Kapitel 14

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Umon lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Seine Augen flitzten über das Formular, das wir zusammen ausgefüllt hatten. Der Polizist lehnte sich wieder vor und schrieb noch weitere Kommentare dazu.
"Könnten Sie mir auch noch das Foto senden, das Sie mir gezeigt haben?" Auf sein Geheiss, schickte ich es auf die  Mailadresse, die er mir nannte.
"Ist Ihr Freund noch in der Stadt?  Ich erinnere mich, dass er in York New wohnt. Es wäre gut, wenn immer jemand Zuhause ist, falls Kichiro selbst nach Hause findet." Traurig schüttelte ich den Kopf.
"Ian musste wieder zurück. Wegen der Arbeit."
"Okay, könnten Sie dann in Ihrer Wohnung bleiben?"
"Ich muss ihn suchen!", vermittelte ich in ernstem Ton.
"Verstehe. Ist es dann in Ordnung, wenn wir einen Polizisten bei Ihnen  stationieren? Es muss wirklich jemand da sein, der das Telefon beantwortet."
"Nein lieber nicht..." Ich senkte meinen Kopf. Erneut sah ich auf meine Hände.
"Sie mögen keine Fremden, nicht wahr?" Eine kleine Prise Mitleid schwang in  seiner Stimme mit. Ich liess die Frage unbeantwortet.
"Verstehe... Wenn ich mit Ihnen komme?" Wieder schüttelte ich den Kopf.
"Ich möchte keine Polizei im Haus. Mein Vermieter hat mich bereits verwarnt. Die Aktion letztens hat genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die  Nachbaren waren mehr als empört." Umon nickte verstehend und zog  nachdenklich die Augenbrauen zusammen.
"Können Sie dann versuchen, so oft wie möglich Zuhause zu sein?"
"Ja, werde ich." Das Gespräch hatte mich sehr beruhigt. Umon war zwar extrem  jung, frisch von der Akademie, wie mir ein Bild der Abschlussfeier diesen Jahres zeigte, aber sehr professionell. Er erläuterte mir, was sie alles tun würden, um den Jungen zu finden. Nachdem wir alles für den Moment geklärt hatten, begleitete er mich zum Eingang hinunter. Der andere Polizist schaute sich noch immer die Serie an, war aber bestimmt  vier Folgen weiter.
"Wir gehen dann, Herr Yuki"
"Das haben Sie die letzten drei Mal schon gesagt."
"Diesmal wirklich", lachte Umon höflich.
"Okay, richten Sie Ihrer Frau einen schönen Gruss aus."
"Werde ich tun, gute Nacht noch."
"Auf Wiedersehen", verabschiedete auch ich mich. Als wir zusammen nach  draussen traten, liess mich die Kälte frösteln. Der Polizist ging einige Schritte, bis zu einem alten grauen Auto.
"Kann ich Sie nach Hause fahren?", rief er mir zu.
"Ich will noch weiter suchen"
"Sie sollten eine Runde schlafen. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus."
"Er hat Recht Meister. Sie sollten sich ausruhen!" Ich seufzte und stimmte zu.

Stillschweigend setzte ich mich neben den jungen Polizeibeamten.
"Es ist immer ruhig um diese Zeit, das gefällt mir am besten daran", lächelte er schwach.
"Tut mir leid, wenn ich Sie aufgehalten habe. Ihre Frau wartet bestimmt schon auf Sie", entschuldigte ich mich.
"Machen Sie sich keine Sorgen. Sie kann manchmal etwas eifersüchtig sein, aber  wenn sie weiss, dass es um Ihren verschwundenen Jungen geht, wird es ihr  nichts ausmachen. Ausserdem würde ich niemals eine hübsche junge Frau, wie Sie, um diese Zeit alleine gehen lassen." Umon schaute in den Seitenspiegel und setzte dann den Blinker. Vorschriftsgemäss hielten wir an der roten Ampel, obwohl weit und breit kein Auto in Sichtweite war. Ruhe kehrte ein. Doch etwas nahm mich Wunder.
"Arbeiten Sie immer so lange?" Ein müdes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.
"Sehr oft ja. Wir brauchen das Geld. Meine Frau ist vor drei Jahren an  Multipler Sklerose erkrankt. Das ist eine chronisch, entzündliche Krankheit."
"Sie betrifft das Nervensystem", rief ich mir die Informationen in Erinnerungen, die ich gelernt hatte.
"Ja genau. Eigentlich hätte es gute Aussichten. Heilung gibt es ja leider nicht. Aber bis jetzt ist der Verlauf sehr schlimm."
"Primär-Progredient", murmelte ich vor mich her.
"Sie kennen sich ja aus", stellte der Beamte überrascht fest.
"Eine Bekannte von mir ist auch an MS erkrankt", erfand ich einen Grund, das zu wissen. Wir wechselten das Thema und plauderten noch ein wenig über belanglose Dinge. Schliesslich stoppte er den Wagen vor meinem Haus.
"Wir werden ihn finden", versicherte Umon mir, als ich ausstieg.
"Dafür werde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen!" Ich lächelte ihn an.
"Vielen Dank..."

Ich war todmüde. Eigentlich wollte ich noch weiter suchen. Doch Jin hatte mich überredet, wirklich nach Hause zu gehen  und ein wenig zu schlafen. Aber nun lag ich im Bett und kam nicht zur  Ruhe. Aufgewühlt drehte ich mich von rechts nach links und wieder  zurück. Abwechselnd war mir heiss und kalt, sodass ich die Decke überhitzt von mir schmiss, sie aber gleich darauf zu mir herauf zog, um meinen fröstelnden Körper zu wärmen.
"Akane versuch zu schlafen." Jin stand neben meinem Bett. Sein beunruhigter  Gesichtsausdruck machte mir ein noch schlechteres Gewissen, als ich sonst schon hatte.
"Ich kann nicht. Wir sollten besser nach dir suchen!"
"Es ist wichtig, dass du dich ein wenig ausruhst."
"Ich. Kann. Nicht!", wiederholte ich mich angespannt. Der kleine Junge seufzte, seine Finger auf meine Stirn gelegt sprach er:
"Schlaf!" Auf sein Signal fielen meine Augen zu.

Ich schreckte auf. Hatte ich jetzt nicht zu lange geschlafen? Mussten wir nicht nach Jin suchen? Ein muskulöser Arm umschlang meine Hüfte und zog mich an den warmen Körper. Grummelnd kuschelte sich der Mann an mich. Es  klopfte an meiner Schlafzimmertüre.
"Ich mache Frühstück. Dauert etwa eine Stunde", rief der Grauhaarige hindurch.
"Okay",  antwortete der Rothaarige hinter mir. Mein Herz begann schneller zu  schlagen. Hatte er ihn etwa gehört? War Jin tatsächlich zurückgekommen!? Doch das war nicht das einzige, dass mich nachdenklich stimmte. Ich drehte mich in seinen Armen um, nur um gleich darauf in  Hisokas verschlafenes Gesicht zu schauen. Die Augen entspannt  geschlossen, lag ein leichtes Lächeln auf seinem Mund. Verwundert starrte ich ihn an. Gold blitzte zwischen den Schlitzen auf. Das Lächeln wandelte sich in ein Grinsen um.
"Bist du überascht?", murmelte er. Kurz drückte er seine Lippen auf meine. Noch immer sprachlos nickte ich.
"Lass uns noch ein wenig schlafen." Mit diesen Worten zog er mich näher an sich. Den Kopf gegen seine weiche Brust gelehnt, sog ich seinen überwältigenden Duft ein.
"Warum bist du hier?" Meine Stimme war leise, als wollte ich ihn nicht stören. Sein Oberkörper vibrierte und ich vernahm ein leises Lachen.
"Du hast mich gestern angerufen und beinahe angefleht, herzukommen, weil Jin verschwunden ist." Ich erinnerte mich nicht an ein solches Gespräch. Trotzdem wollte ich mehr wissen.
"Aber warum bist du gekommen, nachdem ich dich weggeschickt habe?" Eine warme Hand legte sich an meine Wange. Behutsam hob er meinen Kopf an. Neugierig blickte ich in das goldene Meer seiner wunderschönen Augen.
"Weil ich dich liebe, Akane" Mein Herz liess einen Schlag aus, nur um mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuschlagen.
"Was?", hauchte ich, das gesagte noch nicht verarbeitet.
"Ich liebe dich", wiederholte er und legte seine Lippen auf meine. Das Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Der Magier zog mich näher an sich. Meinen Körper an seinen gepresst, spürte ich sein Herz klopfen. Es schlug so schnell, dass ich Angst hatte, es würde ihm gleich aus der Brust springen. Er löste sich von mir, das Gesicht einen liebevollen Ausdruck angenommen, sah Hisoka mir direkt in die Augen.
"Ich liebe dich Akane!"

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt