„Es ist okay traurig zu sein." brachte ich nach einer gefühlten Ewigkeit heraus. Ich wollte, dass er das wusste, falls er es nicht tat. Jeder Mensch durfte traurig sein. Auch, wenn man erwachsen und männlich war, und von unserer Gesellschaft oft etwas anderes vermittelt wurde. Ich war mir sicher, dass es gut für ihn wäre, wenn er solche Gefühle zulassen würde. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was in seinem Leben vor sich ging oder in der Vergangenheit schon vor sich gegangen war, wusste ich, dass es etwas gewesen sein musste, dass ihn zu dieser ernsten und kühlen Persönlichkeit gemacht hatte, die er heute war. Er war eine Person, an die man nicht dran kam, auch wenn es sich so anfühlte..
Als diese Worte meinen Mund verlassen hatten, merkte ich, wie sich sein Griff um meiner Taille wieder lockerte, weshalb ich mich ebenfalls von ihm löste. Sofort bereute ich meine Worte. Ich befürchtete, dass er das nicht hören wollte. Statt mich aber komplett loszulassen, fuhr seine eine Hand an meinen unteren Rücken, wo sie daraufhin verweilte. Der Stoff meines Shirts war an dieser Stelle etwas nach oben gerutscht, so dass ich die Wärme seiner Handfläche auf meiner dort nackten Haut spüren konnte.
„Ist es das?" fragte er ruhig, nachdem er seinen Blick zurück in mein Gesicht gerichtet hatte. Es wirkte so, als würde er jeden Zentimeter meines Gesichtes mustern, bevor er mir wieder in meine Augen sah, zwischen denen er für einen Moment hin und her pendelte. Ich konnte deutlich eine gewisse Skepsis aus seiner Stimme heraushören, als er diese Frage stellte.
Es war offensichtlich, dass er an meiner Aussage zweifelte. Entweder lag es daran, dass er generell daran zweifelte, oder weil ich es ihm schlecht verkaufte. Ich untersagte mir ja selbst, traurig zu sein und zu weinen, obwohl ich es in vielen Situationen eigentlich wollte. Weil ich zu stolz war um mir einzugestehen, dass ich in Wirklichkeit eine absolute Heulsuse war, die sich wahrscheinlich noch immer jeden Abend, wegen des Betrugs von Aiden, in den Schlaf weinen würde. Womöglich strahlte ich das aus. Dennoch nickte ich überzeugt.
Es wirkte, als würde er über Dinge nachdenken, die er innerhalb der nächsten Sekunden aussprechen würde. Aber das tat er nicht. Er blieb einfach stumm und sah mich weiter an. Die Stille die nun zwischen uns herrschte, war ohrenbetäubend laut. Nach einer Weile bemerkte ich, dass er seinen Blick von meinen Augen abwendete und langsam zu meinen Lippen wandern ließ. Zeitgleich spürte ich auch, wie er seine Hand von meinem Rücken löste und damit zu meinem Gesicht fuhr, wo er eine meiner Haarsträhnen sanft hinter mein Ohr strich. Diese von ihm untypische und fast liebliche Geste, bereitete mir eine gewaltige Gänsehaut, die sich über jeden einzelnen Millimeter meines Körpers ausbreitete.
„Saw.." flüsterte ich und legte meine Hand an seine, um sie langsam von meinem Gesicht zu entfernen und dann für einen Moment zwischen uns, auf die Couch zu legen. Es war nicht so, dass ich diese Berührungen seinerseits nicht mochte. Ganz im Gegenteil. Ich hatte die Befürchtung, dass ich mich zu sehr danach sehnen würde, wenn ich einmal einen Vorgeschmack davon bekommen würde, wie zärtlich er sein konnte. Denn das war es, was mein Herz wollte, auch wenn mein Verstand sich vehement dagegen wehrte.
Ich wusste nicht genau ob es am Alkohol, oder der Art wie Sawyer mich ansah, lag, aber innerhalb einer Sekunde merkte ich, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Meine Sinne vernebelten zunehmend. „Ich glaube es wäre besser, wenn ich gehe." sagte ich knapp und löste meine Hand von seiner. Es war deutlich zu spüren, dass sich eine sexuelle Spannung zwischen uns aufbaute, denn mein Körper reagierte darauf. Mein Körper reagierte auf ihn.
„Wahrscheinlich wäre es das." entgegnete er und nickte langsam. Noch immer wendete er seinen intensiven und eindringlichen Blick nicht von mir ab. Seine Augen sagten das komplette Gegenteil von dem, was sein Mund aussprach. „Aber da wir uns nicht mehr wiedersehen, wenn du meine Wohnung verlässt, kannst du auch erst in zwei Stunden gehen."
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Between Tears and Whisky Sour
Teen Fiction{1. Teil der Preposition-Trilogie} Nachdem June die Liebe ihres Lebens in flagranti erwischt, verlässt sie ihre Heimat Atlanta und zieht nach London. Sie verspricht sich, nie wieder eine Träne für ihr vergangenes Leben, ihren Ex-Freund oder sonst ei...