Kapitel 15

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Mein Kopf könnte explodieren. Wie lange hatte ich darauf gewartet, dass er dasselbe für mich empfindet. Ich erinnerte mich an eine unserer ersten Begegnungen, als er das erste Mal bei mir Zuhause war. Mit einem Blinzeln veränderte sich der ganze Raum. Mein ehemaliges Schlafzimmer erschien. Innerhalb von einer Millisekunde lagen wir in meinem alten Appartement. Verstört blickte ich den Rothaarigen an. Dieser lächelte noch immer und wiederholte sich. Aber ich konnte es nicht wahrhaben. Noch nicht. Auf mein Verlangen hin löste sich Hisoka in Rauch auf. Meine Augen wurden wässrig. Wie konnte ich nur denken, dass das in der Wirklichkeit stattfinden würde. Ich war in einem Traum oder in Jins gespiegelter Realität. Nichts was hier  passierte entsprach der Wahrheit. Das Wissen wo ich war, katapultierte  mich zurück. Ich öffnete die Augen. Dieses Mal lag ich alleine in meinem  Bett. Purer Frust frass sich in mein Herz und ich strampelte wütend die Decke von meinem Körper. Warum habe ich überhaupt eine Sekunde daran geglaubt. Es hätte mir auffallen müssen, als er Jin bei seinem echten Namen nannte anstatt Kichrio. Enttäuscht genehmigte ich mir eine kalte Dusche. Wichtig war jetzt zuerst, Jins Körper zu finden. Kaum stieg ich aus der Dusche, klopfte es an meiner Tür. Hektisch schlüpfte ich in meinen Bademantel.

Ich öffnete einen kleinen Spalt.
"Ja bitte?"
"Entschuldigen Sie die frühe Störung. Die Haustüre unten war offen. Darf ich hereinkommen?" Nakajima Ippei stand im Gang, der braune Mantel hing locker über seine Schultern. Ich öffnete ganz und liess ihn eintreten. Er bemerkte schnell, dass ich praktisch nichts trug, weswegen er sich abwandte.
"Ich würde gerne mit Ihnen über das Verschwinden ihres Jungen sprechen." Seine Augen wanderten in der Wohnung umher, aber so, dass ich nicht in seinem Blickfeld erschien.
"Natürlich. Ich werde mir noch schnell etwas anziehen!" Im Schlafzimmer warf ich mir wahllos Kleider über und wollte bereits wieder ins Wohnzimmer treten, als ich einen Blick in den Spiegel warf. Das Outfit passte überhaupt nicht zusammen. Also wechselte ich das Shirt nochmals, bevor ich mich wieder zu dem Detektiven gesellte.
"Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?"
"Haben Sie Tee?" Ich nickte.
"Dann nehme ich gerne einen." Nervös setzte ich Wasser auf. Was tat er hier? Nachdem ich den Tee aufgoss, setzte ich mich ihm gegenüber in den Sessel.
"Umon hat mich heute morgen angerufen und mir alles erzählt. Dass Ihr Sohn verschwunden ist, tut mir sehr leid. Es arbeitet bereits ein Team an seinem Verschwinden", klärte er mich auf.
"Er ist nicht mein Sohn...", murmelte ich geistesabwesend. Nakata war das ja so unglaublich wichtig. Ippei lächelte mich aufmunternd an.
"Ich denke, so rührend wie Sie sich um ihn kümmern, spielt es keine Rolle, wie wir Kichiro nennen. Jedenfalls hat mir mein Kollege ebenfalls gesagt, dass Sie sich dagegen sträuben, Polizei im Haus zu haben. Nun möchte ich mich auch noch richtig vorstellen. Nakajima Ippei, Privatdetektiv." Er zupfte eine Visitenkarte aus der Manteltasche und überreichte sie mir. Ich schaute sie mir kurz an. Macht einen noblen Eindruck.
"Wenn Sie einverstanden sind, würde ich hier bleiben. Dann können Sie sich weiterhin auf die Suche machen und haben nicht das Gefühl, tatenlos herumzusitzen."
"Das ist ein guter Vorschlag. Aber ich habe nicht sonderlich viel Geld auf Lager. Also..."
"Ich verlange nichts von Ihnen."
"Sind Sie sicher?", skeptisch blickte ich ihn an. Wenn ich etwas gelernt hatte, dann, dass es in dieser Welt nichts umsonst gab.
"Machen Sie sich über das Honorar keine Gedanken. Ich werde vom Staat bezahlt."

Aufgeregt erhob ich mich. Wenn er hier war, könnte ich ohne Probleme nach Jins Körper suchen.
"Ich nehme Ihr Angebot an. Wenn Sie Hunger haben, dann bedienen Sie sich bitte in der Küche. Ansonsten bitte ich Sie, meine Wohnung nicht zu durchstöbern."
"Natürlich, das gehört sich nicht!", stimmte mir der Mann zu.
"Meine Handtasche ist im Schlafzimmer. Ich schreibe Ihnen auch noch meine Telefonnummer auf, dann können Sie mich immer erreichen."
"Ihre Nummer habe ich bereits von Umon erhalten, vielen Dank." Mit schnellen Schritten betrat ich meine privaten vier Wände.
"Jin auf ein Wort", sprach ich leise und wurde an den Ort geholt, den ich erst vor kurzem verlassen hatte.
"Kannst du bitte ein wenig deiner Energie im anderen Ring lassen. Ich vertraue ihm nicht. Bitte beobachte ihn bei allem, was er macht. Ich will wissen, ob er sich in der Wohnung umsieht, welche Schubladen er öffnet und ob er mein Zimmer durchsucht." Der Junge sank auf ein Knie. Die rechte Faust an seiner Brust senkte er den Kopf.
"Natürlich Meister!"
"Und noch etwas..." Der Kleine blieb in seiner Position, sah aber auf.
"Falls es dazu kommt, dass dein Körper vor uns wieder hier auftaucht, übernimm ihn wieder und verhalte dich unauffällig. Sag etwas von Schlafmittel oder so. Ippei soll keinen Verdacht schöpfen."
"Zu Befehl!" Er spuckte uns wieder in die Realität hinaus. So schnappte ich meine Handtasche, lächelte dem Grauhaarigen zu.
"Bitte zögern Sie nicht, mich anzurufen, wenn sich etwas ergibt!"
"Keine Sorge. Wir werden ihn finden." Ich nickte, wenig überzeugt. Daraufhin zog ich die Türe hinter mir zu.

Mit meinem transparenten Begleiter durchsuchte ich weitere Gebiete in Zaban City, die gestern übrig blieben. Ich verzichtete darauf zu rennen, trotzdem war mein Tempo erhöht. In der Nähe des Cafés beschloss ich kurzerhand, vorbeizugehen. Immerhin hatte Fuyume ihn vielleicht gesehen. Das erste Mal verfuchte ich, dass die Klingel meine Ankunft erläuterte. Nervös blickte ich mich um. Fuyume bediente gerade Gäste ganz hinten. Ihre freundliche Miene verfiel, als sie mich erblickte. Sie entschuldigte sich bei den Kunden und kam zu mir.
"Wenn ich mich richtig erinnere hast du Hausverbot.", zischte sie leise, um die Besucher nicht zu stören.
"Fuyume-"
"Nein, ich will nichts hören! Verschwinde bevor ich die Polizei rufe!"
"Kichiro ist verschwunden..." Kurz schimmerte Besorgnis in ihren Augen. Doch der Glanz entschwand sogleich wieder.
"Ich rufe dich an, wenn er hier auftaucht. Ansonsten brauchst du dich hier nicht mehr blicken zu lassen!", meinte sie, drehte sich auf dem Absatz um und ging. Damit die Dunkelhaarige ihre Drohung nicht in die Tat umsetzte, verliess ich das Lokal.
"Ich mochte sie", murmelte Jin. Seine braunen Augen wanderten unruhig über die herumlaufenden Menschen. Ich auch, dachte ich niedergeschlagen. Eine Gruppe Teenager Mädchen drückte sich an uns vorbei ins Café.
"Suchen wir weiter." So setzten wir uns wieder in Bewegung. Jin scannte jedes einzelne Haus, doch von seinem Körper fehlte jede Spur.

Erledigt liess ich mich auf eine Parkbank fallen. Meine Füsse schmerzten. Ich hätte besser die bequemen Schuhe anziehen sollen. Seufzend zog ich sie aus, die Socken ebenso. Dann vergrub ich meine Füsse im kalten Gras. Fix und fertig rutschte ich nach vorne, lehnte meinen Kopf an die hölzerne Rückenlehne. Wo sollte ich mir einen neuen Job suchen? Ich hatte keine abgeschlossene Berufsausbildung, keine Referenzen, die ich angeben konnte und schon gar kein Geld für eine Hochschule oder Universität. Das einzige was mir so auf die Schnelle einfiel war, zu meinem alten Arbeitsplatz zurückzukehren. Ich meine, tanzen liebte ich noch immer. Dennoch war die Wohnung, die ich jetzt besass um einiges teurer als die von früher. Das Tanzen allein würde nie dafür reichen und umziehen wollte ich nicht. Gedankenversunken schloss ich meine Augen und genoss die letzte warme Oktobersonne. Bald würde wieder der Winter hereinbrechen und die Landschaft in weisse Watte packen. Damit würde er hoffentlich nicht nur die Natur, sondern auch meine Gefühle einfrieren...

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt