Kapitel 99

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"Was bin ich für dich?" Hisokas Grinsen wurde breiter. Geheimnisvoller. Genüsslich leckte er sich über seine Lippen.
"Eine gute Freundin."
"Ich mag dich mehr als einen Freund", flüsterte ich und blickte zu Boden. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Viel zu sehr befürchtete ich den Ausdruck darin zu erkennen, der mir in meinem vergangenen Leben das Herz gebrochen hatte. Ich atmete tief ein.
"Ich habe mich in dich verliebt." Schritt 3: Erfolgreich. Aber meine Stimme hörte sich mickrig an. Meine Gefühle offen auszusprechen schmerzte ein wenig. Denn auch wenn ich als Yoriko vor ihm stand, es  waren ebenso Akanes Gefühle. Aufgeregt bearbeitete ich mit meinen Zähnen  die Unterlippen. Keine Reaktion. Dann überspringe ich halt Schritt 4. Langsam sah ich zu ihm auf. Bedacht, dabei spielerisch die Unterwürfigkeit einfliessen zu lassen, auf die er so steht.
"Möchtest du einen Gute-Nacht-Kuss?" Schritt 5: Erfolgreich. Sein Grinsen liess meine Nerven noch verrückter spielen, als ich erwartet hatte. Gemütlich legte er seine Arme um mich. Mein Herz schlug mir bis  zum Hals. Ich schloss meine Augen. Zitternd wartete ich darauf, dass sich unsere Lippen berührten. Ist es wirklich so weit? Habe ich ihn für mich gewonnen? Hisoka zögerte. Ich wartete. Okay, lass das mit deinen Spielchen und küss mich endlich!, fluchte ich innerlich. Ich vernahm ein Seufzen und die starken Hände um mich verschwanden. Ein Ziehen in meinem Herzen machte sich bemerkbar.

"Tut  mir leid, ich kann nicht..." Enttäuscht öffnete ich die Augen. Seine Entschuldigung klang nicht einmal ansatzweise ehrlich. Ich biss mir hart auf die Lippen und brachte ein wenig Distanz zwischen uns. Also hat er doch nur mit mir gespielt. Er will nichts ernstes eingehen. Das wollte er noch nie.
"Mein Herz gehört noch immer Akane." Geschockt nickte ich. Damit hätte ich nicht gerechnet. Er stellt mein altes Leben an die erste Stelle. Aber das heisst ja nur, dass  er mich zurückwill. Will er mich, wenn ich ihm sage, wer ich bin?
"Würdest du bitte gehen...", meine Stimme brach ab. Ich brauchte jetzt dringend  Zeit, um das zu verarbeiten. Vor allem, um mir die nächsten Schritte zu überlegen.
"Kannst du mir noch die Fotos von unserem letzten Treffen senden?"
"Ich schicke sie dir gleich"antwortete ich müde und drückte die Tür ins Schloss. Gleich darauf liess ich mich an sie gelehnt auf den Boden  gleiten. Überfordert vergrub ich den Kopf in den Händen. Es war doch irgendwie süss, dass er Akane vor mich stellt. Aber dennoch dachte ich, dass sich zwischen uns etwas aufgebaut hatte. Habe ich mich selbst überschätzt? Er hat mich doch den ganzen Abend ignoriert. Das hätte doch Anzeichen genug sein sollen!? Eine Träne rollte über meine Wange. Ich war traurig und glücklich zugleich. Aber vor allem verwirrt. Dann meinte er es ernst mit mir? Wollte er Zeit mit mir verbringen? Wollte er mich zurück? Jedoch verblieb eine einzige  grosse Frage. Will er das auch noch, wenn ich ihm von meiner momentanen Gestalt erzähle?

Als Jin endlich zurückkehrte, forderte ich ihn dazu auf, meine Erinnerung anzuschauen. Ich hatte keine Kraft, es ihm zu erklären. Also sass ich im Schneidersitz auf dem Bett und legte meinen Kopf auf das Kissen in meinen Armen. Jin hatte seine Finger an mein Knie gelegt. Die weissen Augen waren Zeichen dafür, dass er sich in der gespiegelten Realität befand. So wartete ich, bis sich seine Sicht klärte.
"Denkst du, er macht das mit Absicht?" Müde blinzelte ich ihn an. Meine Augen brannten vom Weinen und mein Hals war kratzig. Nachdenklich kratzte sich Jin am Kopf. Der Schwarzhaarige nahm sich genügend Zeit, seine Worte genau abzuwägen. Ich starrte derweil auf meine Hände.
"Ich weiss es nicht. Er benimmt sich nicht wie damals, als er mit Euch-" Er machte mit seinen Fingern Gänsefüsschen.
"-'gespielt' hat. Ich glaube, es ist ihm ernster, als ihm lieb ist. Er wollte dich küssen. Da bin ich mir ganz sicher. Immerhin hast du ja selbst gesagt, dass er schon einige Male danach gefragt hat. Aber dass Ihr wieder aufgetaucht seid, macht ihn nachdenklich. Und heute hat er sich entschieden. Gegen Yoriko und für Akane." Ich blickte aus dem Fenster und lauschte seinen Worten. Den Kopf im Kissen vergrabend drückte ich es fester.
"Wollt Ihr es ihm nicht endlich sagen?" Woher soll ich wissen, was das Richtige ist? Sobald ich ihm doch zeige, was Sache ist, ist die Situation ja nicht plötzlich vergessen... Fix und fertig schüttlte ich den Kopf.
"Ihr solltet ein wenig schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag. Und dann sieht die Welt wieder ganz anders aus", lächelte er.

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt