8. Kapitel

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„Du sitzt auf meinem Platz." stellte ich fest, als ich in das kleine Büro in Theos Laden kam. Dort, auf dem Bürostuhl am Schreibtisch saß Sawyer. Der eine Arm lehnte lässig an der Kante des Tisches und sein gewohnt ernster Blick lag auf einem Blatt, von dem er aber für einen Moment aufsah, als ich eintrat. Was machte der hier? Und wo war Theo?

Es waren jetzt fast 3 Wochen her, seit der äußerst unangenehmen Situation in seiner Bar, in der ich auf seinen Bruder traf, der menschlich noch abstoßender war, als zu dem Zeitpunkt wo ich ihm das erste Mal begegnete. Ich zwang mich dazu der Sache so wenig Bedeutung zu geben wie möglich aber dennoch erwischte ich mich dabei wie ich ein paar Tage danach hin und wieder daran dachte. Ich wusste nicht was ich davon halten und noch weniger wusste ich, wie ich damit umgehen sollte.

Ich stellte meine Tasche auf dem Boden neben dem Tisch ab und sah ihn dann an, als er sich nicht bewegte. „Du kannst dich da drüben hinsetzen. Oder noch besser, du verflüchtigst dich komplett." sagte ich und deutete auf den anderen Sessel etwas weiter hinten des Raumes. Es war der Sessel auf dem Theo meistens saß, wenn wir beide hier oben waren. Ich merkte, wie ich eine Art Schutzschild in mir auffuhr. Ich verspürte den Impuls zuerst unhöflich zu ihm zu sein, bevor er es zu mir sein konnte.

Sawyer drehte langsam seinen Kopf, sah in die Richtung in die ich deutete und zu meiner Überraschung tat er was ich sagte. Er erhob sich von dem Stuhl und lief dann an mir vorbei. Im Vorbeigehen rempelte er mich etwas an, so dass ich ein Stück nach hinten weichen musste. Das war doch nicht sein Ernst?! „Was hast du eigentlich für ein Problem?" fragte ich nun und sah ihn entsetzt an.

„Du kommst hier rein, machst ne Szene und fragst mich was mein Problem ist? Denk mal scharf nach, vielleicht kommst du drauf." antwortete er und richtete seinen genervt wirkenden Blick wieder auf mich.

„Wie bitte? Ich mache eine Szene?" Die Fassungslosigkeit in meiner Stimme war jetzt nicht mehr zu überhören. Ich wurde wegen seiner unverschämten Art gerade unglaublich sauer. „Seit der ersten Sekunde hast du irgendein Problem mit mir. Seit ich bei dir an der Bar stand, warst du ein Arschloch. Dann hat mich dein Bruder angemacht und du hast mich rausgeschmissen. Ohne Grund. Also erzähl mir nicht, dass ich eine Szene mache." fauchte ich.

„Und was genau möchtest du jetzt von mir hören?" fragte er, nachdem er meinen Worten für einen Moment stumm gelauscht hatte. Er stand nur ungefähr einen halben Meter von mir entfernt und sein Blick wanderte zwischen meinen Augen hin und her. Die Stimme, mit der die Worte seinen Mund verlassen hatten, war ruhig und entspannt. Ganz im Gegenteil zu meiner.

„I-Ich möchte gar nichts hören. Ich.." für ein paar Sekunden stockte ich und unterbrach diesen intensiven Blickkontakt, bevor ich ihn dann aber doch wieder ansah und meinen Satz beendete. „Ich möchte einfach verstehen, was ich getan habe, dass ich es in deinen Augen verdient habe so behandelt zu werden. Damit ich in Frieden meinen Job machen kann, ohne befürchten zu müssen, dass du hier bist." Gestand ich ehrlich. Auch wenn ich wünschte, dass es so wäre, ging es eben nicht spurlos an mir vorbei wenn jemand ständig seine Abneigung demonstrierte die er mir gegenüber empfand. Es reichte, dass meine 'Eltern' und Aiden es getan hatten. Meine Stimme war nun wieder ganz ruhig. Sie klang fast wie ein Flüstern.

Jetzt schwieg er und sah mich einfach nur stumm an. Seine Gesichtsausdruck in diesem Augenblick war nichts sagend so dass ich nicht erahnen konnte, was gerade in seinem Kopf vor sich ging.

„Was ist denn hier los?" vernahm ich jetzt Theos überraschte Stimme. Mit verwirrtem Blick kam er ins Büro und sah abwechselnd zwischen uns hin und her.

„Gar nichts." log ich und löste meinen Blick von Sawyer, der sich abwendete und nun stumm auf den Sessel setzte, den ich ihm eben zugewiesen hatte. Seinen Blick richtete er wie zuvor auf das Blatt in seiner Hand. Ich wollte mich nicht kindisch verhalten und Theo mit hineinziehen. Zum einen weil Sawyer und er keine Freunde waren, wie er mir sagte und weil ich ja selbst nicht mal wusste warum dieser Konflikt zwischen uns existierte. Fakt war aber, dass Theo den Streit gehört hatte, sonst hätte er nicht gefragt. „Ich komme heute Abend wieder wenn weniger los ist." Ich griff erneut nach meiner Tasche, die ich eben auf den Boden gestellt hatte und verließ dann das Büro..


-


„Komm schon, June. Du hast es ja nicht mal ausgehalten hier zu bleiben." sagte Theo skeptisch. Mit einem Glas in der Hand saß er auf seinem Sessel. Ich spürte deutlich seinen Blick in meinem Rücken. Natürlich fragte er nach der Situation heute Mittag hier im Büro, als ich einige Stunden später wiederkam um meine Arbeit zu erledigen. Sawyer war zum Glück nicht mehr hier.

„Wir können einfach nicht besonders gut miteinander. Aber das ist okay und kein Grund ein großes Ding draus zu machen." entgegnete ich locker um ihm seine Frage zu beantworten. Ich versuchte so unbekümmert wie möglich rüber zu kommen um ihm nicht den Eindruck zu vermitteln, dass es eine große Sache war über die man jetzt ausführlich sprechen musste.

„Ihr habt euch gestritten. Das ist weit mehr als nur nicht besonders gut miteinander können."

„Warum fragst du nicht ihn?" Jetzt drehte ich mich mit dem Stuhl auf dem ich saß um und sah ihn an. Wenn er Fragen hatte dann konnte er sie auch an Sawyer richten. Der war schließlich genauso involviert gewesen wie ich. Vielleicht weil die beiden keine Freunde waren. Aber das waren Theo und ich ja eigentlich auch nicht.

„Weil ich dich frage. Er und ich arbeiten an etwas, weshalb er in der nächsten Zeit öfter hier sein wird. Ich kann es nicht gebrauchen, dass es dann jedes mal so aussieht wie heute." Der Blick mit dem er mich jetzt ansah war ernst.

„Wird es nicht. Und falls doch, kannst du mich feuern." gab ich wieder und drehte mich erneut um, um ihm zu signalisieren, dass dieses Thema jetzt abgehakt war und ich weiterarbeiten würde. Es war offensichtlich, dass Theo den Konflikt hier in seinem Laden nicht gefiel. Ich würde einfach dafür sorgen, dass es nicht wieder vorkam. Ich würde Mister Griesgram aus dem Weg gehen und jegliche Bemerkungen seinerseits ignorieren.

„Ich werde dich nicht feuern. Egal was passiert." sagte er wieder, nachdem er kurz inne gehalten und einen Schluck von seinem Drink genommen hatte. Er wirkte etwas überrascht wegen meiner Aussage, was mich hellhörig machte und an das erinnerte, was Sawyer seinem Bruder in der Bar gesagt hatte: „... es geht eher darum, dass Theo sie ganz gerne hat."

„Wie genau meinst du das?" fragte ich und drehte mich wieder zu ihm um.

„So wie ich es gesagt habe." antwortete er knapp und griff nach der Flasche die neben ihm auf dem Boden stand um sein Glas wieder bis zur Hälfte zu befüllen. Ein Gefühl von Unwohlsein breitete sich in mir aus. Empfand er etwa mehr für mich als reine Sympathie unter Kollegen?

„Wegen meiner guten Arbeit, richtig?" versuchte ich mich zu vergewissern.

„Natürlich." gab er wieder und nahm erneut einen Schluck.

„Gut. Ich möchte nämlich nicht, dass du die Hoffnung hast, dass hier mehr entstehen könnte als ein rein professionelles Arbeitsverhältnis." Ich wusste, dass es hart war ihm sowas ins Gesicht zu sagen aber ich wollte es lieber aussprechen bevor es zu spät war. Ich merkte, dass meine von mir aufgestellten Regeln immer öfter Situationen verkomplizieren konnten. Würde er sich in mich verlieben, würde ich kündigen müssen. Würde ich etwas mit ihm anfangen, wäre es eine einmalige Sache und ich würde ebenfalls kündigen müssen...

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt