3. Kapitel

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Ein klingelndes Geräusch ertönte, als ich die alte Tür des Geschäfts, in das ich trat, öffnete, und anschließend wieder hinter mir ins Schloss fallen ließ. Direkt drang mir ein angenehmer, korkiger Geruch in die Nase, als ich ein paar Schritte in den Laden hineinmachte.

Es war ein Spirituosengeschäft. Zu meiner Linken zog sich der Laden schlauchförmig nach hinten. An der Wand stand ein hohes, bis an die Decke reichendes Regal, gefüllt mit Flaschen in verschiedensten Größen, Formen und Farben, die von warmem Licht angestrahlt wurden. An der Seite lehnte eine Leiter, mit der man die oberen Flaschen erreichen konnte.

Wenn man den Blick in den hinteren Teil des Raumes richtete, erblickte man ein großes Fass mit Gläsern darauf.

Auf der rechten Seite gab es neben weiteren Regalen eine Verkaufstheke aus dunklem Holz mit einer alten Kasse darauf. Dahinter schien sich ein Raum zu befinden, in den man aber nicht hineinsehen konnte.

„Kann ich dir helfen?" Ein etwas nerdig aussehender Typ mit Brille und Hemd kam mit einer Kiste in den Armen aus dem hinteren Teil des schlauchförmigen Raumes auf mich zu und stellte sie dann mit einem Seufzen auf dem Boden ab. Seine Lippen formten sich zu einem einladenden Lächeln, als er mich ansah.

„Ich habe das Schild draußen gesehen, dass du jemanden suchst", sagte ich und deutete hinter mich. Sein Blick folgte meiner Geste zur Tür.

Im Laufe der letzten Jahre hatte ich mir neben dem Studium einiges an Geld angespart, um einen guten Start in New York zu haben. Ich wusste, dass die Wohnungen viel mehr kosten würden, als ich es von Atlanta gewöhnt war. Da auch London eine teure Stadt war, neigte sich dieses Geld nun langsam dem Ende zu. Ich wollte ungerne irgendwann auf der Straße sitzen, weshalb ich beschloss, mir wieder einen Job zu suchen.

„Hast du einen Lebenslauf dabei?" fragte er und bückte sich runter zu der Kiste. Er griff in seine Hosentasche, zog ein Taschenmesser hervor und brach die Holzkiste damit am Rand auf.

„Ja", ich öffnete meine Tasche, zog die dunkelblaue Mappe mit meinem Lebenslauf heraus und reichte sie ihm anschließend. Der Typ richtete sich wieder auf, strich seine Hände an seiner Hose ab und nahm die Mappe entgegen, bevor er sie aufklappte und hineinsah.

Als er sich meinen Lebenslauf durchlas, ließ ich meinen Blick wieder durch den Raum wandern. Erst jetzt fielen mir die ganzen Bilder neben der Tür auf. Der Typ, der vor mir stand, war auf allen Bildern zu sehen. Neben ihm eine ältere Version von ihm, was ich als sein Vater vermutete. Neben den beiden standen immer andere Leute. Manche von ihnen kamen mir bekannt vor, weshalb es sich wohl um bekannte Persönlichkeiten handelte.

„Du hast Psychologie studiert?" Nun richtete er seinen Blick wieder auf mich. Er klang etwas überrascht.

„Ja, aber ich habe keinen Abschluss gemacht", entgegnete ich und merkte, wie sich etwas in mir zusammenzog, als dieser Satz über meine Lippen kam. Wo wäre ich wohl heute, wenn ich es nicht abgebrochen hätte? Eigentlich war es dumm, ein Studium in den Lebenslauf zu schreiben, welches ich nicht beendet hatte. Aber potenzielle Arbeitgeber würden eh nach der Lücke fragen.

„Wie flexibel bist du bei den Arbeitszeiten?" Jetzt klappte er die Mappe zu und reichte sie mir wieder.

„Wie oft brauchst du denn jemanden für den Verkauf?" Ich nahm sie entgegen, öffnete meine Tasche und steckte sie wieder zurück. Obwohl ich den Blick gerade auf meine Tasche gerichtet hatte, merkte ich, wie er mich für einen Moment unauffällig musterte.

„Ich suche niemanden für den Verkauf, sondern für die Buchhaltung", sagte er und wandte sich wieder der Kiste zu, die auf dem Boden stand. Er nahm zwei Flaschen heraus, pustete sie an und legte sie dann in die freien Stellen in dem Regal.

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt