7. Kapitel

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Blake {16 Jahre früher}

„Saw." stellte ich überrascht fest, als ich meinen kleinen Bruder vor der Tür stehen sah. Er trug nur seinen Schlafanzug mit einem halb verwaschenen Bild von Lightning McQueen darauf. Es war fast Mitternacht, weshalb es mich so verwunderte, dass er hier war. Seine Augen waren ganz rot und mit Tränen gefüllt als er zu mir aufblickte. Ich schaute an ihm vorbei um zu sehen, ob unsere Mutter ihn vielleicht abgesetzt hatte aber er war alleine hier. Augenblicklich machte er einige Schritt auf mich zu und umklammerte mich. Er schluchzte in mein T-Shirt.

„Was ist passiert?" fragte ich und umgriff seine Oberarme um ihn von mir zu lösen. Nun kniete ich mich zu ihm nach unten und sah ihn an. Mit meiner Hand strich ich ihm durch sein zerzaustes Haare wodurch ich einen großen, geschwollenen, blauen Fleck an seiner Stirn entdeckte.

„Sie haben wieder gestritten und ich wollte Mama helfen. Wie du gesagt hast." antwortete er. In diesem Moment kullerte eine dicke Träne aus seinem Auge und bahnte sich den Weg an seiner Wange entlang. Bevor sie unten ankam, wischte ich sie weg. Auch ohne, dass er weiter redete, wusste ich was passiert war und ich spürte deutlich die in mir aufsteigende Wut. Jetzt war es genug. Ich konnte nicht weiter mit ansehen, was ihm passierte, nur weil unsere Mutter es nicht schaffte ihn zu schützen.

„Komm." Ich schloss die Tür, nahm ihn an der Hand und zog ihn mit mir ins Wohnzimmer, wo ich ihn auf die Couch setzte. Ich griff nach einer Decke die über den Rand des Sofas hing und legte sie ihm über die Schultern, damit sie ihn wärmte. „Du bleibst hier und schaust fern, okay? Ich werde nach Mama sehen." erklärte ich, während ich den Fernseher an schaltete und die Fernbedienung auf den Tisch vor ihn legte woraufhin er stumm nickte.


-


Als ich damals von zuhause ausgezogen war, wusste ich dass unser Vater Sawyer nicht verschonen würde, weshalb ich einen der Ersatz-Haustürschlüssel mitnahm. Ich wollte die Möglichkeit haben ihn jeder zeit dort rausholen zu können. Ich wollte für den Notfall vorbeteitet sein. Er hatte Glück dass er es aus dem Haus geschafft hatte und zu mir gekommen war. Es überraschte mich etwas dass meine Mutter nie etwas wegen dem Schlüssel sagte. Ich wusste dass sie wusste dass ich ihn mitgenommen hatte.

Für einen kurzen Moment lauschte ich, als ich vor der geschlossenen Haustür stand. Es herrschte Totenstille. Durch die Fenster welche zur Straße hin lagen, sah ich kein Licht brennen. Es wirkte so als wäre keiner Zuhause. Möglicherweise um keine Aufmerksamkeit zu erregen. So leise wie möglich steckte ich den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Als ich im Flur stand und sie hinter mir geschlossen hatte, bemerkte ich wie ein schmaler Strahl an Licht aus dem Wohnzimmer fiel, welches sich am Ende des Flures, hinter der Treppe befand. Mit leisen Schritten lief ich durch den dunklen Flur und näherte mich dem Wohnzimmer. Je näher ich kam, desto deutlicher vernahm ich das wimmern meiner Mutter.

Als ich am Türrahmen angekommen war und meinen Blick in das Wohnzimmer richtete, drehte sich mein Magen um. Ich befürchtete, dass ich gleich auf der Stelle kotzen müsste. Auf dem Boden lag Besteck, ein zerbrochener Teller und Reste von Essen sowie ein paar Zeitschriften. Man konnte sehen, dass ein Streit stattgefunden hatte. Am Rand, neben der Heizung kauerte meine Mutter. Sie hatte in der gesamten Ehe schon einiges aushalten müssen aber noch nie zuvor wurde sie derart zugerichtet. Ich wusste nicht, wie es möglich war dass sie das überlebt hatte. In ihrer Hand hielt sie eine leere Flasche. Vor ihr auf dem Boden, mitten im Raum, lag mein Vater. Er regte sich nicht.

„B-Blake." Ihre Stimme zitterte stark, als sie meinen Namen sagte, nachdem sie mich erblickt hatte.

„Ist er tot?" fragte ich, nachdem ich ihn für einen Moment betrachtet hatte. Meine Stimme war überraschend klar.

„Ich weiß es nicht." Ihr verweinter Blick legte sich zurück auf ihren Mann. Es lagen so viele Emotionen in ihrer Stimme. Angst, Verzweiflung, Scham, Trauer.

Vorsichtig näherte ich mich ihm und beugte mich hinunter. Ich konnte deutlich seinen nach Alkohol stinkenden Atem riechen und hören. Auch konnte ich sehen wie sich sein Brustkorb abwechseln hob und wieder sank. „Er lebt noch." stellte ich fest und richtete meinen Blick jetzt wieder auf meine Mutter. Innerhalb einer Sekunde, als diese Worte meinen Mund verlassen hatten, erkannte ich die wieder in ihr aufsteigende Angst. Es war nicht zu übersehen, dass sie gehofft hatte, dass er tot war.

Für einen Moment sah ich mich im Raum um und erblickte eine Stoff Serviette die auf dem Couchtisch lag. Ich griff danach und ging dann auf meine Mutter zu. Ich kniete mich zu ihr auf den Boden und sah sie an. „Du wirst sagen, dass es Notwehr war. Er hätte dich sonst umgebracht." sagte ich eindringlich und umfasste mit der Serviette die Flasche die sie in ihrer Hand hielt. Ich wusste, dass ihr zugerichtetes Gesicht bewies was hier passiert war. Sie hatte sich versucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu schützen, wobei er ums Leben kam.

„Nein." hauchte sie und legte ihre zitternde Hand um meinen Arm. Sie wollte mich davon abhalten.

Ich löste ihren Griff, richtete mich auf und sah ernst zu ihr hinunter. „Er wird es wieder tun und irgendwann hört er nicht mehr auf." sagte ich eindringlich. Es gab nur diese eine Chance. Ich tat das nicht für sie. Sie hatte es verdient von ihm erschlagen zu werden weil sie eine jämmerliche Mutter war. Ich tat es für Sawyer. Ich würde dafür sorgen, dass er sicher war und ihm nie wieder etwas dergleichen widerfahren musste.

Meinen Blick richtete ich jetzt wieder auf den vor mir am Boden liegenden, bewusstlosen Mann. Für eine Sekunde hielt ich inne aber schlug dann zu. 1 mal.. 2 mal.. 3 mal.. 4 mal..  immer weiter und weiter. Bis ich hörte wie die Knochen in seinem Gesicht zersplitterten. Bis seine Zähne von dem dicken Glas der Flasche zertrümmert wurden. Bis ich sah, wie sein Haut an der Stirn, den Wangen und dem Kinn unter der Wucht aufplatze und sein Blut in mein Gesicht spritzte. Solange bis er endlich aufhörte zu atmen..

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt