24. Kapitel

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Ich führte einen innerlichen Kampf mit mir selbst als ich krampfhaft versuchte, die Frühlingsrollen und die Cola zu ignorieren, die ich demonstrativ von mir weg, an den Rand des Schreibtisches geschoben hatte. Als ich mich allerdings dabei erwischte, wie ich immer wieder dort hin zurück sah, gab ich meinem Bedürfnis schließlich nach und aß sie, um meine volle Aufmerksamkeit uneingeschränkt auf meine Aufgaben richten zu können. Glücklicherweise funktionierte das so gut, dass die darauffolgenden 3 Stunden fast wie im Flug vergingen.

Das, was mich nach der ganzen Zeit aus meiner Konzentration riss, war das Geräusch von Schritten, die aus dem Keller kamen und sich langsam dem vorderen Bereich des Ladens näherten. Innerhalb der Sekunde, in der ich realisierte, dass diese Schritte nicht Theos waren, stieg mein Herzfrequenz spürbar an.

Aus dem Augenwinkel vernahm ich einen Moment später, Sawyers große Gestalt in den Türrahmen des Büros treten. Mit all meiner Kraft versuchte ich so gelassen wie möglich meinen Blick auf dem gerichtet zu lassen, was ich gerade tat. Beinahe wahllos blätterte ich in einem von Theos Büchern und überflog flüchtig eine der Seiten, ohne auch nur ansatzweise etwas von ihrem Inhalt wahrzunehmen. Zu sehr war ich mit der Tatsache beschäftigt, dass er dort stumm im Türrahmen stand und zu mir rüber sah.

„Geh weg." brachte ich schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit heraus. Ich ertrug die unbehagliche Stille nicht, die in diesem Raum herrschte. Ich wusste nicht, was ich anderes zu ihm hätte sagen sollen außer diese zwei Worte. Ich wollte einfach nur, dass er weg ging und aufhörte das zu tun, was er gerade versuchte zu tun.

„June.." fing er an aber sofort, bevor er etwas weiteres als meinen Namen sagen konnte, unterbrach ich ihn.

„Nein, nicht." langsam, fast ungläubig, schüttelte ich meinen Kopf. Ich konnte es nicht fassen, dass er wirklich den Schneid besaß und hier zu mir ins Büro kam. Und dann auch noch wenn Theo, der alles mitbekommen könnte, unten im Keller war. Noch immer lag mein Blick vor mir auf dem Tisch. Was auch immer er sagen wollte, er sollte es lassen. Ich wollte nichts von ihm hören. Nie wieder. Ich war fest entschlossen, wenn er nicht innerhalb der nächsten halben Minute gehen würde, würde ich es tun.

Für einen Moment machte sich Hoffnung in mir breit, dass er meinem Wunsch nachkommen würde, als er stumm blieb und nicht wieder ansetzte, um etwas weiteres zu sagen. Statt aber auf dem Absatz kehrt zu machen und zu gehen, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie er ein paar Schritte in den Raum hinein machte, so dass er jetzt nur noch ungefähr einen Meter von mir entfernt stand.

Als mir bewusst wurde, dass er es scheinbar nicht dabei belassen würde, erhob ich mich von meinem Stuhl. Ich würde jetzt gehen, bevor das hier noch eskalierte und Theo alles mitbekam. Als ich meinen Blick für eine Sekunde aufrichtete, an ihm vorbei und zur Tür sah, machte er die paar Schritte die er eben in das Büro eingetreten war, wieder zurück und versperrte somit, offensichtlich mit Absicht, den Weg nach draußen. Mein Herz begann zu rasen und ich hatte das Gefühl, als würde mir die Hitze ins Gesicht steigen weshalb ich mich nun wieder, ohne einen einzigen Blick auf ihn zu richten, von ihm abwendete.

„Ich weiß, dass du verletzt bist. Dass ich dich verletzt habe. Ich kann dich nicht zwingen mir zuzuhören außer jetzt gerade in diesem Moment aber ich bitte dich, es zu tun." sagte er mit ruhiger Stimme. Noch immer konnte ich seinen Blick auf mir spüren, den ich nicht erwiderte. „Falls du dich dazu entscheiden solltest, ich bin heute Abend zuhause."

Nachdem diese Worte Sawyers Mund verlassen hatten, wendete er sich endlich ab und verschwand aus dem Büro und somit auch aus meinem Blickfeld. Kaum hatte ich das dumpfe Geräusch der hinter ihm ins Schloss fallenden Ladentür vernommen, konnte ich wieder richtig atmen. Seine Anwesenheit hatte dafür gesorgt, dass ich ein unangenehmes und beklemmendes Gefühl in meiner Brust verspürt hatte, was nun wieder von mir abfiel.

Für eine Weile stand ich, fast wie in Schockstarre, einfach nur da. Als ich mich schließlich zurück auf meinen Stuhl, gegenüber des Schreibtisches gesetzt hatte, ließ ich meinen Blick auf das Display meines Telefons schweifen, um nach der Uhrzeit zu sehen. Es war kurz nach 17:00 Uhr. Genau in der Sekunde, in der ich realisierte warum ich das tat, griff ich danach und warf es in meine Tasche, die neben dem Schreibtisch auf dem Boden stand.

Auch wenn ich deutlich den Teil in mir spüren konnte, der heute Abend zu ihm fahren wollte um diese Sache mit ihm zu klären, entschied ich mich dagegen. Ich konnte förmlich den Dialog zwischen meinem Inneren Kind und meinem erwachsenen-Ich hören, den sie jetzt gerade in meinem Kopf führten. Das Innere Kind war es, das ursprünglich diese Sache mit ihm beginnen wollte um Spaß zu haben. Ohne dabei an mögliche Konsequenzen zu denken, die bei solch einer vermeidlich lockeren und unkomplizierten Bettgeschichte entstehen konnten.

Obwohl sich mein erwachsenes-Ich fast denken konnte, dass es nicht nur spaßig sein würde, wurde diese Tatsache bewusst ignoriert. Jetzt, lange Zeit danach, folgten diese besagten Konsequenzen darauf. Diese waren unangenehme Gefühle und körperliche Reaktionen auf das, was dieser Kerl mit mir tat. Ich wäre dumm und wahrscheinlich auch masochistisch, wenn ich zulassen würde, dass er erneut solche Dinge zu mir sagte. So wie es jetzt war, so wie es endete, war es gut. Auch wenn es nun vielleicht etwas weh tat, würde es wieder vergehen. Ich würde aus diesem Fehler lernen, genau wie ich aus dem Fehler mit Aiden gelernt hatte..

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt