Kapitel 32

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"Nichts, wir wollten gerade gehen", wies ich ihn ab und rutschte auf der anderen Seite von der Bank.
"Akane-" Er wollte nach meinem Arm greifen, doch ich schlug seine Hand weg. Aufgewühlt machte ich mich auf den Weg in Richtung des Ausganges. Jin war sogleich neben mir. Auch Hisokas Aura setzte sich in Bewegung.
"Miss, sie haben noch nicht bezahlt", wollte mich die Kellnerin aufhalten. Mit einer abwertenden Handgeste wies ich auf den Rothaarigen.
"Er übernimmt das!" Da sich Hisoka zuvor noch zu uns gesetzt hatte, dachte sie sich nichts dabei. Tatsächlich forderte sie ihn auf, die Rechnung zu bezahlen, weswegen wir einen kleinen Vorsprung hatten. Ich spürte seinen stechenden Blick im Rücken, als wir das Lokal verliessen.
"Warum!?", zischte ich Jin an.
"Das schien mir die beste Idee sie loszuwerden..." Er wurde zum Ende des Satzes hin immer leiser.
"Und dann denkst du ein gewalttätiger Killerclown, der endlich aus unserem Leben verschwunden, sei die perfekte Person dafür!?"
"Ja... Nein! Aber eigentlich magst du ihn" Ich schnaufte genervt.
"Das hat damit nichts zu tun Jin! Du weisst was passiert ist! Wenn er schon findet, dass wir nicht zusammen passen, dann soll er mir wenigstens fern bleiben!" Ich bog auf die breitere Strasse zurück. In schnellen Schritten liefen wir wieder am Funkgerätladen vorbei. Doch ich spürte die Aura, die auf uns zuhetzte. Ein kalter Schauer lief über meinen Rücken, dann stand Hisoka auch schon neben mir.
"Ich habe keine Lust mit dir zu reden", maulte ich und drehte mich von ihm weg.
"Akane warte... Hör mir einfach einen Moment zu..."
"Du hast uns Hilfe angeboten, Jin hat sie in Anspruch genommen. Jetzt können wir wieder getrennte Wege gehen!", keifte ich. So versuchte ich die Strasse weiterzugehen. Doch Hisoka packte meine Schulter. Sofort materialisierte ich ein Messer und riss es mit Schwung dorthin, wo ich seinen Arm vermutete. Um dem Angriff auszuweichen, löste der Magier seine Hand von meiner Haut. Meine Freiheit zurückerlangt, schritt ich wieder los.
"Was ist denn mit ihr...", murmelte Hisoka leise, woraufhin ich an Jins Aura lesen konnte, dass er die Schultern zuckte. Aber seine Miene war so eisern, wie ich meine gerne hätte. Da ich offenbar nicht stehend mit ihm reden wollte, trottete er neben uns her. Ich versuchte dennoch Abstand zwischen uns zu bringen. So bog ich immer extra in die gegenteilige Richtung ab, in welche er gehen wollte. Doch zu meinem Pech landeten wir so in einer Sackgasse.

Diese Situation nutzte Hisoka für sich. Mit einem Ruck wurde ich gegen die Wand gezogen. Mittels Bungee Gum befestigte er auch meine Hände neben mir an die Mauer, damit ich nicht auf die Idee kam, ihn erneut anzugreifen. Jin reagierte sofort. Das erschaffene Katana in beiden Händen stellte er sich in Angriffsposition zwischen uns.
"Ich werde nicht zögern dich zu töten!", eröffnete der Junge seinen Kampfeswillen. Der Magier trat einen Schritt zurück und seufzte.
"Das seh ich! Und auch wenn ich diesen Kampf nur zu gerne annehmen würde, gibt es gerade wichtigeres zu besprechen." Eine Hand in die Hüften gestemmt, fuhr er sich durch die Haare.
"Ich habe euch sowieso gesucht. Wie oft habe ich geschrieben, dass ich sensible Informationen besitze, die euch betreffen!? Also-"
"38"
"Was?" Verwirrung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
"38 Mal hast du das geschrieben."
"...echt?"
"Ja"
"Was auch immer..." Er schüttelte den Kopf, damit seine Gedanken wieder auf das eigentliche Thema gerichtet waren. Mit ernstem Gesichtsausdruck öffnete er den Mund, um weiterzusprechen.
"Es interessiert mich nicht, was du zu sagen hast!" Gleichgültig drehte ich den Kopf, sodass mein Verstand richtig weiterarbeiten konnte. Der Zauberer legte seine Hand auf die Waffe des Grauhaarigen und drückte es so nach unten. Dann schob er Jin vorsichtig zur Seite. Schliesslich kam er vor mir zum Stillstand. Wütend funkelte ich ihn an. Wann hörte er endlich auf, sich in mein Leben einzumischen. Die goldenen Augen glitzerten mir besorgt entgegen und seine Zunge fuhr nachdenklich über die schönen Lippen. Ohne sich Mühe zu geben, war er so attraktiv, dass es mich scharf machte. Scheisse! Nicht schon wieder diese Gedanken!
"Auch nicht, wenn es darum geht, dass du den Schlüssel für den Petokei besitzt!?" Ich erstarrte. Mein Puls war sofort auf 180. Dem Gefühl zufolge, war ich gerade kreidebleich geworden. Woher weiss er das?!
"Es stimmt also", murmelte er leise. Der Magier liess seinen Blick auf mein Dekoltee schweifen. Mond und Sonne, eng umschlungen. Ein zaghaftes Lächeln bildete sich auf seinem Mund. Die Augen wanderten wieder zu meinen hinauf, langsam und aufmerksam, damit sie kein Detail ausliessen. Seine Hand fand ihren Weg an meine Wange. Behutsam strich Hisoka darüber, während er meine Lippen in den Fokus nahm. Mir wurde schwindelig. Es lag daran, dass mein Körper verrückt spielte. Ob die News der Grund dafür waren oder Hisokas plötzliche Nähe blieb mir ungewiss. Ich wusste nicht, was ich tun würde, wenn er jetzt zu einem Kuss ansetzen würde. Könnte ich ihm überhaupt widerstehen.
"Ich kann mir denken, dass du wissen willst, woher mir das bekannt ist. Aber lass uns das nicht hier bereden." Wieder leckte er sich über die Lippen. Wieso brachte mich diese Geste zum Zittern? Da ich meinen Worten nicht traute, nickte ich nur. Sein Lächeln wurde breiter und er distanzierte sich von mir. Sofort verschwand ein Teil der Wärme, die sich in meinem Körper aufgebaut hatte.
"Zu dir oder zu mir?", fragte er, während er mit einer Drehung seiner Hand die Nen-Fähigkeit verschwinden liess, die mich bislang festgekettet hat. Unsicher zeigte ich auf ihn. So würden wir ihm unser momentanes Zuhause nicht verraten müssen. Hisoka schien das nichts auszumachen.

Seine Wohnung war schön eingerichtet, wobei die Möbel allesamt neu aussahen. Ich vermutete, dass diese Leute sie wirklich zerstört haben mussten. Interessanterweise sah ich keinen einzigen Stapel Spielkarten herumliegen. Er wies uns auf dem Sofa Platz zu nehmen.
"Wollt ihr etwas trinken?"
"Hast du Früchtetee?" Das unwiderstehliche Grinsen schlich sich in sein Gesicht.
"Habe ich extra für dich besorgt. Und du Kichiro?"
"Wasser", antwortete Jin kühl. Seine Augen schweiften unruhig in der Wohnung umher. Der Magier machte sich in der Küche daran, Wasser aufzusetzen.
"Kannst du die Gegend im Auge behalten?", flüsterte ich dem Jungen neben mir zu. Nickend spalteten sich drei transparente Gestalten aus dem Körper und schwärmten in unterschiedliche Richtungen aus. Seufzend umschloss ich die beiden Anhänger in meiner Hand. Warum musste das jetzt geschehen!? Einige Minuten später kehrte Hisoka mit unseren Getränken zurück.
"Erzähl", forderte ich ihn auf, nachdem er mich eine Weile einfach nur stumm angesehen hatte. Die Ellenbogen auf seinen Knien und das Kinn auf den Händen abgestützt, legte er den Kopf schief.
"Du hast abgenommen...", murmelte er geistesabwesend. Verwirrt blinzelte ich. Das hatte ich mit erzählen zwar nicht gemeint, antwortete aber dennoch darauf.
"8,5 Kilo!" Als ich das sagte, spannten sich seine Kiefermuskeln an. In seinen Augen blitzte kurz Enttäuschung auf, wobei ich annahm, dass diese nicht mir galt.
"Wie geht es dir? Warst du lange krank?"
"Ganz okay", meinte ich vage, ohne auf den zweiten Teil seiner Aussage einzugehen. Lust ihn zurück zu fragen, hatte ich keine.
"Kommt ihr zurecht?"
"Können wir uns dem eigentlichen Thema widmen?" Es war gerade um einiges wichtiger herauszufinden, wie er an diese Informationen über mich gelangt war. Seine Augen fixierten den Boden vor meinen Füssen. Dann nickte er langsam und wandte sich dem Grund für unseren Besuch zu.

"Besitzt du wirklich den Schlüssel für den Petokei?" In seinen Augen sah ich ehrliches Interesse, aber auch einen kleinen Schimmer an unendlicher Gier. 
"Was, wenn ja?" Ich verzog keine Miene. Theoretisch hatte ich so nichts verraten, obwohl mir bewusst war, dass ich dies zuvor schon getan hatte.
"Dann ist dein Leben in allergrösster Gefahr." Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er eine theatralische Pause einbaute.
"Warum", warf ich ein, da er anscheinend darauf wartete.
"Weil die Troupe davon weiss!" Die Farbe wich mir ein weiteres Mal aus dem Gesicht. Mit einem Schlag war die gute Laune von vorhin verschwunden. Meine Glieder begannen zu zittern, woraufhin ich sie künstlich zu beruhigen versuchte. Es funktionierte nicht.
"Was?" hauchte ich atemlos.
"Chrollo hat bereits den Plan gefasst, dich zu töten und damit den Schlüssel in seinen Besitz zu bringen." Meine Gedanken schwirrten im Kreis, ohne dass ich einen klaren hätte fassen können. Phantom Troupe... Schlüssel... Petokei... mich töten... In meinem Kopf versunken bemerkte ich nicht einmal, wie sich Hisoka bewegte. Er sass plötzlich einfach neben mir. Die Wärme, die seine Hand meiner weiterleitete fühlte sich unglaublich fern an. Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt zurück.
"Weisst du etwas genaueres über diesen Plan?" Der Magier schüttelte den Kopf.
"Ich denke nicht, dass sie ihn mit mir besprechen werden, wenn man unsere Vergangenheit in Betracht zieht. Immerhin weiss Shalnark darüber ziemlich viel!" Ich nickte und sog ein weiteres Mal tief Luft in meine Lungen. Dieses Mal roch ich sogar den leichten Lavendelduft, der sich darin breit gemacht hatte. Hisoka liess mir genügend Zeit, meine Gedanken zu ordnen.

"Warum solltest du mir das erzählen?" Überrumpelt blickte er mich an. Aber es war eine ernsthafte Frage, auf die ich unbedingt eine Antwort wollte.
"Wieso nicht!? Es geht um dein Leben..."
"Ja aber warum interessiert dich das?", sprach ich leiser weiter.
"Also versteh das nicht falsch, ich bin dir dankbar. Denn so kann ich mich wenigstens auf das vorbereiten, was auf mich zukommen wird. Aber trotzdem... Warum hilfst du mir?"
"Ich bin es dir schuldig, nachdem was ich dir das alles angetan habe..." Mit meinen Augen fing ich seine ein. Aufgeregt fing mein Herz an, schneller zu schlagen. Wenn er mich weiter so ansieht...
"Du interessierst dich für niemand anderen als dich selbst. Also warum!?" Der Magier zuckte die Schultern, während er sich lässig zurücklehnte. Einen Arm streckte er dabei auf die Rückenlehne, sodass dieser um mich lag.
"Persönliche Ansicht. Ich möchte einfach, dass du weiterlebst." Ich wollte seinen Worten vertrauen. Trotzdem war immer ein Stück Zurückhaltung dabei. Wieder schaute er auf meinen Mund und fuhr mit der Zunge über seine Lippen. Dann blickte er mir in die Augen. Das goldene Meer schimmerte dunkler und ich konnte das Verlangen in ihnen erkennen. Meine Hände zitterten. Wenn er mich weiter so ansieht...!? Ich hielt die Luft an, als er sich langsam vorlehnte. Ich erwartete, dass in meinem Kopf Alarmglocken schrillen würden. Aber es war ruhig, meine Gedanken ganz klar. Eine warme Hand legte sich auf meine Wange. Flackernd schloss ich meine Augen. Behutsam zog mich der Magier näher zu sich. Mit klopfendem Herzen wartete ich darauf, meinen schmerzlichsten Fehler ein weiteres Mal zu begehen...

Always him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt