben, aber vielleicht können wir Natalie auch noch früh genug befreien"
Bei diesen arroganten Worten klappt mir geradezu die Kinnlade runter.
Entschuldigt mich.
Aber...IST DAS SEIN FUCKING ERNST?!
Dieser Scheißkerl dort hat gerade ernsthaft gesagt, dass Lee ja nicht so wichtig sei. Prioritäten. Lieber ein Menschenleben beenden oder ein Menschenleben hinter die Gitter verlegen? Natürlich musste David Will ins Gefängnis. Dagegen wollte ich gar nichts sagen. Er hatte es mehr als viele andere verdient und es wurde auch wirklich Zeit.
Aber Lee..
Diesmal explodierte ich, bevor Dan es tuen konnte:,, Das ist doch nicht ihr verschissener Ernst? Sind sie noch bei Verstand? Wir werden hier gar nichts machen, bis Lee wieder in Sicherheit ist"
Und mit Sicherheit meinte ich, dass sie wieder bei mir sein sollte.
Bestenfalls in meinen Armen.
,,Na halt du mal lieber deine Schnauze", blaffte Dan mich an, bevor er Henry selber noch mal ausführlichst seine Meining, mitsamt einigen Schimopfwörtern über sein egoistisches, verkommenes Wesen, mitteilte.
Und als hätte das einen Bann gebrochen fingen plötzlich alle an zu diskutieren.
Henry versuchte mit hochrotem Kopf, seine Meinung zu verteidigen, während er die Unterlagen an sich drückte.
Langsam aber sich wandten alle sich gegen ihnen.
Selbst Darling warf ein, dass das total unmenschlich war, was er da vor hatte.
Und das stimmte auch.
Es war klar, was David Will wollte.
Er wollte nur diese Unterlagen, wollte, dass alle Ermittlungen endlich abgeschlossen werden konnten.
Und er war so kurz davor, es zu erreichen.
Nie im Leben würden wir, würde ich, zu lassen, dass Lee etwas geschah, wenn ich es nur verhindern könnte.
Aber diese Diskussionen, oder eher das Geschrei, was Frau Rosental verzweifelt versuchte zu beenden, war unnötig.
Ich konnte richtig spüren, wie die Sekunden verstrichen.
Stellte mir vor, wie jede Sekunde ein weiteres mal auf Lee eingeschlagen wurde.
,,Stopp. ", schrie ich, so laut es ging.
Wir mussten damit aufhören, uns gegenseitig an zu schreien, denn das brachte genau gar nichts.
Auf wundersame Weise wurde es plötzlich leise.
Alle schauten mich an.
,,Wir dürfern nicht emotional werden. Es ist sicher allen klar, dass wir Lee so schnell es geht befreien müssen. David kann eigentlich nicht wissen, dass wir die Unterlagen beisammen haben, um ihn zu verhaften. Das heißt, wir können erstmal auf dumm tuen und fragen, was er von uns will, um Lee zurück zu bekommen"
Diese Idee war mir erst gerade eben gekommen , doch als ich sie aussprach hörte es sich gar nicht mal so dumm aus.
Bevor irgendjemand was sagen konnte, ergriff Frau Rosental das Wort:,, Kann mir jemand bitte sagen, was hier los ist? Ich habe ihnen sehr gerne diese besonderen Unterlagen zur Verfügung gestellt, aber ich will hier nicht so einen Lärm, in meinem Haus. Also, bleiben sie ruhig, oder ich muss euch bitten, zu gehen"
Wir alle nickten, dann verschwand die gute Frau wieder und Alex übernahm jetzt das Kommando:,, Jes hat recht, dass ist eine gute Idee. Dan und Jo, ihr könnt versuchen, die Nummer zurück zu verfolgen. Ich frage, was sie wollen. Und Henry kann versuchen die Nummer an die Polizei weiter zu leiten"
Ich schaute zu dem verkappten Polizisten.
Er war ziemlich blass um die Nase und schaute immer wieder zu seiner Tochter, die Rachel umarmte und ihr beruhigende Sachen zu flüsterte.
Seine Angst um sein einziges Kind war fast schon krankhaft.
Aber ich konnte ihn auch verstehen. Meine Gefühle füe Lee waren zwar andere, doch ich spürte diese Wurt, diese Angst in mir, die mich dazu anspornte, endlich etwas zu tun.
Wenn ich diesen Kampf nur im Ring austragen könnte.
Es war so viel leichter, wenn man seinem Fewind direkt ins Auge schauen konnte, als wenn man immer wieder im verdreckten mit Täuschungen und Halbwahrheiten arbeiten musste.
Ich wollte etwas tun, um Lee zu retten.
Etwas richtiges.
Nicht nur versuchen mich irgendwo rein zu hacken, oder zu verhandeln.
Aber uns blieb nichts anderes übrig.
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Alone in the Underground
SonstigesTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...