„Mein Name ist June Collister. Ich würde gerne Evelyn Thompson besuchen." sagte ich zu einer dunkelhaarigen Frau mit Brille, um die 40, die am Empfang des Gebäudes saß, in dem ich mich gerade befand. Ihre Haare waren zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden. Vor 2,5 Stunden war ich nach meinem 11 stündigen Flug von London nach Houston gelandet und sofort hier her gekommen. Ich hatte sie vor 2 Tagen darüber in Erfahrung gesetzt, dass ich nach Texas kommen würde, um sie zu sehen. Die Tatsache, dass sie mich ins MD Anderson bestellte und mir den neuen Namen nannte den sie nach ihrer Heirat angenommen hatte, war Beweis genug, das sie anscheinend wirklich krank war und mir nicht nur etwas vormachte. Während des Fluges kamen mir dennoch immer mal wieder Gedanken, dass es womöglich ein Fehler war. Als ich in das Flugzeug stieg, gab es dann aber eh kein zurück mehr, so dass ich nun hier war.
Die Frau nickte kurz und tippte dann etwas in die Tastatur ihres Computer ein, bevor sie ihren Blick von dem Bildschirm aufrichtete und über der Rand ihrer Brille zu mir hoch sah. „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Mrs. Thompson?" fragte sie.
„Ich bin ihre Tochter." antwortete ich und stützte meine Arme jetzt auf dem holzfarbenden Tresen des Informationspultes ab, vor dem ich mit meinem Koffer stand. Es fühlte sich wahnsinnig komisch an, diese Worte zu sagen. Wie oft hatte ich mir in meinem vergangenen Leben gewünscht, diesen Satz sagen zu können. Und jetzt tat ich es nur, weil ich meine im sterben liegende Mutter das letzte mal sehen würde.
Sie richtete ihren Blick zurück auf den Bildschirm und tippte erneut. Dann hob sie den Hörer des Telefons an, welches neben ihr stand und drückte auf einen Knopf. „Bitte nehmen Sie für einen Moment im Wartezimmer platz." wies sie mich mit einem freundlichen Lächeln an und deutete mit ihrer Hand auf den Bereich einige Meter weiter.
Ich nickte, nahm meinen Koffer und lief ein paar Schritte weiter durch den breiten, Weiß-gestrichenen Gang. An den Wänden, zwischen den Türen hingen verschiedene Bilder mit Sprüchen und Motiven, die den Menschen hier ein fröhliches und motivierendes Gefühl vermitteln sollten. Ich wusste nicht, ob mich diese Bilder aufheitern und motivieren würden, wenn ich hier aufgrund einer Krebserkrankung leben müsste.
Im leeren Wartebereich angekommen, ließ ich meinen Blick für einen Moment umher schweifen. Ein großes Aquarium, mit exotischen Fischen, stand auf der einen Seite des Raumes. Daneben ein Regal mit Büchern und Zeitschriften. Durch die riesigen Fenster auf der anderen Seite des Raumes, fiel eine menge Licht hinein, weshalb es hell und freundlich wirkte. Ich ging an der Seite der aufgestellten Stuhlreihen vorbei und setzte mich dann direkt gegenüber des Fensters, auf einen der Stühle. Die Aussicht war wirklich schön. Man hatte einen weiten Blick auf einen Teil der Skyline von Houston. Trotz des bewölkten Wetters, schien die Sonne hin und wieder durch die Wolken hindurch und wärmte mein Gesicht.
Nachdem ich eine Weile die Aussicht genossen und Grace darüber informiert hatte, dass ich gut gelandet war, vernahm ich aus dem Augenwinkel die Gestalte einer Person, die sich mir mit langsamen Schritten näherte. „Ms. Collister?" fragte eine Frau mit dunkelbraunen, gelockten Haaren und weißem Kittel. Es war eine Ärztin.
„Ja." Ich nickte kurz, erhob mich von dem Stuhl auf dem ich saß, und wendete mich ihr dann zu. Meine Aufmerksamkeit wurde augenblicklich von 3 anderen, sehr jung aussehenden Ärzten auf sich gezogen, die sich außerhalb des Wartezimmers auf dem Gang befanden und zu uns rüber sahen. Diese Situation erinnerte mich sofort an Grey's Anatomy, wo die Assistenzärzte die Oberärzte dabei beobachten sollten, wie diese den Angehörigen ihrer Patienten schlechte Nachrichten überbrachten.
„Mein Name ist Dr. Reed. Es freut mich Sie kennenzulernen." sagte sie mit sanfter Stimme und streckte mir ihre Hand hin. Unter ihrem anderen Arm klemmte eine dicke, dunkelgraue Akte.
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Between Tears and Whisky Sour
Teen Fiction{1. Teil der Preposition-Trilogie} Nachdem June die Liebe ihres Lebens in flagranti erwischt, verlässt sie ihre Heimat Atlanta und zieht nach London. Sie verspricht sich, nie wieder eine Träne für ihr vergangenes Leben, ihren Ex-Freund oder sonst ei...