Kapitel 48

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(Maggy)

Eine Weile stehen wir so im Hotelzimmer.  "Was ist passiert?", frage ich leise und streiche ihm über die Wange. Er nimmt meine Hand und zieht mich mit sich. Wir setzen uns an den Bettrand und nachdem er ein paar mal durchgeatmet hat, räuspert er sich. "Wir wurden eben von Leuten verfolgt, mit denen ich heute einen Termin hatte. Mein Onkel hat seit einiger Zeit Probleme mit denen. Es geht sogar so weit, dass sie androhen, nach Seattle zu kommen. Ich wollte das mit ihnen klären, doch das eben war ihre Antwort.", seufzt er. 

Nachdenklich schaut er auf unsere verschränkten Hände. "Wir haben ihnen eine Falle gestellt. Wir waren in der Überzahl, doch anstatt sich einfach zurückzuziehen, haben sie versucht Pepe und mich anzugreifen." Ich schaue auf sein blaues Auge. "Keine Sorge, das tut kaum weh. Dafür, dass drei Leute auf mich los sind, sehe ich noch ganz gut aus", versucht er zu scherzen, doch bei dem Gedanken, was dabei hätte passieren können, wird mir schlecht. "Wie seid ihr da wieder rausgekommen?" Er fährt sich mit der Zunge nachdenklich über die Lippen. "Vertraust du mir?" Ich nicke. Er greift in seine Jacke, während sein Blick nicht von mir weicht. 

 Mit weit aufgerissenen Augen beobachte ich, wie er eine Waffe aus der Tasche zieht.  

"Hast du...?", ich traue mich gar nicht, die Frage auszusprechen. Er schüttelt den Kopf. "Manchmal reicht auch schon eine Drohung." Er entlädt die Waffe, steckt die Munition in seine Jacke und legt sie in in eine Schublade. "Mit der muss ich rumlaufen, wenn ich hier bin. In Seattle brauchen wir sowas nicht... noch nicht" Die letzten beiden Worte murmelt er vor sich hin.

"Was meinst du damit?" 

"Wenn wir das Problem nicht bald in den Griff kriegen, werden sie nach Seattle kommen" Mit zusammengepressten Lippen starrt er auf den Boden des Hotelzimmers.

Kurz darauf packe ich unsere Koffer. Ben wollte, dass wir sofort zurück nach Seattle kommen und hat unseren Flug umgebucht. Vor dem Hotel stehen zwei Männer und bewachen den Eingang. 

"Hast du alles?" Ich schließe gerade den zweiten Koffer. "Wir können los", antworte ich. "Es tut mir Leid, dass dieser Ausflug so endet.", seufzt er und nimmt die zwei Koffer. Dann werden wir von einem Mann gefahren, den ich nicht kenne und von dem ich auch nicht erfahre, wie er heißt. Am Flughafen haben wir kaum Zeit durch die Sicherheitskontrolle zu gehen und als wir im Flugzeug sitzen, spüre ich Erleichterung. Hier waren wir sicher, vor allem war Lio hier sicher. 

Als das Flugzeug startet, frage ich mich, wie lange er und seine Familie noch in Seattle sicher sein werden... 

Den Flug über ist Lio in Gedanken. Er betrachtet mich immer wieder, ich kann nicht sagen ob bewusst oder unterbewusst. Ich starre die meiste Zeit aus dem Fenster, versuche alles, was heute passiert ist, Revue passieren zu lassen. Übermorgen würde ich mit Jona wieder in unserem Zimmer auf dem Campus sitzen und sie würde fragen, wie diese Geschäftsreise war... Kleinere Notlügen hatte ich bisher immer als okay empfunden, aber wie sollte ich das hier verpacken? 

Als wir landen, ist es bereits Mitternacht. Mein Körper fühlt sich müde und erschöpft an. "Wir werden heute bei meinem Vater übernachten", sagt Lio und sucht am Ausgang nach einem Taxi. "Okay", sage ich leise und trotte ihm hinter her. Im Taxi lege ich meinen Kopf an seine Brust und er streicht mir sanft durchs Haar. Mit der anderen Hand tippt er die in sein Handy. "Bist du müde?", fragt er. "Nur ein wenig erschöpft" 

Wir brauchen nicht zu klingeln, Ben steht bereit und öffnet uns sofort die Tür. Es ist nach Mitternacht, doch er trägt immer noch einen Anzug. "Geht es dir gut?", fragt er mich. Es ist immer noch komisch für mich, dass er nicht nur dieser CEO, sondern auch der Vater meines Freundes ist, der mich gerade besorgt anschaut. "Ja, alles gut", antworte ich. Lio bringt unsere Sachen in das Gästezimmer und als ich das Wohnzimmer betrete, kommt Esel mir entgegen. Ich setze mich auf einen Sessel vorm Kamin und streichle diesen riesigen schläfrigen Hund. 

"Lio und ich haben heute noch einiges zu tun", seufzt Ben. "Es tut mir Leid, dass ich euch so schnell nach Hause holen musste" Ich atme schwer aus. "Ich bin einfach froh, dass es Lio gut geht" Er nickt nachdenklich. "Du hast Melinda heute kennengelernt, richtig?" "Ja, sie ist wunderbar", lächle ich matt. "Das ist sie. Eine zähe, ziemlich schlaue Frau", schwelgt er in Erinnerung. "Sie hat mir viele Fotos von früher gezeigt" 

"Melinda hatte früher immer viel zu viel Verständnis für mich", lacht er. "Oder es war genau richtig", erwidere ich, was Ben zum Schmunzeln bringt.

"Sollen wir?", fragt Lio als er das Wohnzimmer betritt. Er betrachtet Esel und mich, dann wandert sein Blick zu seinem Vater. 

"Ja, ich bereite eben alles vor" Ben zwinkert mir zu und verlässt das Wohnzimmer. Lio kommt zu mir, streicht über Esels Kopf und hockt sich vor mich. "Ich muss dich leider nochmal alleine lassen" Er nimmt meine Hand in seine und ich spüre die Wärme, die von ihm ausgeht. "Ich weiß, alles gut", antworte ich. 

"Bleib bitte im Gästezimmer und ruhe dich aus, okay?" Ich nicke. "Versprochen?" "Versprochen" Dann küsst er liebevoll meinen Handrücken, sucht den Blickkontakt zu mir, während er sich wieder erhebt und lässt meine Hand erst los, als er sich umdreht. 

Das Gästezimmer hat ein eigenes Bad und sieht viel luxuriöser aus als das Hotelzimmer in Oakland. Nach einer warmen Dusche lege ich mich in das riesige Bett und schalte den nächstbesten Film ein. Von Lio und seinem Vater bekomme ich nichts mit. Das Haus ist so leise, als wäre niemand dort.  

Erst als es langsam wieder hell wird, schleicht Lio sich herein.

Ich bekomme im Halbschlaf mit, wie er sich zu mir legt und an mich kuschelt. "Ist alles gut?", flüstere ich müde. "Jetzt ja", antwortet er und küsst meinen Nacken. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt