Eigentlich wollte er nie ein Liebeslied schreiben || SDP Dagcent (Musik)

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PoV Dag

"Ziemlich starke Leistung, dafür, dass du noch nie ein Liebeslied schreiben wolltest", grinste Vincent mich an und zwinkerte mir zu. Ich wusste, wie sehr er die Überleitung zu dem Song liebte, insbesondere, weil er mich mit dem Zwinkern jedes Mal leicht aus dem Konzept bringen und mich so ärgern konnte. Der Blick von ihm sprach Bände und ich wusste, dass er genau wie ich zurück an die Entstehung des Songs dachte. Er wusste, für wen ich das Lied geschrieben hatte und rieb es mir immer wieder scherzhaft unter die Nase. Ich hatte es für ihn geschrieben. Die Fans jubelten, während mein Verlobter und ich unseren typischen Dialog abhielten, obwohl sie weder von der Story zur Entstehung noch über unsere Beziehung im generellen wussten. Der Song war der Grund gewesen, der Vincent und mich, als wir 19 waren, zusammengebracht hatte. Während ich anfing Gitarre zu spielen, dachte ich zurück an damals. 

Ich saß in Gedanken versunken im Unterricht und kritzelte die Zeilen auf das leere Blatt vor mich. Dem Gerede des Mathelehrers über Parabelformen folgte ich schon seit über einer halben Stunde nicht mehr, auch wenn ich mich wirklich konzentrieren sollte, immerhin würde ich bald Abitur schreiben. Aber es war mir egal, denn meine Gedanken kreisten sowieso nur um Vincent, egal ob ich mich darauf konzentrieren würde oder nicht. Und mein Abitur, das würde ich schon irgendwie schaffen. Hoffentlich. 'Reißen wir uns gegenseitig raus oder reiten wir uns rein? Hältst du mich lang genug aus, bin ich bald wieder allein?' Die Zeilen waren auf unsere Freundschaft bezogen, denn es war mir ein Rätsel, dass er mich noch nicht verlassen hatte, wie jeder andere in meinem Umfeld es früher oder später getan hatte.

Ich spürte, wie mein Herz bis zum Hals schlug, während ich die ersten Zeilen sang. Die Verlustängste, die ich in dem Song thematisiert hatte, obwohl ich mir damals nicht mal bewusst gewesen war, dass ich sie hatte, waren bis heute noch manchmal präsent, insbesondere bei Vincent, und das, obwohl er mir einen Antrag gemacht hatte und wir bald heiraten würden. 

"Ey Schatz, krass, ich halt's fast nicht mehr aus, du küsst meinen Bauch und ich deinen auch. Und mein kleines Herz bounced, es ist fast wie im Traum...", sang ich und hätte am liebsten durchgehend zu Vincent gesehen, doch ich wollte unser Geheimnis gegenüber der Fans nicht verraten. Früher hatte ich den Text in bunten Wunschvorstellungen geschrieben, dass sie mal wahr werden würden, hätte ich mir damals nicht erträumen lassen.

"Dag, was ist das denn für ein Text? Seit wann schreibst du Liebeslieder? Und viel wichtiger, seit wann hast du 'ne Freundin? Wieso hast du mir nichts erzählt?" Es waren drei Stunden seit der Mathestunde vergangen und ich kam gerade vom Klo zurück in Vincents Zimmer, als er, vor meiner Schultasche kniend, einen bekritzelten Zettel in der Hand hielt und interessiert drauf starrte. Die erste Strophe meines Liedtextes, den ich in der Schule über ihn geschrieben hatte. "Was, woher hast du den Zettel? Nein, ich hab keine Freundin", gab ich verwirrt und etwas rot im Gesicht von mir und setzte mich leicht angespannt auf sein Bett. Vince setzte sich mit dem Papier neben mich und las den Text laut vor, ehe er schmunzelte. "Der hat aus deinem Matheheft rausgeschaut und ich wollte wissen, was ein liniertes Blatt in einem karierten Heft zu suchen hatte. Mach mir nix vor Dikkah, du bist ja Hals über Kopf verschossen! Wer ist denn die Süße?" Grinsend stupste er mit seiner Schulter an meine und sah mich neugierig an, doch ich nahm ihm einfach nur den Zettel ab und faltete ihn zusammen, ehe ich ihn in meine Schultasche zurück steckte. "Ich habe keine Freundin", wiederholte ich nüchtern und sah zu meiner Gitarre. "Können wir jetzt endlich Musik machen?"

Vincent hatte es an dem Tag nach mehreren gescheiterten Versuchen, etwas aus mir raus zu quetschen, endlich aufgegeben, doch die Stimmung zwischen uns war nicht so entspannt wie sonst. Ich hatte ihm angemerkt, dass er von meinem verschlossenen Verhalten genervt gewesen war und heute, knapp 20 Jahre später, schüttelte ich jedes Mal, wenn ich zurück dachte, amüsiert meinen Kopf. Inzwischen hatte ich die Strophe fertig gesungen und Vincent war mit dem Refrain dran. "Eigentlich wollte er nie ein Liebeslied schreiben, nur inhaltlos rappen und so sollte es bleiben...", fing er an und ich hatte alle Mühe, mich nicht von meinen Gedanken zu sehr ablenken zu lassen.

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