41. Kapitel

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Sawyer {5 Jahre früher}

„Ich habe zu tun", sagte ich genervt mit kühler Stimme, als ich eine schwere Holzkiste mit Flaschen mit einem dumpfen Knall auf dem Tresen hinter der Bar abstellte, vor dem Blake stand und seinen ernsten Blick auf mich gerichtet hatte. Zwei Mal in weniger als 24 Stunden tauchte er hier auf. Das war schon fast rekordverdächtig...

„Hör mir für einen Moment zu, oder du hast hier in dem Laden ab sofort gar nichts mehr zu tun", drohte er, hörbar gereizt. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er mit der geballten Faust etwas auf den Tresen klopfte, woran ich merkte, dass er aufgebracht war. Währenddessen spürte ich seinen Blick auf mir, weshalb ich leicht seufzte und ihn ansah, um ihm zu signalisieren, dass meine volle Aufmerksamkeit nun auf ihm lag. „Was hast du zu Mavis gesagt?", fragte er.

„Zu Mavis? Deiner Freundin, die du zu mir geschickt hast, um mich davon zu überzeugen, in dein dreckiges Drogengeschäft mit einzusteigen? Warum fragst du das nicht sie?", stellte ich nun sarkastisch die Gegenfrage. Ich hatte schon vermutet, dass ihr gestriger Besuch etwas mit seinem erneuten Erscheinen hier zu tun hatte. Vielleicht auch genau deshalb, um zu überprüfen, ob sie eine Wirkung auf mich hatte.

„Das habe ich", entgegnete er knapp.

„Und warum bist du dann hier?", gab ich jetzt etwas verwundert wieder.

„Weil sie es mir nicht sagt und so tut, als wäre nichts gewesen. Aber ich kenne dich nun mal sehr gut, und ich weiß, dass du ein richtiges Arschloch sein kannst, wenn du willst", antwortete er und lehnte sich jetzt mit den Armen auf die Bar.

Ich musste mir eingestehen, dass es mich tatsächlich etwas überraschte, dass sie Blake anscheinend kein Wort über gestern gesagt hatte. Mein Bruder war ihr verfallen, und wenn sie wollte, könnte sie dies zu ihrem Vorteil nutzen. Wenn sie ihm von unserem kleinen Gespräch im Hinterzimmer erzählt hätte, wäre er womöglich ziemlich an die Decke gegangen.

„In der Sache hatte ich einen guten Lehrer", sagte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Flaschen in der Kiste, während ich sie nach und nach ausräumte.

Ich wusste nicht, was für ein Mensch ich heute wäre, wenn mich jemand anderes großgezogen hätte als mein Bruder. Er hatte mir schon früh beigebracht, wie man Menschen behandeln musste, damit diese einem Respekt entgegenbrachten. Dafür war es notwendig, hin und wieder unschöne Dinge zu sagen oder zu tun, die anderen schmerzen könnten. Auch wenn mir dies zu Beginn wahnsinnig schwerfiel, wurde es einfacher, je öfter ich es tat. Dazu gehörte auch, sich das im Leben zu nehmen, was man haben wollte, ohne Rücksicht auf Verluste. Exakt genau das, was Blake tat.

„Wie in vielen anderen Dingen auch, und schau dir an, wo du heute stehst. Also zeig mal etwas Dankbarkeit", gab er ernst zurück.

„Was ich besonders deutlich sehe, ist, dass du mich in etwas involvieren möchtest, in das ich nicht involviert werden will", entgegnete ich und stützte mich jetzt ebenfalls mit meinen Armen auf dem Tresen der Bar ab, während ich ihn wieder ansah. Ich spürte erneut die in mir aufkommende Wut wegen dieses Themas. Ich hasste nichts mehr als das.

„Weil du nur das Negative daran siehst und nicht das gute Leben, dass wir dadurch führen werden, Saw." Etwas fassungslos wirkend, schüttelte er jetzt seinen Kopf, als wäre es absurd, dass ich nicht nur den ganzen Glanz hinter all dem sah, sondern auch die schattigen und dunklen Seiten, die das, was wir hatten, mit einem Schlag zunichte machen konnten.

„Ich führe doch schon das Leben, das ich immer führen wollte. Mehr als das will ich nicht", antwortete ich und merkte, wie sich meine Stimme etwas erhob. Es fühlte sich an, als wäre es egal, was ich zu ihm sagen würde. Es käme niemals bei ihm an. Er hörte nur das, was er hören wollte, und dazu gehörten nicht meine Ansichten.

„Aber ich und dafür brauche ich dich. Genauso wie du mich früher gebraucht hast. Und darüber habe ich damals nicht eine Sekunde nachgedacht, weil es für mich selbstverständlich war", sagte er, nachdem er für einen Moment innegehalten hatte. Ich hätte wissen müssen, dass er irgendwann diese Schiene fahren würde. Ja, ich hatte ihn gebraucht, und ja, er war immer für mich da gewesen. Auch wenn ich wusste, dass er das gezielt einsetzte, um mich emotional zu manipulieren, konnte ich dagegen nichts tun. Er war mein Bruder, und das würde er für immer bleiben. Ich stand in seiner Schuld.

„Fine. Aber wenn wir fallen, dann fallen wir gemeinsam", antwortete ich nach einer Weile, in der mir etliche Gedanken durch den Kopf gegangen waren. Ich musste wohl oder übel darauf vertrauen, dass Blake wirklich wusste, was er tat, und uns keinem Risiko aussetzen würde. Denn falls doch, hätten wir beide verloren.

„So war es, und so wird es auch immer sein, Kleiner", entgegnete er, während sich ein siegessicheres Lächeln auf seine Lippen legte. Er wusste genau, dass er gewonnen und mich dazu bewegt hatte, die Sache mit ihm durchzuziehen. Dann wendete er sich von mir ab und lief mit gelassenem Schritt durch den leeren Laden auf die Tür zu. Als er an ihr angekommen war und sie geöffnet hatte, drehte er sich noch einmal zu mir um, weshalb ich meinen Blick wieder zu ihm richtete. „Kläre die Sache mit Mavis, egal was es ist. Ich kann es nicht gebrauchen, dass da etwas zwischen euch steht", sagte er wieder mit ernster Stimme. Dann wendete er sich erneut von mir ab und trat aus der Tür, sodass sie einen Augenblick später hinter ihm ins Schloss fiel..

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt