⭐️Kapitel 54💧

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Ich hatte es mir in der riesigen Eingangshalle bequem gemacht. Vor mir lag eine Auswahl an den Broschüren bester Restaurants. In eines dieser, würde ich Yoriko heute Abend ausführen. Natürlich würde das einiges Kosten. Aber die meisten liessen sich von Geld beeindrucken, wenn auch nur unbewusst. Aber ich hatte ja noch ein wenig Zeit, mir eines auszusuchen. Mit einer Tasse Kaffee sass ich also in einem weichen Sessel und betrachtete das rege Treiben, während mir meine Karten spielerisch durch die Finger glitten. Eine junge Frau riss eine Seitentüre auf. Sofort schossen die Blicke einer ganzen Gruppe ihresgleichen zu ihr.
"Er ist gleich da! Er ist gleich da!", quieckte sie aufgeregt. Wie ein Haufen gackernder Hühner rannten alle durch die Türe nach draussen. Ich verdrehte die Augen. Doch damit verstummte der Lärm leider nicht. So laut, hatte ich mir den angebrochenen Sonntag Morgen nicht vorgestellt. Die Haupttüre öffnete sich automatisch, wodurch das Gekreische noch lauter wurde. Eigentlich interessierte es mich nicht, wer wie beliebt war. Dennoch wollte ich wissen, wen diese Frauen so anhimmelten. Zuerst erblickte ich nur die Fangirls, welche sich in ihrer Anzahl vervielfacht hatten. In ihrer Mitte schritt langsam ein Mann. Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck versuchte er durch die Menge voranzukommen. Die schwarze Uniform passte wie angegossen und die Kombination aus roten Stickerein und gleichfarbigen Handschuhen machten den ganzen Look elegant. Der Schwarzhaarige hob die Mütze von seinem Kopf und strich sich durch die Haare. Dann setzte er sie wieder auf. Es war wohl im Wissen, wie sexy das für die starrenden Mädchen ausgesehen haben muss. Dabei waren es nicht einmal seine roten Augen, die meine Aufmerksamkeit erlangten. Wie eine schützende Schicht, waberte Nen um ihn. In einer Menge, die viele schlechtere Kämpfer nur in ihre stärksten Angriffe stecken würden. Dass ihn die Mädels daran hinderten, den Aufzug zu erreichen, ging ihm wohl gehörig auf die Nerven. Mit dem Zeigefinger schob er seine Schirmmütze ein wenig nach oben. Währenddessen legte sich sein Nen wie eine stetige Kuppel um die Frauen, die um ihn standen. Plötzlich blieb er stehen. Seine Aura nahm einen gelblichen Schimmer an. Auf ein Mal verschwanden sie alle. Aber ein Wimpernschlag später befand der Uniformierte sich wieder an der Stelle, die er gerade verlassen hatte. Wachsam beobachtete ich wie er seinen Weg zu den Liften fortführte. Sobald sich die Türen öffneten, schnipste er mit den Fingern. Auf dieses Zeichen tauchten die Frauen wieder auf. Verwundert schauten sie sich um. Doch bis sie bemerkten, dass der Mann weg war, hatte sich der Aufzug bereits in Bewegung gesetzt. Nachdenklich trank ich einen Schluck Kaffee. Ich erinnerte mich daran, dass er ebenfalls auf dem Foto in Yorikos Zimmer war. Also kannten ihn die anderen wahrscheinlich auch. Sein Nen war jedenfalls unglaublich interessant. Nach Yoriko würde ich ihn definitiv auch noch herausfordern.

Als ich aus dem Lift trat, wurde ich angenehm überrascht. Die Kupferhaarene lehnte sich an die Wand neben dem Aufzug. Sobald sie mich erblickte, stiess sie sich davon ab. Die Lippen zu einer grimmigen Schnute verzogen, spatzierte sie wortlos neben mir her. So begleitete mich die Hübsche bis vor mein Zimmer.
"Was ist los?", wollte ich wissen, da sie noch immer nicht mit der Sprache herausrückte.
"Mein Sensei ist zurück-" Yoriko stockte. Ihre Augen gaben sich alle Mühen meinen aus dem Weg zu gehen. Das liess mir genug Zeit, sie von oben bis unten zu betrachten. Sie trug ein Sportoutfit, welches sich hauteng an sie schmiegte. Ihre Hände steckten wieder in fingerlosen Handschuhen. Obwohl sie eine kräftige Statur hatte, fehlte es ihr definitiv nicht an Kurven. Es machte mich neugierig, wie sie unter den Kleidungsstücken aussah. Doch bevor ich es mir genauer ausmalen konnte, riss mich Yoriko aus den Tagträumen.
"Also wird es nichts mit unserer Verabredung heute Abend."
"Oh...", überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. Wurde ich gerade versetzt?
"Tut mir leid. Er will meine Fortschritte testen. Das wird den ganzen restlichen Tag dauern."
"Oder länger", fügte sie augenverdrehend hinzu. Ich reagierte nicht. Schliesslich trafen ihre dunklen Iriden auf meine goldenen. Unsicher nagte sie an ihrer Unterlippe herum.
"Bist du jetzt wütend?" Ein Lächeln zauberte sich auf meinen Mund. Was für eine Vorlage...
"Nein... Aber dafür schuldest du mir einen Kuss", grinste ich schelmisch.
"Pffft, vergiss es", lächelte sie nun ebenfalls. Die Lippen gespitzt, verlangte ich danach. Kopfschüttelnd fuhr ihre Zunge über die blassen Lippen. Dennoch näherte sich mir ihr Kopf.
"Du kriegst einen auf die Wange, wenn dich das glücklich macht...", meinte sie und schlug die Augen zu mir auf. Ungewollt liess sie das gerade unglaublich attraktiv erscheinen.
"Das würde mich überglücklich machen", grinste ich. Natürlich hatte ich nicht vor, dass es dabei bleiben würde. Eine Hand an mein Kinn gelegt, berührte ihr Mund beinahe meine Wange, als ich meinen Kopf drehen wollte. Aber meine Kraft reichte nicht aus. Ihr Griff war hart. Meine Augen fixierten seitlich ihr Gesicht.
"Nicht schummeln", hauchte Yoriko und verpasste mir damit eine Gänsehaut. Auf ihrer Haut lag ein leichter Rotschimmer. Ganz kurz drückte sie ihre weichen Lippen auf meine Wange. Daraufhin liess sie mich wieder los. Ich widerstand der Versuchung, sie mit Bungee Gum an der Wand festzusetzen und gleich hier durchzunehmen. Denn dieses Verlangen löste Yori in mir aus. Als könnte sie meine Gedanken lesen, trat die Hübsche einen Schritt zurück. Doch es schien nicht meinetwegen zu sein. Einen Moment später umgab eine gelbliche Schicht Nen ihren Körper. Sie brachte noch mehr Distanz zwischen uns, wodurch der Film auf ihrer Haut dicker wurde. Mit schnellen Handgriffen band sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
"Wir sehen uns", meinte die Hübsche und warf mir ein umwerfendes Lächeln zu. Keine Sekunde verging und ihr ganzer Körper löste sich schlagartig in Luft auf. Sie behielt Recht. Den Rest des Tages verbrachte ich alleine, ohne dass ich einen weiteren Blick auf die hübsche junge Frau hätte erhaschen können. Dennoch liess ich es mir nicht nehmen, die Reservation einzuhalten. Die Empfangsdame lächelte mich traurig an, als ich ihr sagte, dass meine Verabredung abgesagt hatte. Sie sah gut aus. Deswegen fragte ich sie, ob sie mir nicht Gesellschaft leisten wollte, sobald ihre Schicht zu Ende war. Sie hatte zwar freudig zugestimmt, aber ich bereute meine Entscheidung sobald sie sich an meinen Tisch gesetzt hatte. Sie war einfach nur langweilig. Deswegen beeilte ich mich.
"Wollen wir nachher noch zu mir?", fragte sie glucksend. Der Wein war ihr wohl nicht gut bekommen.
"Nein. Kein Interesse", antwortete ich gelangweilt und schlug meinen Weg zurück zur Himmelsarena ein. Zu meinem Glück folgte sie mir nicht. Den Rest des Abends verbrachte ich in einer namenlosen Bar. Nachdem ich mal wieder halluzinierte, Akane zu sehen, betrank ich mich ohne Grenzen, bis die Schönheit wieder aus meinem Kopf verschwand.

Wie genau ich gestern, oder eher heute Morgen nach Hause fand, war mir bis jetzt ein Rätsel. Denn von meinem abendlichen Pubbesuch erinnerte ich mich nicht einmal mehr daran, wo die Gaststätte lag. Das Mittagessen nahm ich wie üblich in der Kantine ein. Zum einen war es gratis für die Bewohner des Stockes. Zum anderen schmeckte es tatsächlich gut. Bevor ich aber den Raum betreten hatte, sah ich den Schwarzhaarigen. Seine Augen schweiften durch das Zimmer, als ob er jemand suchte. Während der ganzen Aktion hatte er mir den Rücken zugedreht. Mein Essen geholt setzte ich mich in der letzten Reihe in die Ecke. Gedankenversunken schob ich mir die Nahrungsmittel in den Mund. Jetzt gerade setzten sich Hogai und Hitoshi an einen anderen Tisch. An meiner Miene hatten sie wohl erkannt, dass ich gerade nicht wirklich eine Unterhaltung führen wollte. Yorikos roter Haarschopf erschien im Türrahmen. Kurz scannte sie das Zimmer ab. Dann rannte sie lautlos zu uns und setzte sich hinter Hitoshi.
"War er schon hier?"
"Ja, ich habe ihn im Gang gesehen. Er hat nach dir gefragt...", meinte Hitoshi, ohne von seinem Teller aufzusehen.
"Was steht denn heute auf dem Plan?" Hogais Stimme spiegelte seine Neugier wider.
"Dasselbe wie die letzten paar Mal: Kontrolle, Rot und Nahkampf."
"Klingt anstrengend", seufzte der Riese.
"Naja vielleicht kann ich heute mal das Training schwänzen-"
"Yoriko!", unterbrach eine autoritäre tiefe Stimme die Hübsche. Die Angesprochene zuckte zusammen. Ihre dunklen Augen zu Schlitzen verzogen, machte sich auf ihrem Mund ein enttäuschtes Lächeln breit.
"Ab ins Training!"

Wortlos stand sie auf und ging aus dem Raum. Meine Augen verfolgten sie, bis zu der Person, die mit ihr gesprochen hatte. Das schwarze Outfit machte ihn unverkennbar. Jedoch prangte diesmal ein Ausdruck von Unmut auf seinem Gesicht. Einen behandschuhten Finger auf die beiden gerichtet, sprach er weiter.
"Versucht gar nicht erst, sie am Training zu hindern..."
"Haben wir doch gar nicht", grinste Hitoshi. Auch der Voodoopriester berstärkte die Worte seines Kollegen.
"Überhaupt nicht."
"Und, was hat sie euch über das Training gesagt?"
"Das übliche... Keine Angst, sie plaudert deine Geheimnisse nicht aus. Aber sei dir versichert, wir kommen schon irgendwann von selbst dahinter. Wie war euer Ausflug?" Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er rückte die Mütze zurecht.
"Sehr aufschlussreich-"
"Habt ihr uns Souvenirs mitgebracht?"
"Warum sollten wir?", fragte der Schwarzhaarige verwirrt.
"Ich dachte, du magst uns", schmollte Hogai und wischte sich eine imaginäre Träne von der Wange.
"Ich würde Yoriko nicht in eure Nähe lassen, wenn dem nicht so wäre."
"Dann können wir uns glücklich schätzen. Aber bring uns das nächste Mal Souvenirs mit!", lachte der Blonde. Amüsiert die Augen verdrehend wollte sich der Uniformierte wieder vom Acker machen. Doch sein Blick blieb bei mir stehen. Seine Miene fiel sofort und ein harter Ausdruck machte sich in seinem Gesicht breit. Einen Moment starrte er mich an. Rote Iriden leuchteten mir gefährlich entgegen. Auf einen Schlag veränderte sich die Farbe seiner Aura. Wie dickes Blut tropfte es von seinen Fingern, schlug auf dem Boden auf und zog sich von dort an seinen Schuhen wieder hinauf. So etwas hatte ich noch nie gesehen, aber es bedeutete, dass er stark war. Und darauf freute ich mich.
"Solltest du Yoriko nicht ins Training begleiten?", hörte ich Hogais Stimme. Ihr war anzuhören, dass ihn der aktuelle Gemütszustand des Schwarzhaarigen einschüchterte. Ein leises Schnauben drang an mein Ohr und dieser wandte sich verächtlich ab. Mein Ruf eilt mir wohl voraus, dachte ich grinsend.
"Mit ihm solltest du dich besser nicht anlegen!", wandte sich der Blonde an mich.
"Ich denke schon. Ich will unbedingt gegen ihn kämpfen..." Meine Mordlust liess sich nicht mehr aufhalten. Ich leckte mir über die Lippen und versank sogleich in Gedanken. Wie es sich anfühlen würde, gegen ihn anzutreten... Ihn zu schlagen... Ihn zu töten...

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt