Kapitel 4

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Ich starrte Nakata ungläubig an. Was hat er da gerade gesagt!? Auf einen Schlag überfluteten Fragen meine Gedanken. Doch ich konnte keine greifen. Mein Kopf war absolut leer.
"Wenn es Ihnen nichts ausmacht würde ich gerne auf Handschellen verzichten. Aber wenn Sie sich wehren, werde ich nicht zögern." Mein armes Herz, dass immer schneller schlug, trieb mir das Adrenalin durch den Körper. Trotzdem war ich zu keiner Handlung fähig.
"Bitte begleiten Sie mich!", sprach der Kriminalpolizist und wies mit einer Hand zur Türe. Mit zitternden Beinen erhob ich mich. Ich fühlte mich, als ob ich mich gleich übergeben müsste und schwitzte kalt. Als wir am Thresen vorbeigingen, winkte er Fuyume zu sich.
"Ich muss Ihre Mitarbeiterin leider festnehmen. Bitte entschuldigen Sie die Umstände!" Die dunkelhaarige Barista nickte verwirrt, sah zu mir, dann zu Nakata zurück.
"Was hat das zu bedeuten?" Der Polizist lächelte.
"Mit etwas Glück können wir vielleicht einen Mordfall auflösen!" Er verabschiedete sich von meiner nun noch verloreneren Arbeitgeberin. Draussen führte er mich zu seinem Auto.
"Bitte befestigen Sie dieses Gerät an ihrem Handgelenk." Ich bekam ein fussfesselähnliches Ding überreicht. Zögerlich schloss ich die beiden Hälften um meinen Arm. Ein leises 'Klick' erläuterte, dass es richtig verschlossen war.
"Vielen Dank. Damit könnten meine Kollegen Sie orten, falls mir zufälligerweise etwas passieren würde und Sie nicht mehr auffindbar sind!" Auf einen weiteren Befehl von ihm, setzte ich mich auf die Rückbank des Polizeiwagens. Einige Schaulustige hatten sich versammelt und knipsten mit ihren Smartphones fleissig Fotos. Eigentlich sollte es ich nicht stören, denn es war sehr wohl nicht das erste Mal. Trotzdem nervte es mich, schon wieder eine Person öffentlichen Interesses geworden zu sein, ohne etwas dafür zu können.

Ich wurde in eine Verhörzelle gesteckt. Darin wartete ich mindestens zwei Stunden, bis endlich ein Anwalt verständigt war, der mich auch vertreten wollte. Ein unauffälliger kleiner Mann in grauem Anzug kam schliesslich in den Raum und erklärte sich als mein Rechtsschutz. Kurz darauf gesellte sich auch Nakata wieder in das winzige Zimmer.
"Das meiste habe ich Ihrer Klientin bereits erklärt", begann er, führte aber auch noch dem Anwalt aus, was mir alles zu Lasten gelegt wurden. Die Befragung begann danach. Nachdem die Formalitäten und Fragen über meine Person zu genüge beantwortet wurden, widmete er sich schliesslich den Anschuldigungen. In wortgewandter Umschreibung erklärte er, was mir alles vorgeworfen wurde.
"Das sind interessante Spekulationen", meinte der Verteidiger ruhig, nachdem er still zugehört hatte.
"Keine Spekulationen mehr. Wir haben Beweise gefunden. Da ein erhärteter Verdacht gegen Ihre Mandantin besteht, haben sich meine Kollegen mit einem Durchsuchungsbefehl Zugang zu ihrem Appartement verschafft. Dort wurden wir auch tatsächlich fündig." Aus einem braunen Briefumschlag zog er Abzüge zweier Fotos. Sie zeigten ganz klar den gläsernen Atlas in meiner Kommode. Wie dieser dort hin gelangt war, war mir unbekannt. Aber die Troupe hatte da definitiv ihre Finger im Spiel.
"Was ist das?" Mein Verteidiger tippte mit seinem dicken Zeigefinger auf den starken Mann aus Glas.
"Der gläserne Atlas"
"Sie erinnern sich an das gute Stück?", grinste der Polizist, als ob ich gerade gestanden hätte.
"Natürlich. Ich war dabei als der Herr ihn an der Southernpiece Auktion für 15 Milliarden ersteigert hat", antwortete ich und sah Nakata angriffslustig an.
"So einen Abend vergisst man nicht so leicht!" Ob ich damit die Auktion selbst, oder mein Wiedersehen mit Hisoka meinte, wusste ich nicht. Aber darüber konnte ich gerade auch nicht nachdenken.
"Wozu braucht man ihn?", wollte Nakata von mir wissen. Ich legte den Kopf in den Nacken, als müsste ich ernsthaft darüber nachdenken.
"Ich glaube Herr Kasai hat irgendeinen Zusammenhang zum Blood Globe gefunden."
"Jedenfalls hat man ihn in Ihrer Wohnung gefunden. Er wurde aus Kasai Hideos Villa gestohlen. Zu dem Zeitpunkt, als Sie Zugang dazu hatten!"
"Was haben Sie für Beweise!?", warf mein Anwalt ein. Nakata suchte die Zeugenaussagen aus dem Ordner und hielt sie ihm arrogant unter die Nase. Der kleine Mann überflog die Papiere.
"Verstehe...", murmelte er und gab sie dem Kriminalisten zurück.
"Ich hätte gerne Kopien von allem, damit ich die Verteidigung richtig vorbereiten kann."
"Seit wann ist der gläserne Atlas in Ihrem Besitz!?"
"Das weiss ich nicht. Ich hatte ihn nie bei mir."
"Wie ist er dann in Ihre Wohnung gekommen?"
"Weiss ich nicht"
"Ach kommen Sie, Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass er wie von Zauberhand bei Ihnen aufgetaucht war!"
"Ich weiss nicht, wie er in mein Appartement kam!" Nakata wollte erneut ansetzen, doch mein Verteidiger unterbrach ihn.
"Meine Mandantin weiss offensichtlich nicht, wie das passiert ist! Und wenn Sie es wissen würde, dann nicht Sie ihr Schweigerecht in Anspruch. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, dann ist das Verhör hiermit beendet."

"Nicht so schnell. Ich habe noch ganz viele ungeklärte Fragen. Zum Beispiel würde mich brennend interessieren, wie Ihre Klientin zum Thema Entführung steht?" Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. Wo kam das denn her? Mord, Diebstahl, Irreführung der Polizei, all das konnte ich verstehen, aber Entführung!?
"Können Sie das genauer ausführen?"
"Kann ich..." Wieder verschwand seine Hand in der braunen Tüte. Ein weiteres Foto fand seinen Weg auf den Tisch. Mir rutschte beinahe das Herz in die Hose. Darauf war Jin abgebildet. Besser gesagt Jins Körper und zwei Streitkräfte, die versuchten ihn zu reanimieren. Die Luft wurde immer stickiger. Was war mit Jin? Hatte er sich in den Ring retten können? War nicht Ian auch noch da? Würden sie einem kleinen unschuldigen Geschöpf wie Jin etwas antun? Hatten sie ihn mitgenommen? Falls ja, konnte er seinen Aufenthaltsort mitnehmen? Ich sog hörbar die Luft in meine Lungen.
"Wer ist das?", fragte der Kriminalpoizist grinsend.
"Kichiro... Mein Junge!"
"Falsch. Nicht Ihr Junge! Sie haben keinen. Weder selbst zur Welt gebracht, noch adoptiert. Auf den Behörden finden sich keine Informationen zu diesem Jungen. Deswegen gehen wir von einer Entführung aus. Momentan vergleichen wir seine Beschreibung mit allen Datenbanken. Bald werden wir garantiert einen Treffer haben."
"Werden Sie nicht. Kichiro stammt aus Meteor City!", warf ich ein und blickte Nakata stur an. Mein Anwalt sah zwischen uns hin und her.
"Das werden wir überprüfen."
"Wie? In Meteor City gibt es doch keine Behörden", wunderte sich der kleine Mann an meiner Seite. Nakatas Gesicht verzog sich in eine hässlich lächelnde Fratze.
"Wir befragen den Jungen" Ich spürte den Stich in meinem Herzen. Ich wollte nicht, dass Jin irgendwo hier alleine eingesperrt war. Er war schon genug lange einsam.
"Wie alt ist er?", fragte der Polizist, den vergilbten Notizblock vor sich. Doch diesmal nahm er einen Stift mit schwarzer Tinte.
"13"
"Wo wurde er geboren?"
"Meteor City"
"Wo genau?"
"Wollen Sie eine genauere Beschreibung? So etwa wie, hinter dem östlichen Müllberg noch 200 Meter links!?" Nakata warf mir einen genervten Blick zu.
"Wer ist sein Vater?" Koda Nori, wollte ich schon sagen. Aber dann hätte ich so einiges erklären müssen. Zum Beispiel, wie jemand in Meteor City denselben Namen wie Kasais verschwundener Bodyguard tragen konnte.
"Weiss ich nicht..."
"Seine Mutter?"
"Weiss ich nicht..."
"Sein Geburtsdatum?"
"Auch das kenne ich nicht. Wir feiern immer am 16. Januar"
"Was macht er am liebsten?"
"Technikmagazine lesen und selbst Dinge bauen"
"Zum Beispiel?"
"Er hat vor kurzem mit meinem Freund eine Drohne gekauft. Jetzt basteln die beiden daran herum" Er kritzelte auf dem Papier herum. Seine Augen überflogen was er geschrieben hatte. Ich schaute zu meinem Anwalt. Dieser nickte mir versichernd zu. Nakata erhob sich. Das tat er wohl immer, wenn er sich wichtig vorkam.
"Das wars jetzt mal fürs Erste. Und übrigens befindet sich Ihr Freund ebenfalls in Untersuchungshaft. Immerhin müssen wir annehmen, dass Sie Komplizen hatten."

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt