Kapitel 29

22 3 0
                                    

Bitte Kapitel 0 beachten :)
-----------------

Die Heulkrämpfe schüttelten So-mi regelrecht durch. Einerseits war sie froh darüber, dass Suga sie so fest in seinen Armen hielt und damit den Fels in ihrer Brandung darstellte, aber andererseits war genau das auch der Auslöser. Denn noch nie in ihrem Leben hatte jemand sie mit der Absicht in den Arm genommen, dass er sie trösten und ihr Schutz bieten wollte.
Deshalb konnte So-mi die Tränen einfach nicht zurückhalten, so sehr sie es auch versuchte. Alles was sich seit Jahren in ihr angestaut hatte, brach nun sinnflutartig aus ihr hervor und obwohl ein kleiner Teil von So-mi in ihrem Hinterkopf darauf hinwies, dass sie sich da gerade ausgerechnet in -Sugas- Armen so gehen ließ, konnte sie sich einfach nicht mehr zusammenreißen.

Alles brach über ihr zusammen. Der Verlust ihrer Eltern, die jahrelangen Schikanen in der Schule, ihre eigenen Depressionen, der Hass ihrer Familie - allen voran Jin‘s Hass ihr gegenüber. Es wurde ihr einfach zu viel und Suga’s durchdringende Worte hatten ihre Mauern zum Einsturz gebracht.
Hilfesuchend krallte sie sich in seinem Shirt fest, weil sie glaubte an all dem Schmerz zu zerbrechen, der in diesem Moment an die Oberfläche kam. So-mi konnte ein lautes Schluchzen nicht unterdrücken und Suga drückte sie noch fester an sich, so sehr, dass ihre Nase an seiner Brust schon fast schmerzte. Aber sie beschwerte sich nicht und nutzte stattdessen Sugas Nähe aus, solange er sie noch nicht zurechtwies.
Noch immer hörten ihre Tränen einfach nicht auf und Suga begann beruhigend über ihre Haare zu streichen; nach wie vor ohne ein Wort zu sagen.

Und so standen sie dann da. So lange, dass So-mi jegliches Zeitgefühl verlor. Nach einer Weile wurde sie zwar leiser, weil sie sich dazu zwang, um keine Aufmerksamkeit von jemand anderem auf sich zu ziehen, aber die Tränen wollten einfach nicht aufhören zu fliesen. Sugas Oberteil war schon ganz nass von all ihren Tränen und einer der ersten klaren Gedanken, den So-mi irgendwann wieder fassen konnte, war, dass sie sich fragte, wie viele Tränen wohl am Stück aus einem menschlichen Körper kommen konnten.

„Suga…“, flüsterte sie irgendwann an seiner Brust. Ihre Füße schmerzten, weil sie schon so lange an der selben Stelle standen und die schlimmsten Heulkrämpfe hatten mittlerweile auch nachgelassen. „Yoongi.“, erwiderte er mit leiser Stimme und sie sah verwirrt zu ihm auf. „Nenn mich Yoongi.“ Dabei sah er sie mit weichem Blick an und strich vorsichtig mit seinem Daumen unter ihrem rechten Auge entlang, um eine Träne wegzuwischen. „Yoongi, es… t-tut mir leid.“, stotterte sei leise und wollte sich aus seiner Umarmung lösen, weil ihr seine Nähe plötzlich sehr bewusst wurde.
Allerdings ließ Yoongi sie nicht los und sah sie eindringlich an. „Du brachst dich dafür nicht zu entschuldigen.“ Fragend fügte er noch hinzu: „Geht es dir denn jetzt besser?“. Angesprochene wich seinem Blick aus, schluckte und nickte dann. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie Yoongi derart belästigt hatte und ehrlich gesagt hatte sie auch ein bisschen Angst davor, dass er sie deshalb anschnauzen würde, wenn das ganze hier noch länger dauerte. Deshalb wollte sie ihn möglichst schnell aus ihrem Zimmer bringen. Vor allem auch deswegen, weil in diesem Moment die Scham einsetzte und es ihr mehr als peinlich war.

„So-mi, ich kann sehen, dass du lügst.“, raunte er und hielt sie noch immer in seinen Armen fest. Mittlerweile ärgerte So-mi sich über die wenige Kontrolle, die sie über ihren eigenen Körper hatte, denn erneut stiegen ihr Tränen in die Augen und sie versuchte sie wegzublinzeln. „I-ich möchte dich nur nicht länger aufhalten. Es ist schon spät.“ Noch immer konnte sie ihm nicht in die Augen schauen. „Das ist doch jetzt völlig nebensächlich. Ich kann sehen, dass es dir nicht gut geht und…“, er brach kurz ab. „… ich möchte dir helfen.“ Mit verschwommenem Blick sah So-mi ihn an. „Wieso?“

Sie beobachtete, wie Yoongi mit sich zu hadern schien und sie fragte sich, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging. „Weil ich dich verstehen kann.“, erwiderte er ausweichend und ließ So-mi nun auch los. Diese erwartete schon, dass er nun einfach das Zimmer verlassen würde, doch er überraschte sie, indem er sich auf ihr Bett setzte, sich gegen die Wand lehnte und dann neben sich auf die Matratze klopfte. Zuerst zögerte So-mi, doch am Ende wollte sie sich ihm nicht widersetzen und obwohl sie es sich selbst nicht eingestehen wollte, war sie auch froh, dass er in diesem Moment für sie da war.

„Du bist mit Sicherheit müde. Leg dich hin und leg deinen Kopf auf mein Bein.“, forderte Yoongi sie auf. So-mi zögerte erneut, weil sie nicht so recht wusste, ob sie Yoongi tatsächlich auf einmal so nah kommen sollte. „Na komm schon… oder ich überleg' es mir anders.“
Auf sein Drängen hin legte So-mi sich wie angewiesen auf das Bett und ihren Kopf auf Yoongis Oberschenkel. Augenblicklich spürte sie die Schwere in jedem einzelnen Teil ihres Körpers. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie erledigt und müde sie eigentlich wirklich war. Weshalb hatte Yoongi sie besser einschätzen können als sie sich selbst?

Eben jener begann ihr über den Kopf zu streichen und sanft mit ihren Haaren zu spielen. So-mis Augenlider wurden schwer. Zuerst schwiegen sie beide einige Zeit, aber dann erhob Yoongi leise seine Stimme. „Willst du darüber reden, was das zwischen Jin und dir ist?“. Einige Zeit antwortete So-mi ihm nicht, genoss viel zu sehr die ungewohnt sanften Streicheleinheiten, doch irgendwann schüttelte sie dann den Kopf.
„Du musst natürlich nicht darüber reden, wenn du nicht willst, aber man kann sehen, dass zwischen euch irgendetwas ist.“ Wieder sprach So-mi nicht. Deshalb setzte Yoongi seinen Monolog fort. „Ich werde dir keine Fragen dazu stellen, wenn du nicht darüber reden willst..“ Während er sprach, ließ er seinen Arm sinken, mit dem er So-mi bisher über den Kopf gestreichelt hatte, und legte diesen auf ihrer Seite ab.
Sie zuckte erschrocken zusammen, als wegen dem Druck ein stechender Schmerz durch ihren Brustkorb fuhr und Yoongi stoppte mitten in seinem Satz. Einen Moment sagte niemand etwas, dann flüsterte Yoongi überraschend kühl: „Sag mir nicht, dass er dich geschlagen hat…“. So-mi hätte sich selbst ohrfeigen können.
>Das kommt davon, wenn man sich so gehen lässt!<, schimpfte sie sich selbst und meinte dann an Yoongi gewandt: „Das hat er nicht.“ Yoongi schien sich mit dieser Aussage aber nicht zufrieden zu geben und betonte nun schon mit deutlich mehr Nachdruck: „So-mi. Wenn er dich geschlagen hat, dann kannst du das definitiv nicht einfach so passieren lassen! Und wenn du nicht mit ihm redest, dann werde ich es tun, denn das geht wirklich überhaupt nicht!“.

Schnell richtete So-mi sich auf und sah Yoongi flehend in die Augen. „Bitte nicht! Yoongi, ich… ich möchte wirklich nicht unhöflich sein, aber bitte misch dich da nicht ein… es… es ist alles gut so wie es ist.“ Er sah sie unglücklich an. „Ich weiß, dass es auf keinen Fall gut ist, so wie es im Moment ist, aber wenn du das nicht willst, dann werde ich nichts machen.“ Sie nickte erleichtert und legte sich zurück auf seinen Oberschenkel. Überraschenderweise machte ihr seine Nähe so gut wie gar nichts aus und als er wieder damit anfing, ihren Kopf zu streicheln, entspannte sie sich immer weiter.

Bis sie irgendwann auf Yoongis Bein einschlief.

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt