Es war mir schrecklich peinlich, als ich wieder zu mir kam und direkt in Chris Gesicht schaute.
Diesmal dauerte es keine Sekunde, dann wusste ich auch schon, was passiert war.
Ich hatte versagt.
Meine Wangen glühten.
Meine Aussage hatte vermutlich abgebrochen werden müssen, wegen meines verdammten Zusammenbruch.
Und diesmal waren fast alle da gewesen.
Chris starrte mich voller Mitgefühl an.
Sofort verstärkte sich die Hitze in meinen Wangen, breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
Ich schloss schnell meine Augen wieder. Vielleicht merkte sie gar nicht, dass ich wieder da war.
Dabei war ich eigentlich ziemlich, ziemlich verwirrt.
Warum lachte Chris mich nicht aus?
Das war doch ihre Gelegenheit.
So konnte man mich ja wohl am besten nieder machen.
,,Es tut mir leid, Natalie"
Überrascht schlug ich meine Augen wieder auf.
War das ihr Ernst gewesen?
Es klang ehrlich, auch wenn sie ziemlich schnell und gepresst gesprochen hatte.
,,Was tut dir leid?"
Ihre stimme klang schön und geschmeidig, während ich das Gefühl hatte jahrelang nichts getrunken und auch nicht gesprochen zu haben.
Dabei konnte meine Anhörung gar nicht mal so lange her sein.
Chris verzog ihre Lippen zu einem schmalen lächeln:,, Alles tut mir leid. Es tut mir leid, was du durchmachen musstes. Es tut mir leid, dass du solche Störungen hast und dass du jetzt hier, in der geschlossenen Anstalt sein musst."
,,In der geschlossenen WAS?", ich richtete mich ruckartig auf, Chris konnte ihren Kopf gerade noch zurück ziehen, sodass wir nicht zusammen knallten.
Ich wurde sofort von einer Welle des Schwindels erfasst.
Chris lachte bitter:,, Hey, ganz ruhig brauner. Bis jetzt ist das die längste Zeit, die du bei Bewusstsein bist"
Ich rieb mir meinen Kopf.
Was war passiert? Das hier war nicht mein Zimmer. Aber auch nicht im geringsten das Krankenzimmer, indem ich doch eigentlich sein sollte.
Mein Puls schnellte hoch.
Die Möblierung war ähnlich, auch zwei Betten, weiße sterile Tapeten. Doch hier hatten wir viel mehr Platz.
Das war mir nicht geheuer.
Wo hatte man mich jetzt hingebracht?
War das Ganze wieder nur irgendeine widerliche Aktion, um mich aus der Fassung zu bringen?
Hatte mein Vater Chris gezwungen, sich zu entschuldigen, nur damit sie mir dann später wieder in den Rüken fallen konnte?
,,Hey, hey, hey"
Chris ging etwas auf Abstand, fixierte mich aber immer noch.,, Alles ist gut. Dein Vater ist hinter Gittern, deine Brüder sind in Sicherheit, Darling, Rachel, Jesper auch", bei letzterem konnte sie es sich nicht verkneifen, ihre Augenbrauen anzüglich zu bewegen.
Aber ich verstand das Ganze nicht.
Wo war ich, wenn doch alles gut sein sollte?
Zum Glück nahm die Verwirrung überhand, hielt mich davon ab, dass ich sofort wieder panisch wurde, auch wenn mein Blick durch den Raum huschte.
Das Zimmer war wirklich fast doppelt so groß, wie mein altes Krankenzimmer. Ein Fenster gab es nicht, doch trotzdem wirkte alles sehr hell, durch die fast komplette Weiße Gestaltung von... einfach allem.
Dann blieb mir zur Not also nur noch die Flucht aus der Tür.
Ich könnte die Wachen, welche sicher davor standen, überwältigen, ihnen ihre Waffen abnehmen und dann..
,,Natalie, deine Anhörung liegt jetzt fast eine Woche zurück. Die Ärzte mussten dir ein ziemlich starkes Beruhigungsmittrel geben, aber jedes mal, wenn du wieder zu Bewusstsein kamst, bist du komplett ausgerastet. Also wurdest du hier hin verlegt. Ein Irrenhaus, verpackt in einem schönen Namen. Aber da du hier keinen Besuch haben darfst, habe ich mich auch hier hin verlegen lassen, weil... ich habe mit meiner Psychologin, die ich hier bekommen habe gesprochen, auch wenn ich es vorher schon etwas bereut habe, wir sind gerade dabei meine Taten auf zu arbeiten und es tut mir wirklich leid, dass ich so scheiße dir gegenüber war. Mir selber ging es ziemlich schlecht, tja und das habe ich dann an dir ausgelassen"
Ich biss mir auf die Zunge. Eine Entschuldigung von Chris. Das war ja mal was.
Nur war ich noch immer viel tzu verwirrt, um etwas anderes zu tun,als zu nicken.
Was erwartete sie jetzt von mir?
Chris seuftze und fuhr fort:,, Gestern wurde dein Vater vors Gericht geführt. Er hat einen ziemlich guten Anwalt, aber deine Mutter hat eigentlich unwiederlegliche Beweise gesammelt..."
Konnte das wahr sein?
Stand vielleicht doch keine Wache vor meiner Tür.
War das hier kein geplanter Komplott?
,,Wo ist mein Handy?",fragte ich und erst in dem Moment, wurde mir bewusst, wie das wohl für Chris sein musste.
Sie erzählte mir irgendeine Geschichte, entschuldigte sich bei mir und alles was ich wollte war mein verdammte Handy.
,,Also, ähm, ich meine, das ist super, aber ich...Ich brauch Beweise"
Beweise dafür, dass mein Vater jetzt in Untersuchungshaft saß. Das er nicht hinter all dem steckte.
Chris legte den Kopf schräg, dann lachte sie.
Das erste mal seit langem ein Lachen, was mich nicht klein machen sollte.
Es klang echt- nicht so abgehackt und sarkastisch wir sonst immer.
Dann wurde ihr klar, dass es mein ernst war.
,,Meine Güte, wir haben echt einen Schaden", murmelte sie, als sie mit ihren dürren Fingern den roten Knopf betätiogte.
Ich zuckte zusammen.
Die Worte waren gemein.
Aber sonst hätte sie es mir auch so an den Kopf geworfen. Jetzt klang sie eher belustigt.
,,Warum bist du nochmal hier", erkundigte ich mich.
Wenn sie jetzt ins schwanken geriet, dann würde das den Komplott sofort aufdecken.
Aber Chris schaute mir direkt in die Augen, als sie antwortete:,, Ich hab mich hier einliefern lassen, damit du nicht alleine aufwachst. Damit du nicht die Zeit hier von deinen Freunden und deiner Familie komplett isoliert bist. Ich bin nicht hier, um meine Magersucht zu behandeln. Nicht wirklich...
Ich bin wegen dir hier"
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Alone in the Underground
De TodoTriggerwarnung* Allein sein: Für manche bedeutet es Traurigkeit. Für andere grenzenlose Einsamkeit. Doch Natalie hat sich daran gewöhnt. Sie musste es, von einem auf den anderen Tag. Sechs Jahre ist es schon her, dass ihr friedliches Leben plötzli...