Kapitel 2

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In meinem Inneren brach sofort Panik aus, aber ich liess sie nicht nach aussen scheinen.
"Misaki", korrigierte ich ihn. Nakata Hiro öffnete sein Notizbuch.
"Oder Natsumi? Bei all diesen Namen ist es schwierig den Überblick zu behalten", klagte er.
"Oder soll ich Sie mit Mya ansprechen? Die Ungezähmte. Denken Sie nicht, dass dieser besser zu Ihnen passt." Ich verdrehte die Augen. Meinen Künstlernamen hatte ich mit 16 ausgesucht. Damals war ich noch wild und ungezähmt, setzte meinen Kopf durch wo ich nur konnte. Jetzt versuchte ich bloss noch, mit meiner Vergangenheit aufzuräumen.
"Nennen Sie mich Misaki, wie es alle anderen auch tun." Er setzte an, weiterzureden.
"Was darf ich Ihnen bringen?"
"Einen Latte Macchiato." Ich überbrachte die Bestellung Fuyume, die sich auch gleich ans Werk machte.
"Wieder dieser Polizist?", fragte sie und schenkte mir einen mitleidigen Blick. Ich murrte nur als Antwort und betrachtete die Erdbeertorten. Wie gerne würde ich jetzt ein Stück in mich hineinschlemmen. Die Barista stellte den Kaffee vor meiner Nase ab.
"Wenn er Ärger macht, gib mir Bescheid."
"Okay", seufzte ich.
"Und Misaki... Ich kümmere mich um die restlichen Kunden. Klär das mit ihm!" Mit der Tasse auf dem Tablett, begab ich mich zurück in die Höhle des Löwen.

"Ich bevorzuge unvergiftet", witzelte Nakata, als ich ihm sein Getränk hinstellte.
"Seien Sie versichert. Wenn ich jemanden töten würde, dann nicht mit Gift", lächelte ich ihn falsch an. Sofort zückte er seinen Stift und machte eine Notiz.
"...nicht mit Gift...", murmelte er während er die Worte niederschrieb.
"Setzen Sie sich bitte" Seine Augen überflogen, was er gerade notiert hatte.
"Womit töten Sie denn?" Den Stift auf dem Papier angesetzt, blickte er mich an.
"Gar nicht!" Er machte ein unzufriedenes Geräusch und schrieb mehr darunter.
"Sie scheinen mir ein Stichwaffen-Typ zu sein. Vielleicht Messer?" Nakata sah mich mit analysierenden Augen an.
"Nein", lächelte ich. Wenn er schon so blöd fragte, dann konnte ich ihn ja etwas irritieren.
"Dann doch lieber Gift." Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen und starrte das Notizbuch an. Daraufhin schüttelte er den Kopf und widmete sich dem Text zwei Seiten weiter vorne.
"Wir sind Ihrer Aussage nachgegangen. Leider wollte die Familie Zoldyck keinen Standpunkt dazu einnehmen." Der Kriminalpolizist suchte in meinem Gesicht nach einer Reaktion. Doch ich starrte ihn weiter teilnahmslos an.
"Zudem konnten wir keine Frau namens Pamoduka finden, die sich in dieser Zeit in York New aufgehalten hat und auf die Beschreibung passt." Sounds like a you problem, dachte ich spöttisch.
"Ausserdem haben sich neue Entwicklungen ergeben. Mir wurden endlich Zugänge zu allen Akten gewährleistet." Sein Grinsen wurde breiter, er stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und lehnte sich vor.
"Was sich daraus ergeben hat, ist hochinteressant. Haben Sie die Brosche ihrer Grossmutter noch? Oder den Blood Globe? Sie waren beide Male an Orten eingebrochen, die eine Verbindung zu Kasai Hideo aufwiesen. Einmal bei ihm Zuhause, bei dem mehrere Streitkräfte ihr Leben verloren. Es war geplant, daran gibt es keinen Zweifel. Und allein hätten Sie das ganz bestimmt nicht ausführen können. Da kommt die Phantom Troupe ins Spiel. Woher auch immer ihre Zusammenarbeit rührte, ins Anwesen konnten Sie nicht alleine einbrechen. Sie sind die Kameras ganz geschickt umgangen und haben auch sonst kaum Spuren hinterlassen. Nur wegen der Aussagen der Eingangswachen konnten wir eine Verbindung zu ihnen ziehen. Sie waren mit dem Oberst ins Haus gegangen. Später fand man ihn tot, und sie waren weg. Ein seltsamer Zufall, finden Sie nicht!?" Laut klappte er das kleine Buch zu und hob triumphierend die Tasse an seine Lippen. Ich zog eine Augenbraue hoch.

"Was haben Sie sich da für ein Märchen zusammengereimt!?", fragte ich skeptisch.
"Kein Märchen. Die volle Wahrheit. Und die Geschichte geht noch weiter. Sie waren ebenfalls am Überfall in der Hanji Bank beteiligt. Ich habe mir die Überwachungsaufnahmen angesehen. Sie waren mit Pamoduka da und einem blonden Chauffeur, den wir nun zur Fahndung ausgeschrieben haben. Sie wurden befragt, aber aufgrund eines weiteren Ermittlungsfehlers freigelassen."
"Wenn Sie mit einem ersten Ermittlungsfehler meinen, dass der Pressesprecher überall herumposaunt hat, dass ich schwanger war, dann war es kein einfacher Fehler! Er hat damit brisante Infromationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich wurde tagelang von Journalisten belagert, musste mich verstecken!"
"Wo ist das Kind jetzt!"
"Abgetrieben!", antwortete ich genauso schnippisch. Nakata nickte wieder und notierte sich weitere Dinge. Dass er so viel herausgefunden hatte, machte mich langsam nervös. Wie er so viele Verbindungen zwischen mir und der Troupe herstellen konnte, lag wohl einerseits an seinem logischen Können, andererseits an seiner blühenden Fantasie. Beides konnte mir noch sehr gefährlich werden. Ab jetzt musste ich doppelt aufpassen, was ich von mir gab.
"Der zweite Ermittlungsfehler lag darin, Ihnen keine Polizeieskorte mitzuschicken. Denn nachdem Sie aus der Hanji Bank abgeführt wurden, hatte einer der drei Polizisten mit ihnen einen Unfall. Er war mit zweihundert Sachen gegen die Brüstung der Brücke gerast. Die Bergung dauerte über zehn Stunden. Der andere lag dabei mit gebrochenem Genick im Kofferraum und Sie waren mal wieder nirgends aufzufinden." Er seufzte theatralisch.
"Ich glaube, ich habe es hier mit einer Massenmörderin zu tun." Verächtlich schnaubend lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme. Ich war mir meiner defensiven Haltung bewusst, so würde sich aber jeder verhalten, wenn er solche Anschuldigungen an den Kopf geworfen bekam.
"Worauf stützen Sie all diese Hirngespinste..." Die grünen Augen durchbohrten mich. Jede noch so kleine Regung erfassten und analysierten sie. Ich sah ihm regungslos entgegen und wartete darauf, dass er den Blickkontakt abbrach. Es dauerte beinahe eine halbe Minute, bis er es tat. Es legte sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen.
"Fakten...", murmelte er schliesslich.

Ein nerviger Klingelton erklang. Nakata fischte das Handy aus seiner Jackentasche und nahm den Anruf gleich an. Ich blickte mich währenddessen desinteressiert um.
"Nakata Hiro"
"..."
"Wirklich!?" Der Polizist riss ungläubig seine Augen auf.
"..."
"Nein, wir sind gleich da!" Mit einem schnellen Tippen, legte er auf.
"Jetzt hat das ganze hier noch eine interessante Wendung genommen! Denn während wir hier reden, stellen meine Ermittler Ihre Wohnung auf den Kopf und raten Sie mal, was sie dort gefunden haben!?" Scheisse, ist Ian Zuhause?! Die werden ihm einen schönen Schrecken eingejagt haben, wenn plötzlich ein Sondereinsatzkommando vor meiner Türe stand. Aber wenn wenigstens Ian da war, musste ich mir keine Sorgen um Jin machen.

Sein Lächeln wurde breiter, er schob das Notizbuch mitsamt dem Stift in die Aktentasche zurück. In einer mächtigen Geste stand er auf und warf sich den Mantel über. Mit einem breiten Grinsen sah er mich an.
"Chiura Natsumi, ich verhafte Sie wegen Raubmordes an Oberst Yatoshi Mizuru, sowie Beteiligung an der Entführung und Beihilfe zum Mord an Kasai Hideo!"

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt