Kapitel 74

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(Lio)

"Hey Liebes", begrüßt Nate sie und bleibt in einem sicheren Abstand zu ihr stehen. Niemand außer Anna und Jona darf sie berühren... und außer mir. 

Bei dem Gedanken huscht ein kurzes Lächeln über meine Lippen. 

"Es riecht verdammt gut hier drin", schwärmt Pepe, der sich schon auf den Weg in die Küche gemacht hat. Als er eine Gabel aus dem Fach holt und anfängt, in den Nudeln herumzustochern, lacht Magdalena laut los. 

"Kommst du nicht gerade erst von einer Trauerfeier, auf der es ein Buffet gab?", fragt sie und legt den Kopf schief. 

"Ja, aber es gab keine Pasta", antwortet er mit halb vollem Mund. 

Dieser Idiot fühlt sich hier wirklich zu wohl. 

Während ich die Getränkewünsche, die allesamt Gin beinhalten, vorbereite, machen es sich die anderen auf der Couch bequem. 

Magdalena setzt sich auf den Sessel gegenüber und zieht ihre Beine an. Auch wenn ich mit dem Rücken zu ihr stehe, kann ich ihren verstohlenen Blick spüren. 

Meine Cousins berichten auf Magdalenas Wunsch von der Trauerfeier, doch glücklicherweise halten sie sich dabei sehr knapp. Ich will nicht, dass sie Schuldgefühle bekommt, weil wir nicht da waren. 

Selbst wenn sie hätte hingehen wollen, ich hätte es nicht geschafft. 

Im Laufe des Abends erkenne ich, wieso sie sich so gerne mit ihnen umgibt. Vielleicht tun sie nur, aber es scheint als würden sie vergessen, was passiert ist. Sie sind so aufgedreht wie eh und je, ihre Sprüche zielen in jede Richtung und Magdalenas Augen leuchten. 

Ich kann ihr diese Leichtigkeit gerade nicht geben. 

Die Türklingel reißt mich aus meinen Gedanken. "Ich gehe schon", murmle ich und erhebe mich von meinem Platz. 

David und Anna, die das Haus nach der Party noch aufgeräumt haben, stehen müde und zufrieden vor der Tür. 

"Hey", begrüße ich sie und umarme Anna. 

David läuft vor in das Wohnzimmer, während ich Anna ihren Mantel abnehme. "Wie geht es euch?", flüstert sie mir zu. 

"Besser", antworte ich ehrlich. "Und sie hat vorhin tief und fest geschlafen" Ich kann mir ein weiteres Lächeln nicht verkneifen. Auch Anna verzieht ihre Mundwinkel, nimmt meine Hand in ihre. "Du machst das gut, Lio", sagt sie sanft, was ich mit einem leichten Nicken beantworte. 

Es ist weit nach Mitternacht, als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue. 

Ich lasse meinen Blick über die Runde schweifen, David erzählt gerade etwas aus seinem letzten Urlaub, und etwas in meiner Brust zieht sich zusammen. 

Dankbarkeit für diese Menschen, die versammelt in meinem Wohnzimmer sitzen, vermischt sich mit tiefer Trauer über alles, was geschehen ist. 

"Ich denke, wir werden gleich aufbrechen", sagt David und gähnt in seine Hand. "Gute Idee", bestätigt Anna, die müde ihre Augen schließt. 

Die Stimmung verändert sich schlagartig. Jeder von uns weiß, dass wenn wir auseinander gehen, der Tag endgültig beendet ist. Magdalena zieht nachdenklich ihre Lippe ein, starrt auf den Couchtisch vor sich und Nate beißt sich auf die Unterlippe. 

"Es ist komisch, oder nicht?", bricht Pepe die Stimmung. "Wenn wir morgen aufwachen, werden wir größtenteils einfach wieder in unserem Alltag leben."

Alle nicken stumm. Ich weiß nicht, ob mein Alltag jemals wieder so werden wird, wie er war, doch eigentlich ist das auch gut so. 

"Was wird mit dem Haus passieren?", fragt Nate vorsichtig. 

Unruhig rutsche ich auf meinem Platz hin und her. "Wir werden es verkaufen", verkünde ich wehmütig. 

David und ich haben lange darüber gesprochen. Keiner von uns kann und möchte das Haus behalten, egal wie viele schöne Kindheitserinnerungen dort entstanden sind. 

Für uns ist es nun das Haus, in dem unser Vater getötet wurde. Außerdem würde ich niemals von Magdalena verlangen, wieder einen Fuß dort hineinzusetzen. Niemals. 

"Ist wohl besser so", murmelt Pepe traurig. Auch er hängt an dem Haus, hat er doch fast jeden Sommer bei uns verbracht. 

Nach einer Weile des Schweigens brechen die vier auf. 

"Ihr wollt das Haus wirklich verkaufen?", höre ich Magdalena dicht hinter mir. 

Ich drehe mich um, schaue in ihre großen Augen. "Ja, wir wüssten nicht, was wir damit sonst machen sollen. Keiner von uns hat Lust, dort einzuziehen" Ihr Blick liegt nachdenklich auf meinem Gesicht. "Aber eure Erinnerungen... eure Mutter", flüstert sie traurig. 

Meine Hand findet automatisch die ihre und sie lässt es zu, dass ich sie an mich ziehe. Vorsichtig streiche ich ihr über die Wange, lege meine Hand an ihren unteren Rücken. 

"Wir brauchen kein Haus, um an unsere Mutter zu denken" Demonstrativ hebe ich meine Hand, auf der sich das Tattoo der Rose befindet. 

"Ich weiß", seufzt sie. "Es tut mir nur so Leid, dass für euch so plötzlich so ein riesiger Teil weg bricht. Ich weiß doch, wie wichtig euch das alles war"

Eine Träne rollt ihr über die Wange, die ich mit meinem Daumen auffange. "Ich denke es ist besser, nicht ewig an solchen Dingen zu hängen. Irgendwann muss man nach vorne blicken, oder nicht?"

Sie nickt. 

Dann fassen ihre Hände in meinen Nacken und ich spüre eine Welle der Erleichterung. Nichts würde ich gerade lieber tun, als sie zu küssen. Und ihr scheint es genau so zu gehen. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt