„Die Frau bringt mich noch um den Verstand", stöhnte Grace und nahm einen Schluck ihres Bieres, während sie an die Decke starrte.
„Was genau hast du denn erwartet?", fragte ich mit vollem Mund, während ich bereits die nächste Weintraube vom Stiel zupfte. Seit 2 Stunden lagen wir schon bei ihr auf der Couch.
„Jedenfalls nicht, dass sie mich jetzt komplett ignoriert", sagte sie und richtete sich nun auf, woraufhin sie mich ansah.
„Wahrscheinlich weiß sie einfach nicht, wie sie sich verhalten soll. Schließlich wird es an der Uni nicht gerne gesehen, wenn Dozenten etwas mit ihren Studierenden anfangen", entgegnete ich. Nach dem Treffen mit Ella und den zwei Kommilitonen waren die beiden betrunken in der Kiste gelandet. Jetzt wäre es irgendwie komisch zwischen ihnen, weshalb Grace bei mir darüber jammerte.
„Sprichst du aus Erfahrung?", fragte sie und nahm nun ebenfalls eine Weintraube aus der kleinen blauen Schüssel, die ich auf meinem Bauch abgestellt hatte.
Jetzt schüttelte ich langsam meinen Kopf. „Ich war nie so ein Luder wie du", scherzte ich und sah sie wieder an, so dass sie zu grinsen begann. Nein, ich hatte meine Zeit damit verschwendet, blind einen Kerl zu lieben, der mich verarschte und meine Halbschwester vögelte. Sex mit einer Lehrperson zu haben, wäre eindeutig die bessere Option gewesen. Sicher wäre mir auf diese Weise auch das Lernen einfacher gefallen, so à la the sleeping dictionary.
„Aber im Ernst, wenn das jetzt schon so anfängt, wie soll das denn im neuen Semester aussehen?", fragte sie und exte den letzten Schluck ihres Bieres, bevor sie sich stöhnend von der Couch erhob, in die Küche lief und einen Moment später mit einem weiteren Bier zurückkam und sich wieder neben mich ins Polster plumpsen ließ.
„Du hast ihre Nummer. Ruf sie an und frage, was Sache ist. Ihr seid schließlich beide keine Teenager mehr." Ich wusste, dass es aus meiner Position einfacher gesagt als getan war, aber das hielt ich für die beste Möglichkeit. Ich wollte nicht, dass Grace sich in irgendwas verrannte, was ihr nicht guttat. Mit jemandem etwas zu haben und nicht darüber zu sprechen, weil man es als unangenehm empfand, fand ich schwierig. Beide tappten im Dunkeln und wussten nicht genau, was die jeweilige andere Person wollte.
-
„Hier, probier den", sagte Theo und goss mir zum gefühlt hundertsten Mal etwas in eines der kleinen Gläser, die zur Verkostung genutzt wurden. Es war Samstagmittag, der Laden war geschlossen und wir saßen schon über zwei Stunden im Keller und probierten die Neuzugänge. Vor uns auf dem Tisch erstreckten sich etwa 25 Gläser und weiter links die ganzen Flaschen mit allen möglichen Arten von Schnäpsen. Obwohl ich an allem nur nippte, merkte ich, wie beschwipst ich langsam wurde. Befand ich mich in geschlossenen Räumen, begannen meine Wangen zu glühen, so als wäre ich sexuell erregt. Überschritt ich diese Grenze des Beschwi psts eins und wurde betrunken, verschwanden diese wieder.
„Ew.. der schmeckt mir gar nicht", angewidert verzog ich mein Gesicht, nachdem ich einen kleinen Schluck genommen hatte und es ihm reichte. Es handelte sich um einen Kräuter-Likör, der mich an Jägermeister erinnerte. Als ich 16 war, hatte ich einen schrecklichen Absturz mit Filmriss. Seitdem konnte ich nichts mehr trinken, was mich auch nur im Entferntesten daran erinnerte.
Theo nahm das Glas aus meiner Hand, nippte ebenfalls daran und betrachtete die Flüssigkeit dann für einen Moment. „Eine sehr deutliche Note von Safranblüte", sagte er und nickte dann. Er war ein richtiger Spirituosen-Flüsterer, und ich fand seine Faszination dafür wirklich beeindruckend. Es war schön zu sehen, dass Menschen sich so sehr für Dinge begeistern konnten, dass sie ihrem Leben einen Sinn gaben.
„Sag mal, ist das eigentlich dein Laden?", fragte ich und lehnte mich entspannt in dem Stuhl zurück, in dem ich gerade saß. Meinen Blick ließ ich durch das Kellergewölbe schweifen und zog die Wolldecke, die ich über meinen Schultern hängen hatte, vorne etwas mehr zu, um mich vor der Kälte zu schützen, die hier unten war. Ich musste an die Fotos zurückdenken, die oben neben dem Eingang hingen. Die, auf denen er mit einem älteren Mann darauf zu sehen war. Meine erste Vermutung war, dass er den Laden seines Vaters übernommen hatte.
DU LIEST GERADE
Between Tears and Whisky Sour
Teen Fiction{1. Teil der Preposition-Trilogie} Nachdem June die Liebe ihres Lebens in flagranti erwischt, verlässt sie ihre Heimat Atlanta und zieht nach London. Sie verspricht sich, nie wieder eine Träne für ihr vergangenes Leben, ihren Ex-Freund oder sonst ei...