🧑🏻‍🦳Kapitel 26💍

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"Meister kommt schon, Ihr müsst etwas essen!" Ich stand in der Türe zum winzigen Schlafzimmer. Die Vorhänge zugezogen war es stockfinster. Nur das Licht aus dem Gang erhellte den Raum. Akane lag im Bett, fest in die Decke gekuschelt und machte keinen Wank.
"Ich habe keinen Hunger...", murmelte sie heiser. Mein Herz wurde schwer. Sie hat also wieder geweint.
"Kommt schon", versuchte ich sie zu überreden. Doch es drang nur ein ablehnendes Geräusch an mein Ohr.
"Meister, Ihr müsst unbedingt etwas essen. Ein Mensch kann sich nicht von Wasser und Luft ernähren und dabei gesund bleiben!"
"Nein danke, Jin. Ich habe keinen Hunger..." Sie redete leise und bedrückt. So wie sie sich durchgehend fühlte.
"Aber-" Akane hob ihren Kopf. Die dunklen Ringe unter ihren Augen, das bleiche abgmagerte Gesicht, sie sah aus wie ein Geist. Und dennoch wirkte sie hübsch. Akane war unumstritten eine natürliche Schönheit.
"Ich will nicht! Und jetzt lass mich in Ruhe", murmelte sie kraftlos. Müde fiel ihr Kopf ins Kissen zurück. Seufzend liess ich sie wieder alleine und setzte mich an den Tisch zwischen Küche und Bad. Keine Woche nach den Geschehnissen mit Ian und Hisoka hatte Akane die Wohnung verkauft. Sie war schlichtweg zu teuer geworden. Aber eigentlich brauchten wir auch nicht viel. Das ganze Mobiliar im Appartement gelassen, brachte dieses uns noch zusätzliches Geld. Was wir auch gut brauchen konnten. Davon kamen wir in einer billigen Bruchbude unter: Ein Schlafzimmer, Bad mit Dusche und Küche. Wohnzimmer gab es nicht wirklich und ein Kinderzimmer erst gar nicht. Wenn ich ehrlich war, brauchte ich aber auch keine eigenen vier Wände. Manchmal denke ich, dass Akane sich hier noch eingesperrter vorkommen muss. Sie hat mir gegenüber zwar nie so etwas erwähnt, jedoch konnte ich nicht glauben, dass sie sich wegen Ian jede Nacht in den Schlaf weint. Das fragte ich mich sowieso. Woran lag es, dass sie so traurig war, dass sie sich nicht mehr aus dem Bett hochbrachte. War es die Trennung von Ian? War es die Art, wie er von ihrer Vergangenheit erfahren hatte? War es Hisokas Intervention? Während ich also mein Essen verputzte und meinem Meister eine Schüssel in den Kühlschrank stellte, grübelte ich, wie ich sie wieder aus dem Bett kriegte. Noch immer ideenlos stützte ich den Kopf ab, als sie an mir vorbei ins Bad huschte. Gleich darauf hörte ich, wie sie die Dusche anstellte. Ich seufzte bedrückt. Denn eigentlich duschte sie nicht wirklich. Die lauten Geräusche sollten die anderen verdrängen, die in dem Raum entstanden. Würgend entleerte sie ihren Mageninhalt ins Klo. Es war nicht sonderlich viel, da sie kaum ass. Trotzdem besuchte sie das Bad aus diesem Grund mindestens einmal täglich. Und sie wollte mir weismachen, dass sie gesund war...

Ich klopfte an die Türe und wartete gar nicht darauf, dass sie mich hereinrief. Würde sie sowieso nicht tun. Akane sass bleich und verschwitzt neben der Toilette, einen Arm darübergelegt. Ihre Augen waren matt, gingen meinen aus dem Weg. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf an die kalten Steinplatten. Ich betätigte die Spülung und holte ihr Wasser, damit sie ihren Mund ebenfalls ausspülen konnte. Während sie sich die Zähne putzte, um den schrecklichen Geschmack aus ihrem Mund zu bringen, holte ich das Abendessen aus dem Kühlschrank. Als ich wieder ins Bad kam, sass sie neben der Toilette. Akane konnte sich kaum fünf Minuten stehen, darum wunderte ich mich auch nicht. Ich streckte ihr das Essen hin, das ich gekocht hatte. Zittrige Finger streckten sich danach aus, zögerten aber, bevor sie es zu fassen bekamen. Akane zog sie zurück und schloss ihre Augen, damit ich die Tränen in ihnen nicht sah. Doch ich kannte sie zu gut, als dass ich es nicht bemerkt hätte. So setzte ich mich vor meinen Meister, hob die Schüssel an ihren Mund und begann sie zu füttern. Resigniert liess sie es zu. Ich hatte extra etwas leichtes gekocht, das ihr Magen gut vertragen würde, sodass sie sich nicht wieder übergab. Langsam schob ich Löffel um Löffel von der Mischung aus gedünstetem Gemüse und Reis in ihren Mund. Mittendrin pausierte ich. Schluchzer durchzogen den Raum. Akane kauerte sich eng zusammen und weinte leise vor sich hin.
"Ich bin so erbärmlich. Ich kann nicht einmal selbst essen..." Ihre zerrüttete Stimme brach mir das Herz. Ich stellte die Schüssel ab und umarmte sie vorsichtig.
"Seid Ihr überhaupt nicht. Wir kriegen das wieder hin", flüsterte ich aufmunternd und strich ihr vorsichtig durchs Haar. Mein Meister sah mich aus rot verheulten Augen an. Die dunklen Ringe darunter zeigten mir, dass sie sehr wenig schlief, obwohl sie die ganze Zeit im Bett herumlag.
"Ich bin müde...", keuchte sie zwischen zwei heftigen Atemzügen.
"Ich möchte, dass Ihr zuerst noch ein wenig esst. Tut es mir zuliebe... bitte", flehte ich sie an. Frustriert nahm Akane den Löffel aus meiner Hand. Rasch würgte sie das Essen herunter, verlangsamte es aber, als ich sie darauf hinwies.
"Euer Magen wird es euch danken!" Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer stützte ich sie. Ich schloss die Türe und blieb ruhig. Vielleicht führte sie Selbstgespräche, sodass ich den Grund ihrer Trauer erfahren könnte. Aber leider war das nicht der Fall. Akane weinte nur leise vor sich hin. Ob sie mich bemerkte oder nicht, war egal. Ich wollte lediglich, dass es ihr besser ging. Schliesslich legte ich mich neben sie.
"Erzählt mir doch was los ist, Meister... Ich bin für Euch da!"
"Ich kann nicht", keuchte Akane mit erstickter Stimme.
"Es zerreisst mich innerlich und ich weiss nicht warum..." Vorsichtig legte ich meinen Arm um sie und wurde gleich darauf an ihre Brust gezogen.
"Du bist meine Rettung, Jin", brummte mein Meister sanft.
"Versucht zu schlafen..." Ich spürte sie nicken. Doch der Heulkrampf verebbte nicht so schnell, wie wir beide es gerne gehabt hätte. Als ich bemerkte, dass sie eine Stunde später noch immer nicht schlief, legte ich meine Finger federleicht an ihre Stirn. In der gespiegelten Realität sorgte ich dafür, dass sie einen Traum abseits des Schmerzes erlebte. Ohne Ian und ohne Hisoka. Ohne eine Arbeit, finanzielle oder andere Sorgen. Diese Ruhe soll sie jetzt erst einmal geniessen, bevor sie sich wieder in diese Abwärtsspirale begab.

Behutsam umschloss ich ihren Arm. Sie hatte extrem an Masse verloren, was keinesfalls etwas gutes war. Momentan konnte sich Akane kaum ein paar Minuten auf den Beinen halten, ohne dass diese ihr den Dienst versagten. Alles in allem war sie ein reines Wrack, kaum fähig ohne Hilfe zu leben. Aber das musste sie ja nicht. Ich unterstützte meinen Meister, wo ich nur konnte: Ging einkaufen, kochte Essen, wusch ihre Kleider und putzte die Wohnung. Für mich war es etwas alltägliches und es störte mich keineswegs. Doch ich wusste, dass es Akane die Welt bedeutete. Ich platzierte einen Kuss auf ihrer Wange. Der angestrengte Ausdruck in ihrem Gesicht war tatsächlich einem sorgenfreien gewichen. Sie musste sich jetzt unbedingt ausruhen. Ganz leise schloss ich die Schlafzimmertüre hinter mir. Akanes Handy lag auf dem Tisch. Sie hatte es seit Tagen nicht angerührt, weswegen es nur noch wenig Akku hatte. Sie wollte die Nachrichten nicht lesen. Wobei sie erst zu diesem Entschluss kam, als sie die erste von Ians niederträchtigen Mitteilungen gelesen hatte. Nachdenklich steckte ich es an den Strom an und wartete, bis sich die Versorgung etwas stabilisiert hatte. '447651' tippte ich als Passwort. Es waren keine Zufallszahlen, sie waren stellvertretend für die Buchstaben in Hisokas Name. Noch ein Grund, es tagelang herumliegen zu lassen. Ich entblockierte zuerst Ian, dann Hisoka. Die Nachrichten von Ian waren schnell abgeflacht. Er wollte sein Eigentum aus der Wohnung abholen. Ansonsten schrieb er nicht mehr. Nur noch einmal, als er seinen Freunden von ihrer Trennung erzählt hatte und es ihr mitteilen wollte. Ich fing die Nachricht zum Glück ab. Dass Ian es seinen Freunden erzählt hatte, hätte sie noch mehr zerstört. Vor allem, was ihre Vergangenheit anging.

Von Hioska hingegen trudelten noch immer regelmässig Mitteilungen ein. Er fragte viel nach Akanes Wohlbefinden. Wahrscheinlich nahm er an, dass ich ihr Smartphone unter Verschluss hielt, da sie ihn auf seine Aufforderungen nie zurückrief. Deswegen richteten sich die meisten an mich. Natürlich hatte ich ihn nicht informiert, wo wir mittlerweile untergekommen waren. Deswegen wollte er auch unseren Standort wissen. Ich achtete jedoch darauf, dass wir nie gleichzeitig online und die Kontakte sonst blockiert waren. Wenn Akane jetzt etwas gar nicht vertragen würde, dann Hisokas Unentschlossenheit.

'Wie geht es ihr?'
'Kannst du Akane bitte sagen, dass sie mich anrufen soll'
'Kichiro bitte nimm wenigstens du das Telefon ab. Ich mache mir Sorgen um euch beide.'
'Lasst uns nochmals reden ja?'
'Wo seid ihr?'
'Lass mich zu ihr!'
'Ich will euch besuchen, bitte :('
'Wünsch ihr eine gute Nacht von mir'

'Bitte ruf mich an...'
'Ich will nur ihre Stimme hören'
'Ich muss wissen, dass es ihr gut geht!!'
'Ich vermisse sie'

Dinge wie letzteres schrieb er nur, wenn er betrunken war. Das hatte ich mittlerweile herausgefunden. Meistens kamen diese Mitteilungen spät Abends oder die Nacht hindurch. Das waren nur die Nachrichten der letzten drei Stunden. Ich verschwendete kurz einen Gedanken daran, den Zauberer anzurufen. Dann fiel mir jedoch Akanes Befehl wieder ein, also liess ich es bleiben. Sie wollte nicht, dass ich hinter ihrem Rücken über sie sprach. Also tat ich es nicht mehr. Vor allem jetzt schien es mir unglaublich wichtig. Wenn die Beziehung zu mir nun auch zu bröckeln begann... Ich wollte es mir gar nicht vorstellen. Mit eingeübten Bewegungen löschte ich alle Mitteilungen. Daraufhin zog ich den Laptop zu mir her und begann in Internetforen nach Aufträgen zu suchen. Ich hatte mir im Schnelldurchgang Programmieren beigebracht und nutzte das als Geldquelle. Akane war zwar anfangs dagegen, musste sich jedoch auch eingestehen, dass sie zum arbeiten momentan nicht in der Lage war. Jetzt muss sie jedenfalls erst wieder zu Kräften kommen!

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt