Ben Ramirez

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Mein Name ist Ben Ramirez und das ist meine Geschichte...

Wann ich das erste Mal eine Waffe in den Händen hielt? Ich erinnere mich nicht mehr. Wann ich das erste Mal in eine Schlägerei geraten war? Ich erinnere mich nicht mehr. 

Ich erinnere mich kaum an etwas, das passiert war bevor ich Maria kennenlernte. 

Schon von klein auf war mir bewusst, dass ich anders aufwuchs als alle anderen. Doch das war nicht schlimm, denn ich hatte viele Freunde und meinen Bruder, die auch anders aufwuchsen. Ich war nie alleine und mir fehlte es auch an nichts, doch trotzdem gab es von anderen immer diese Blicke. Diese Blicke, die mir sagten, ich wäre weniger wert.

Das brachte mich dazu, mich schon früh zu isolieren. Anstatt mit meinen Mitschülern am Nachmittag zum Fußballtraining zu gehen, liefen mein Bruder Lio und ich um den Block und verkauften kleine Tütchen. Ich wusste erst, was es war, als ich es probierte. Damals war ich 12 Jahre alt. 

So ging es immer weiter. Ich fing an die Schule zu schwänzen und Lio erpresste mich: Ich musste meinen Abschluss machen, sonst würde er nicht zulassen, dass er und ich die gleiche Stellung besaßen. Also ging ich hin, manchmal regelmäßig und manchmal nicht. Das gute war, dass ich nie viel lernen brauchte, um gute Noten zu schreiben. Irgendwann wurde es schwieriger für mich, bei manchen Unterrichtsfächern überhaupt zu erscheinen. Ohne Anwesenheit durfte ich die Prüfungen nicht schreiben und Lio bestand darauf, dass ich zwei Fächer wiederholte. 

Mit mieser Laune ging ich in den Klassenraum, setzte mich auf den Platz in der hintersten Ecke und als ich das nächste Mal von meinem Handy hochschaute, stand dort Maria. 

Bei Gott, ich hatte es dieser Frau nicht leicht gemacht. Ich war von der ersten Sekunde an verknallt in sie und das brachte alles durcheinander. Ich wollte doch nur meine Zeit absitzen und endlich raus aus dieser Schule. Doch dieses nervige, süße Mädchen ließ mich nicht los.

Ich stieß sie von mir, zog sie wieder zu mir, weil ich merkte, dass ich sie nicht vergessen konnte. Ich war überfordert mit mir selbst und verletzte sie  - aber am allermeisten verletzte ich damit mich. Mir wurde bewusst, dass ich sie schon durch meine Mauern gelassen hatte, ob ich wollte oder nicht. 

Meine größte Angst ging schneller in Erfüllung als ich dachte: Ich zog Maria in dieses Leben rein. Sie war in Lebensgefahr - wegen mir. Sie weinte oft - wegen mir. Sie verlor unser gemeinsames Baby - wegen mir. 

In den fünf Jahren, in denen wir keinen Kontakt hatten, verging nicht ein Tag, an dem ich nicht an sie dachte. Mit ihr war auch etwas von mir gegangen. Ich versuchte, irgendwie ein besserer und geordneter Mensch zu werden, doch das ging nicht ohne sie. Auf der anderen Seite war ich froh, dass sie weg war. Ich musste keine Angst mehr haben, dass ihr jemand weh tun würde. 

Als ich sie dann das erste Mal wieder sah, war mir klar: Ich hatte mich selbst belogen. Es war, als wäre ich auf Entzug gewesen und plötzlich stand meine Droge wieder vor mir und schien schöner als je zuvor. Ich konnte nicht anders, ich musste den Kontakt wieder herstellen. 

Und Maria kam genau zu dem richtigen Zeitpunkt wieder in mein Leben. Ich dachte, ich hätte mich schon längst dafür entschieden, so zu leben, wie ich es eben tat, aber der Scheidepunkt war ein ganz anderer: Der Tag, an dem ich beinahe jemanden erschossen hätte. David und Maria haben mich in letzter Sekunde gerettet. 

Das neue Leben in Seattle hat mir eine Menge Probleme bereitet. Von einem auf den anderen Tag sollte ich normal sein, doch das war ich einfach nicht. Ich musste akzeptieren, wie sehr ich an mir arbeiten musste. Wir stritten uns oft, weil ich impulsiv war und diese Wut, die mein Leben lang in mir gesteckt hatte, nicht so schnell verschwand, wie ich es mir erhofft hatte. 

Eines Abends saßen Maria und ich bei einem gemeinsamen Abendessen und sie gab mir zwei kleine Geschenkschachteln. Ich öffnete die eine, in der ein kleiner Strampler war, auf dem Stand: Mein Dad ist mein Superheld. In der zweiten war wieder einer auf dem Stand: Meiner auch. Sie war schwanger und wir sollten zwei wundervolle Jungs bekommen. Zu der Zeit ging es mir schon besser, aber es gab mir den letzten Arschtritt, den ich gebraucht hatte. 

Trotz allem, was ich bereits erlebt hatte, war die Geburt der schwierigste Tag in meinem Leben. Meine Frau litt enorm und ich konnte nichts tun, außer ihre Hand halten. Die Schmerzen, die sie hatte und gegen die sie ankämpfte, hätte ich nie aushalten können. Ich dachte daran, dass sie das alles wegen mir aushalten musste. Das war meine Strafe. Gerade als ich den richtigen Weg fand, sollte mir das weggenommen werden, was ich über alles liebte. 

Ich sprach ein Gebet, dass ich alles dafür tun würde, um dieser Familie gerecht zu werden. Dass ich sie ernähren würde, dass ich ein guter Vater sein würde und der beste Mann für meine Frau. Und kurz darauf wurde ihr Zustand stabil. So stabil, dass sie Lio und David holen konnten. Wir benannten sie nach meinem Bruder, der alles dafür getan hatte, dass ich den Bezug zur Realität nicht verliere und meinem Retter David. 

Ich nutzte meinen Kopf endlich für die richtigen Dinge und baute zwei Unternehmen auf. Einmal mit unseren Freunden einen normalen Gebrauchtwagen An- und Verkauf und einmal einen Handel für Luxuswagen, auf den ich mich später spezialisierte. 

Maria schwärmte heimlich von einer weißen Stadtvilla mit Pool und dass ich ihr diesen Traum erfüllen konnte, war alles für mich. Sie konnte zu Hause bei den Jungs bleiben, so wie sie es wollte, und ich verkaufte die schönsten Autos der Stadt. 

Die Jungs kamen ehrlicherweise sehr nach mir. Sie waren kleine Teufel - süß, intelligent und liebevoll, aber trotzdem kleine Teufel. So oft saßen wir in der Schule vor ihren Lehrern, die mich abschätzig wegen meiner Tattoos ansahen und hauptsächlich nur mit Maria sprechen wollten. Ich musste mich zusammenreißen in dieser Atmosphäre nicht wieder in alte Muster zu verfallen. 

Doch sie wurden größer, fast erwachsen und ich war unendlich stolz auf sie. Meine Jungs waren erfolgreich in der Schule, erfolgreich im Sport und erfolgreich bei den Mädels. Ich weiß noch, wie aufgeregt Maria war, als David seine erste Freundin mit nach Hause brachte. 

An einem Muttertag überraschten wir Maria mit 59 roten Rosen. Der Muttertag war mir besonders wichtig. Diese Frau hatte mich zu einem Vater gemacht, zu einem besseren Menschen und nach dem, was sie bei der Geburt geleistet hatte, fühlte ich mich wie ein schwacher Idiot. Ich wollte, dass die Jungs ihr genauso die Welt zu Füßen legten, wie ich. 

Kurze Zeit später ging es meiner Frau nicht gut. Sie war sehr müde, ihr Kopf tat weh, sie bekam schlecht Luft. Die Ärzte wussten nicht, was es war. Und ehe ich das alles realisieren konnte, waren wir auf der Intensivstation. David und Lio weinten, ich war so geschockt, dass ich es nicht konnte. Maria an den ganzen Schläuchen zu sehen, war unerträglich. 

Meine Jungs, ich liebe euch... 

Das waren ihre letzten Worte. Das letzte Mal, dass sie all ihre Kraft sammelte, um ihren Kopf in unsere Richtung zu drehen. 

Die Liebe meines Lebens, mein Engel auf Erden, sollte von nun an nicht mehr an meiner Seite sein. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt