35. Kapitel

1.5K 57 4
                                    


Die Gedanken, die mir über Sawyer und diese Bar gekommen waren, kreisten unentwegt in meinem Kopf. Betrieb er tatsächlich Geldwäsche oder gab es eine ganz andere, logische Erklärung für all das? Mir war klar, dass ich ihn darauf ansprechen musste, wenn ich es wissen wollte. Trotz des in mir ausgelösten Unbehagens wegen dieser Vermutung und obwohl wir uns auf vielen zwischenmenschlichen Ebenen fremd waren, sagte mir mein Gefühl, dass er keine Person war, vor der ich mich fürchten musste, auch wenn sich diese Vermutung bestätigen sollte. Trotz der einigen unschönen Seiten, die er zu Beginn von sich preisgegeben hatte, wirkte er im Gegensatz zu seinem Bruder harmlos. Mir wurde immer bewusster, was Theo damals meinte, als er ihn als den Netteren von beiden beschrieb. Es wirkte so, als wäre er so, wie er ist, aufgrund seiner menschlichen Züge und nicht wegen eines Mangels dieser, wie es bei seinem Bruder möglicherweise der Fall war.

Die Zeit, in der ich in diesem Raum wartete, fühlte sich wie eine Ewigkeit an, obwohl es sich dabei nur um eine kurze halbe Stunde handelte. Nach einer Weile, in der ich alles in diesem Zimmer beäugt hatte, um mich von meinen Gedanken abzulenken, vernahm ich feste Schritte aus dem Flur, die sich der Tür näherten. Ich lehnte an dem hölzernen Bartresen und hatte meinen Blick nun in die Richtung der Tür gerichtet. Ich fühlte mich wieder komplett nüchtern und konnte spüren, wie mein Herzschlag stark gegen meine Brust hämmerte, als ich sah, wie sich die Tür langsam öffnete. In ihrem Türrahmen stand Sawyer, dessen Blick sofort meinen traf. Es war dermaßen frustrierend, nicht zu wissen, was durch seinen Kopf ging. Er besaß ein beeindruckendes Pokerface, das jegliche seiner Emotionen verbergen konnte. Dies hatte ich schon einige Male zuvor feststellen müssen.

„W-Wo ist dein Bruder?", fragte ich, um die herrschende Stille zwischen uns zu durchbrechen, da er es nicht tat. Dabei löste ich meinen Blick von seinem und richtete ihn kurz auf den Boden vor mir.

„Er ist gegangen", antwortete er mit gewohnt rauer Stimme, weshalb ich wieder zu ihm aufsah. Jetzt trat er in den Raum hinein, schloss die Tür hinter sich und kam mit gelassen wirkendem Schritt auf den Bartresen zu, an dem ich stand. Ich merkte, dass seine ruhige Art den gegenteiligen Effekt auf mich hatte. Es beunruhigte mich, dass er so ruhig war. Schließlich gab es keinen Grund dazu. Ich war an seinem Geburtstag betrunken in seine Bar gekommen, obwohl wir uns darauf geeinigt hatten, dass wir uns nicht mehr wiedersehen würden. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hatte ich seinen Bruder auf die Palme gebracht, was womöglich zusätzlich Schwierigkeiten zwischen den beiden verursacht haben könnte.

„Ich wäre nicht hier, wenn ich gewusst hätte...", fing ich an zu sprechen, um ihm mitzuteilen, wie sehr ich diese Situation bedauerte. Aber bevor ich meinen Satz zu Ende bringen konnte, wurde ich von ihm unterbrochen.

„Warum bist du überhaupt hier?" fragte er und sah zwischen meinen Augen hin und her.

„Ich wollte nur einen Drink", log ich wieder, nachdem ich für eine Weile geschwiegen hatte. Die Art, wie er mich ansah, machte deutlich, dass er genau wusste, warum ich hier war. Wir beide wussten, dass es nicht wegen des Drinks war. Und trotzdem sprach ich es nicht aus. Keiner von uns beiden tat das.

Verstehend nickte Sawyer langsam mit dem Kopf und löste seinen Blick jetzt von meinen Augen, um ihn für einen Moment auf die Höhe meines Wangenknochens zu richten. „Blake hat dich ganz schön erwischt. Da muss was drauf", sagte er und deutete auf die noch immer schmerzende und mittlerweile pulsierende Stelle in meinem Gesicht. Instinktiv fuhr ich mit meinem Finger zu besagter Stelle wo ich eine kleine Wunde spüren konnte. Anscheinend hatte mich der Ring verletzt, den Blake trug.

„Ist halb so schlimm", entgegnete ich kopfschüttelnd und löste meinen Blick erneut von ihm.

„Hast du schon wieder etwas genommen oder bist du einfach lebensmüde, dass du dich mit meinem Bruder anlegst?" fragte er und ignorierte meine Aussage. Dann machte er ein paar Schritte zur Seite, öffnete einen Schrank und nahm einen kleinen Verbandskasten heraus, den er vor sich auf die Theke stellte.

Between Tears and Whisky SourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt