44. Kapitel

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Nachdem ich Grace von der Schwangerschaft erzählt hatte, waren einige Tage vergangen, in denen ich eine gedankliche Achterbahnfahrt durchmachte. Obwohl ich mir zu Beginn so sicher war, merkte ich immer mehr, dass ich es anscheinend doch nicht war. Dies spürte ich daran, dass ich sonst nicht diesen enormen inneren Konflikt mit mir selbst führen würde, in dem ich immer wieder darüber nachgedacht hatte, es Sawyer zu erzählen. Dieser Konflikt war mittlerweile so groß, dass ich es sogar bereute, Grace davon erzählt zu haben, bevor sich das Problem nicht durch eine Abtreibung gelöst hatte. Ihre Worte hallten in meinem Kopf nach und hatten mich dazu gebracht, es als falsch zu empfinden, wenn ich es für mich behalten würde. Auch wenn alle anderen Teile in mir ein weiteres Treffen mit ihm vermeiden wollten, entschied ich mich doch dazu. Nicht wegen meiner Gefühle, um ihn ein weiteres Mal zu sehen und spüren zu können, sondern weil wir beide erwachsen waren und ich mich verpflichtet fühlte, ihn darüber zu informieren. Auch wenn ich meinen Weg nach diesem Treffen ohne ihn weitergehen würde...

Ich: Ich muss mit dir sprechen, können wir uns kurz sehen? - J

Deutlich spürte ich, wie stark - fast schmerzhaft - mein Herz gegen meine Brust klopfte, als ich die Nachricht in mein Telefon eintippte und schnell absendete, um keine Möglichkeit zu haben, einen Rückzieher zu machen. Für einen kurzen Augenblick starrte ich auf das Display meines Handys und legte es dann zur Seite. Da es bereits früher Abend war, erwartete ich nicht, so schnell eine Antwort von ihm zu bekommen. Zu dieser Zeit hielt er sich häufig in seiner Bar auf und war beschäftigt. Umso überraschter war ich, als ich kurze Zeit danach das Leuchten des Displays vernahm und einen Blick darauf warf.

Sawyer: Sicher! Ich bin zu Hause.

Nachdem ich seine Antwort gelesen hatte, fragte ich mich erneut, ob dies eine gute Idee war. Zuerst dachte ich darüber nach, ob ein Treffen außerhalb unserer Wohnungen nicht vielleicht sinnvoller wäre. Obwohl ich ihm vertraute, könnte das einen unschönen und emotionalen Streit verhindern. Zum anderen würde es auch verhindern, dass zwischen uns ein weiteres Mal etwas passierte, das meine Gefühle ihm gegenüber verstärken würde. Andererseits wollte ich diese Sache nicht in einer Bar oder auf der Straße besprechen...

-

Ein leichtes Kribbeln breitete sich in meiner Bauchgegend aus, als ich in dem großen Fahrstuhl in Sawyers Wohnhaus stand, um langsam nach ganz oben auf seine Etage zu fahren. Als ich merkte, dass mein Atem etwas schwerer, aber dennoch regelmäßig ging, ärgerte ich mich darüber, dass ich vorher nicht ein kleines Glas Wein getrunken hatte. Dies hätte mir geholfen, mich entspannter und gelassener in dieser Situation zu fühlen, als ich es jetzt gerade tat. Nachdem sich die Fahrstuhltür geöffnet hatte, richtete ich mich auf, um so selbstbewusst wie möglich zu wirken, während ich aus ihm hinaus und auf den Flur trat.

Als ich meinen Blick dann allerdings zur Tür von Sawyers Wohnung richtete, wo er im Türrahmen lehnte und mich ansah, fühlten sich meine Beine plötzlich so weich an, dass ich Angst hatte, dass sie mich nicht einmal zur Tür tragen würden. Aber das taten sie.

„Danke, dass du dir Zeit nimmst", brachte ich mit ruhiger Stimme heraus, als ich vor ihm Halt machte und meinen Blick zu ihm aufrichtete, nachdem für einen kurzen Moment eine Stille zwischen uns geherrscht hatte. Ich konnte ein Rauschen in meinen Ohren vernehmen, welches von meinem stark pochenden Herzen ausging.

„Wir sind nicht alleine. Blake ist hier", antwortete er mit ernster, aber ebenfalls ruhiger Stimme. Fast wie ein Flüstern sprach er die Worte aus, so als wollte er vermeiden, dass ihn noch jemand anderes hörte außer mir.

„D-Dann komme ich ein anderes Mal wieder", entgegnete ich stockend. Sofort machte sich Panik in mir breit. Wie jedes andere Mal war ich nicht sonderlich scharf darauf, seinem Bruder in die Arme zu laufen, besonders nicht nach dem letzten Mal bei mir zuhause. War er etwa hier, um Sawyer zu erzählen, was er bei mir gesehen hatte? Oder wusste er es vielleicht bereits?

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt