45. Kapitel

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Sawyer {5 Jahre früher}

Ich musste mir eingestehen, dass die Vorstellung, die ich von Geldwäsche in meiner Bar hatte, eine andere war als die Realität. Es war etwas, das mich und meinen Alltag in keiner Weise beeinflusste. Ganz im Gegenteil sogar: Der Betrieb lief besser denn je, und so passierte es, dass ich hin und wieder vergaß, was im Hintergrund abging. Das Einzige, was mir etwas zu schaffen machte, war die Tatsache, dass meine Mitarbeiter nichts davon wussten. Sie arbeiteten gegen ihren Willen in einer Bar, die ein illegales Geschäft betrieb. Tröstlich war es zu wissen, dass ihnen aufgrund ihrer Unwissenheit nichts passieren würde, falls es jemals ans Licht kommen sollte.

Wenn man die ganze Situation betrachtete, hätte man denken können, dass dies meinen Bruder und mich wieder näher zusammenführte. Schließlich arbeiteten wir nun auf der gleichen Seite. Aber das tat es nicht. Das Geld und der Erfolg, den Blakes Job mit sich brachte, veränderten ihn. Er begann die Drogen, mit denen er arbeitete, selbst zu konsumieren, obwohl er mir damals, als er mit diesem Job anfing, versprach, es nicht zu tun. Dadurch wurde er kalt und skrupellos und verlor all die menschlichen und warmherzigen Züge, die er bis zu diesem Zeitpunkt noch in sich getragen hatte. Ich realisierte schmerzlich, dass alles, was meinen Bruder zu meinem Bruder gemacht hatte, weg war und womöglich nicht mehr wiederkommen würde. Aus diesem Grund traf ich eine Entscheidung , die mein Leben von heute auf morgen drastisch verändern würde..

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„Weißt du, was der Vorteil von toten Eltern ist, Saw? Sie können einen nicht mehr mit bösen Blicken strafen, wenn man Lebensentscheidungen getroffen hat, die sie nicht gutheißen. Also mach du das auch nicht", sagte Blake bissig und setzte sich mir schräg gegenüber, zurück auf seinen Platz, wo er den Rest seines Drinks exete. Kurz zuvor war er für einen Moment auf der Toilette verschwunden, um etwas zu ziehen. Mittlerweile machte er nicht mal mehr einen Hehl daraus, es zu verbergen, auch wenn er wusste, dass ich es hasste. Der Konsum war ihm jedes Mal aufs neue deutlich anzusehen: Die Augen wurden nach einiger Zeit glasig, die Pupillen riesig, und er berührte auffällig oft seine Nase.

„Mir ist mittlerweile egal, was du machst. Du bist nicht mehr der Mittelpunkt meines Lebens", entgegnete ich gelassen und nahm ebenfalls einen Schluck meines Drinks. Diese Aussage war tatsächlich wahr. Lange Zeit war er der wichtigste und einzige Mensch in meinem Leben. Auch wenn es am Anfang schmerzhaft war, hatte ich mich damit abgefunden, wie sich unsere Beziehung im Laufe der Jahre verändert hatte.

„Sondern? Deine Bar, die du durch mich hast? Wen hast du denn außer mir?", stellte er interessiert die Gegenfrage und lehnte sich entspannt zurück. Der Ausdruck in seinem Gesicht machte klar, wie sicher und überzeugt er von seinen Worten und Gedanken war. Er dachte, dass ich ohne ihn ein Niemand wäre. Alles, was ich hatte, hatte auch er, denn er war die große und mächtige Person, die es mir beschafft hatte. Und wenn er wollte, konnte er mir auch alles wieder wegnehmen, sodass ich ohne etwas dastand.

„Niemanden, du hast recht. Nicht mal mehr den Bruder, den ich mal hatte", antwortete ich, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. Es fühlte sich gut an, zu spüren, dass bei diesen Worten nicht einmal mehr jene Verlustängste aufkamen, die früher regelmäßig aufgekommen wären, wenn ich mich mit dem Gedanken konfrontiert hätte, dass ich ihn eines Tages nicht mehr in meinem Leben hätte.

„Du wirst schon drüber hinwegkommen, kleiner", sagte er daraufhin kühl und wendete seinen Blick für einen Augenblick von mir ab, um sich einen weiteren Drink zu bestellen. Es wirkte fast so, als sei er von meinen Worten genervt. So, als wollte er nicht, dass man die Person betrauerte, die er einst war.

„Das werde ich ganz sicher. Du aber auch?", fragte ich und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas, weshalb sein Blick zurück zu meinem fand.

„Das muss ich gar nicht, weil ich weiß, dass du immer an meiner Seite stehen wirst, egal was passiert. Auch wenn du etwas anderes sagst", gab er überzeugt wieder, wobei sich ein siegessicheres Lächeln auf seine Lippen legte.

„Du denkst, dass ich das nicht ernst meine?", versicherte ich mich und zog etwas überrascht meine Augenbrauen hoch. Natürlich dachte er das. Wie sollte es auch anders sein? Blake dachte, dass das, was Blake sagte, Gesetz sei.

„Denke ich", bestätigte er knapp und nickte mit dem Kopf.

„Du glaubst wirklich, dass du am längeren Hebel sitzt wegen des Ultimatums, das du mir gestellt hast, oder?", fragte ich erneut. Obwohl meine Stimme ruhig war, wurde ich wütend bei dem Gedanken, dass er mir jegliche Entscheidungsfreiheit absprach, als hätte ich keinerlei Möglichkeiten, selbstbestimmt zu handeln.

„Ich war dir schon immer überlegen, Sawyer. Da kannst du nichts für", sagte er wieder und zuckte leicht mit den Schultern. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass er gerade gekokst hatte, aber ich musste diese Antwort einfach der Droge zuschreiben. So emotionslos und kalt war er in der Vergangenheit selten gewesen. Er schien nicht mal darüber nachzudenken, was seine Worte anrichten konnten.

„Dann macht es dich doch sicherlich stolz, dass ich vom Besten gelernt habe. Denn auch ich habe ein Ultimatum für dich", antwortete ich, nachdem ich seine Worte für einen kurzen Augenblick sacken ließ. Unsere beider Aufmerksamkeit lag für einen kurzen Moment auf einem Typen, der an unseren Tisch trat und zuerst das leere Glas von Blake abräumte und dann das neue Glas mit seinem Drink abstellte.

„Jetzt bin ich aber gespannt. Lass hören", entgegnete er, nachdem der Kerl wieder verschwunden war und Blake seine volle Aufmerksamkeit zurück auf mich gerichtet hatte. Dabei griff er nach dem frischen Glas und schwenkte hörbar das Eis in seinem Drink. Der Ausdruck in seinem Gesicht war amüsiert. Dies schien wie ein Spiel für ihn zu sein, das er nicht verlieren konnte..

„Dein kleines Geschäft werde ich ab jetzt mit Theo alleine regeln. Er hat es lange Zeit für dich gemacht und weiß, wie es geht, also brauchst du keine Sorge haben, dass ich das Ding gegen die Wand fahre. Dafür will ich deinen manipulativen Arsch nicht länger in meiner Bar oder meinem Leben wissen, alles klar?", sagte ich, als ich sicher war, dass er mir wirklich zuhörte und verstand, was ich ihm damit mitteilen wollte.

„Netter Versuch, aber nein", sagte er noch immer mit diesem Lächeln auf seinen Lippen, bevor er an seinem Glas nippte. Seinen Arm legte er demonstrativ selbstsicher auf der Lehne des Polsters ab, auf dem er saß.

„Dann bin ich raus", antwortete ich kurz mit rauer Stimme und lehnte mich ebenfalls entspannt und selbstsicher zurück.Ich kannte Blake und wusste von Anfang an, dass es an diesen Punkt kommen würde. Aber das war okay, denn ich hatte gründlich über all das nachgedacht und war mir sicher in dem, was ich tat. Genauso gut wie er mich kannte, kannte ich auch ihn.

„Sollen wir die Sache wirklich nochmal durchkauen? Du weißt, was passiert, wenn du dich querstellst. Und so dumm bist du nicht", erwiderte er, nachdem er diese Worte offensichtlich durch seinen Kopf gehen ließ, was mir zeigte, dass es so angekommen war, wie ich es beabsichtigt hatte.

„Ja, ich weiß. Dann verliere ich die Bar. Du wirst immer deine Finger im Spiel haben, also ist es nicht mal meine Bar. Das wäre ein größerer Verlust für dich als für mich. Aber nur zu, lass es uns herausfinden", gab ich ernst wieder, ohne meinen Blick von seinem abzuwenden. Daraufhin griff ich in meine Hosentasche und zog meinen Schlüsselbund heraus, um den Schlüssel des Ladens davon zu lösen und ihn vor Blake auf den Tisch zu legen...

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt