40. Kapitel

1.5K 54 9
                                    

Nachdem ich versucht hatte, die dramatischen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen und so gelassen wie möglich mit dieser Situation umzugehen, hatte ich mich dazu entschieden, Grace eine Nachricht zu schreiben. Ich hatte sie für einen entspannten Nachmittag und Abend zu mir eingeladen, um etwas Zeit mit ihr zu verbringen. Ich hatte das Bedürfnis nach ihrer Gesellschaft und glaubte, dass mir diese guttun könnte. Auch wenn ich sie zu mir eingeladen hatte, ließ ich mir die Option offen, mit ihr über all das zu sprechen. Ich würde es von dem Testergebnis und meiner anschließenden Stimmung abhängig machen...

Schwer atmend drückte ich die Haustür meiner Wohnung hinter mir ins Schloss, an die ich mich für einen Augenblick erschöpft lehnte. Die paar Stufen nach hier oben hatten sich diesmal um einiges anstrengender angefühlt, als ich es gewohnt war. Ich schrieb die mangelnde Energie meinem dehydrierten und noch nüchternen Körper zu und versuchte dabei die Tatsache zu berücksichtigen, dass ich gestern recht viel getrunken hatte und deshalb heute verkatert war.

Für ein paar Sekunden betrachtete ich die Verpackung des Schwangerschaftstests in meiner Hand um die knappe Beschreibung auf der Rückseite zu lesen. Bevor ich allerdings damit fertig war, legte ich diese jedoch zusammen mit meinem Portemonnaie und dem Haustürschlüssel auf dem kleine Regal im Flur ab. Ich konnte deutlich den in mir herrschenden Widerstand gegenüber dieser Sache spüren, aber versuchte dem so wenig Bedeutung wie möglich zu geben. Anschließend zog ich meine Jacke aus, hängte sie an die Garderobe und lief in die Küche, wo ich einen Schrank öffnete, um ein großes Glas herauszunehmen und es anschließend mit kaltem Leitungswasser zu befüllen.

Zusammen mit meinem Glas setzte ich mich auf einen der gepolsterten Stühle an den Esstisch am Rand des Raumes. Meinen etwas verträumten Blick hatte ich aus dem leicht geöffneten Küchenfenster gerichtet, während ich nach und nach einige Schlucke von dem Wasser nahm. Dabei spürte ich die angenehm kühle Luft auf meiner Haut, als sie durch das Fenster drang. Heute war das erste Mal seit langem, dass es der Sonne gelang, durch die dichten, grauen Londoner Regenwolken zu brechen. Die goldenen Sonnenstrahlen fielen durch das Fensterglas in den Raum hinein und wärmten mein Gesicht.

Obwohl die Sonne schien und dadurch das Glückshormon Serotonin im Hirn eines Menschen entstand, fühlte ich mich gerade alles andere als glücklich. Ich fühlte mich depressiv verstimmt und das so sehr, dass ich mir eingestehen musste, dass mir zum Weinen zumute war. Innerhalb von ein paar Sekunden konnte ich spüren, wie sie ein paar Tränen in meinen Augen bilden wollten, aber bevor daraus etwas mehr werden konnte, schüttelte ich die sich anbahnende Traurigkeit ab.

Genau in diesem Moment wurde ich von dem lauten Klingeln der Haustür aus meiner Trance gerissen, sodass ich sofort wieder im Hier und Jetzt ankam. Schnell erhob ich mich von dem Stuhl und rieb mir die Feuchtigkeit aus den Augen, als ich mit zügigen Schritten zur Tür lief. Dann betätigte ich den Knopf an der Türsprechanlage, um Grace unten reinzulassen, und öffnete auch die Wohnungstür.

Erschrocken atmete ich scharf die Luft ein, als ich plötzlich und unerwartet die breite Präsenz von Blake im Türrahmen lehnen sah. Mit einem leicht amüsierten Ausdruck in seinem Gesicht sah er zu mir herab. Aus Reflex versuchte ich sofort mit aller Kraft, die Tür wieder vor seiner Nase zuzuschlagen, aber spürte, wie sie auf einen harten Widerstand stieß. Langsam ließ ich meinen Blick Richtung Boden wandern und sah, dass er seinen Fuß zwischen Tür und Türrahmen gestellt hatte, um zu verhindern, dass ich sie wieder schließen konnte.

„G-Geh weg", zischte ich. Sofort konnte ich spüren, in was für einer hohen Frequenz mein Herz gerade stark gegen meine Brust hämmerte. Für eine Weile stand ich einfach nur so da und versuchte, die Tür als Barriere zwischen uns aufrechtzuerhalten. Vergeblich...

„Du bist eine grottige Gastgeberin, weißt du das?", entgegnete er mit einem hörbaren Schmunzeln in der Stimme. Dann drückte er mit seiner Hand von außen gegen das Holz der Tür, um sie wieder zu öffnen. Obwohl ich versuchte, dies mit all meiner zur Verfügung stehenden Kraft zu verhindern, musste ich nach hinten weichen, sodass er mich wieder ansehen konnte, als sich die Tür so weit geöffnet hatte, dass sie leicht an der Wand anschlug.

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt