18. Kapitel

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Sawyer {6 Jahre früher}

Wenig begeistert ließ ich meinen Blick durch die leeren Wände der unrenovierten Lokalität schweifen, wo ich gerade war. Der Eingang des Ladens befand sich in einem Hinterhof, wodurch der Raum düster wirkte. Von den recht hohen Wänden blätterte die gräuliche Farbe ab. Der dunkle Holzboden war an einigen Stellen aufgerissen und verfärbt, und machte knarrende Geräusche, wenn man drüber lief. Dies war die 6 für mich erschwingliche Location, die ich mir mit einer Maklerin innerhalb Londons ansah. Aber schnell musste ich ernüchtert feststellen, dass diese genauso enttäuschend war, wie alle anderen, die ich zuvor besichtigte.

Vor ein paar Wochen hatte ich den Entschluss gefasst, mich endlich selbstständig zu machen. Denn das war es, was ich schon die ganze Zeit tun wollte. Ich wollte mein eigener Chef sein und mir selbst etwas aufbauen. Dafür hatte ich mir in den letzten 3 Jahren täglich den Arsch abgearbeitete um Geld zu verdienen, das ich nun in eine eigene Bar investieren würde. Stück für Stück realisierte ich aber, dass man um einiges mehr Geld brauchte als das, was ich hatte.

„Wie lange steht der Laden schon leer?" fragte ich die Maklerin, die vor mir durch den Raum lief und mir den weiteren Raum zeigte, der sich etwas weiter hinten befand. Er war von einer ebenfalls heruntergekommenen Tür verschlossen. Als ich ihr folgte und einen Blick in den kleinen Raum geworfen hatte, stieg mir sofort ein etwas moderiger und schimmeliger Geruch in die Nase.

„Moment." Sie griff nach dem Exposé, welches sie in einer schwarzen Mappe unter ihren Arm geklemmt hatte und öffnete es, um einen kurzen Blick hinein zu werfen. „Seit etwa 4 Jahren." antwortete sie, nachdem ich meinen Blick stumm an die Decke gerichtet hatte. „Ich sehe, Sie sind nicht begeistert." stellte sie fest, als sie mich ansah und die Mappe wieder zuklappte.

„Stimmt. Haben Sie noch etwas anderes für mich?" antwortete ich ehrlich und sah sie nun ebenfalls an. Ideal wäre ein Laden der vorher schon eine Bar oder ein Café war und eine Theke, sowie einen größeren Raum hinter dem Bartheken-Bereich besaß. Meine finanziellen Mittel reichten gerade mal aus, einen kleinen Laden zu kaufen. Eine Sanierung war neben der Ausstattung gerade nicht drin, weshalb ich unmöglich solch eine Bruchbude kaufen konnte, um aus ihr das zu machen, was ich mir vorstellte.

„Bedauerlicherweise nichts mehr in dieser Preisklasse." entgegnete sie nun kopfschüttelnd. „Aber ich werde mich weiter umhören und melde mich bei Ihnen, wenn es etwas neues gibt, dass für Sie passen könnte."

-

„Du musst von Anfang an mehr Geld investieren. Sonst wird der Laden nicht laufen." Prophezeite Blake locker und nahm einen Schluck seines Drinks. Seinen Arm lehnte er entspannt auf das Polster seiner dunklen Couch, auf der er saß. Sein Blick war auf mich gerichtet. Seit einer Weile erzählte ich ihm, wie erfolglos ich bei der Suche nach einer geeigneten Bar, war.

„Ich habe aber nicht mehr Geld was ich investieren kann." entgegnete ich jetzt etwas genervt und exte den Rest meines Drinks um mich dann in dem Sessel zurück zu lehnen, in dem ich ihm gegenüber saß. Diese Aussage fuckte mich dermaßen ab. Solche Ratschläge konnten nur von Menschen kommen, die so viel Geld besaßen, dass sie es in ihrem ganzen Leben nicht ausgeben konnte. Und ich wusste, dass er bald so jemand war. Wenn er es nicht jetzt schon war. Da ich mich so wenig wie möglich mit ihm über seinen Job unterhielt, wusste ich auch nicht was er für ein Vermögen dabei verdiente. Das einzige was ich sah, waren die Dinge die er sich leistete. Angefangen mit seiner neuen Wohnung die pro Monat schätzungsweise 4000£ kostete.

„Dann lass es." antwortete er knapp und beugte sich jetzt vor und griff nach der gläsernen Karaffe, die vor uns auf dem Wohnzimmertisch stand. Er nahm den Deckel ab und goss mir wieder etwas in mein Glas. „Denn Geld in etwas zu investieren, dass von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, wäre dumm. Und du bist nicht dumm." Er schloss die Flasche wieder und setzte sich nun genauso entspannt zurück auf seine Couch, wie eben.

„Meine Drinks sind gut, ich würde nicht scheitern."

„Deine Drinks sind nicht nur gut, Saw. Deine Drinks sind besser als die, der meisten Bars hier in London. Aber das alleine reicht nicht, wenn deine Bar in einer scheiß Gegend ist und du nicht das Geld hast, um den besten Alkohol zu kaufen." erklärte er und nahm einen weiteren Schluck seines Drinks.

Für einen Moment hielt ich inne und dachte über seine Worte nach. Er hatte Recht. Auch wenn ich absolut gegen alles war, was Blake tat, wusste er wovon er sprach. Denn er arbeitete an dem Ort, wo er genau das alles lernte. In der nächtlichen Londoner Gastronomieszene.

„Ich habe aber keine andere Möglichkeit als etwas kleines zu kaufen und es so zu versuchen. Denn als angestellter Barkeeper verdiene ich nicht das Geld, was ich für solch eine Bar brauche. Und von keiner Bank bekomme ich einen Kredit in dieser Höhe." Sagte ich wieder und griff erneut nach meinem Glas.

„Doch, du hast eine andere Möglichkeit und das weißt du." erwiderte Blake, so dass sich mein Blick für einen Moment auf seinen legte. Mein Griff um das kühle Glas wurde augenblicklich fester.

„Ich will dein Geld nicht." antwortete ich mit ernster Stimme und schüttelte meinen Kopf. Ich würde eher den Wunsch von einer eigenen Bar begraben, bevor ich sein schmutziges Drogengeld annehmen und mir damit etwas aufbauen würde.

„Warum nicht?"

„Wage es nicht jetzt mit dem Scheiß anzufangen. Du weißt ganz genau warum nicht." gab ich wieder und sah erneut in seine Richtung. Jeder Gedanke daran machte mich wahnsinnig wütend und ich befürchtete, dass ich die Beherrschung verlieren würde, wenn er mich damit provozieren würde.

„Weißt du eigentlich wie es da draußen in der Gastronomieszene aussieht, Sawyer? Wie viele Menschen das tun, was ich tue?" fragte er und machte dann für einen Moment eine Pause, so als würde er mir die Gelegenheit geben, etwas zu sagen. Aber das tat ich nicht. „Weil du irgendwann ein Teil davon sein möchtest, verrate ich es dir. Mehr als du denkst. Es wird überall mit maßig vielen harte Drogen gehandelt. Das passiert auch in den Bars und Clubs in die du gehst, ohne dass du es mitbekommst. Ohne, dass es überhaupt jemand mitbekommt der es nicht mitbekommen soll. Weil es ein Geschäft ist wie jedes andere auch."

„Du wirst irgendwann geschnappt." sagte ich, nachdem eine gefühlte Ewigkeit eine bedrückende Stille zwischen uns geherrscht hatte. Diese Befürchtung war die einzige, die durchgehend präsent in meinem Kopf war. Und das was es, was mich so in Rage versetzte.

„Das werde ich nicht." entgegnete er und schüttelte überzeugt seinen Kopf. Wie konnte er sich da so sicher sein?

„Doch, das wirst du."

„Das werde ich nicht, Saw. Das werde ich nicht." wiederholte er eindringlich und sah mich wieder an. Beim sprechen war er ein Stück weiter an den Rand der Couch gerutscht. „Erinnerst du dich noch daran, dass du mir immer vertraut hast, als wir klein waren?" fragte er, nachdem er für eine Weile inne gehalten hatte.

Ich nickte. Blake war der einzige Mensch in meinem Leben, zu dem ich immer aufsah. Ich wollte so sein wie er. Ich bewunderte ihn für seine Stärke und seine Furchtlosigkeit.

„Ich weiß nicht wann ich dein Vertrauen verloren habe aber ich möchte es zurück. Ich möchte, dass du mein Geld nimmst und damit die Bar eröffnest, von der du schon immer geträumt hast. Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass dabei nichts passieren wird."

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt