Lio - Trust my Destiny / Abgeschlossen

Kapitel 3

(Maggy)

"Und, wie war es? Hast du einen der Zwillinge gesehen?" Als ich nach Hause komme, steht Jona bereit, um mich zu verhören. "Nicht nur das, ich hab mit beiden Brüdern zusammen über mein Praktikum gesprochen und soll Ben Ramirez in den nächsten Wochen zuarbeiten" Mit großen Augen sieht sie mich an. Wir schmeißen uns auf ihr Bett und ich erzähle ihr von meinem ersten Arbeitstag. "Und sind sie wirklich so heiß, wie auf den Fotos?" "Ehrlich gesagt sind sie in echt sogar noch viel heißer", gebe ich zu. "Wahnsinn, Maggy. So lange sie dich nicht umbringen, entführen oder verkaufen ist dein Praktikum mit Abstand das beste!" Ich schubse sie leicht zur Seite,"Du bist doch bescheuert", und wir beide fangen an zu lachen. 

Am nächsten Tag kann ich mit meiner Ausweiskarte einfach an der gelangweilten Empfangsdame vorbei gehen und mache mich auf die Suche nach dem Fahrstuhl, der mich nicht dazu bringt, mich fast zu übergeben. Als ich den langen Flur durchquere, entdecke ich einen Fitnessraum für Mitarbeiter, einen Ruheraum und sogar einen Gebetsraum. Ich bin überrascht und begeistert, wie viel dieses Unternehmen für die eigenen Mitarbeiter tut. Wenn ich auf meinem Platz angekommen bin, muss ich mir sofort Notizen für meinen Bericht darüber machen. 

Ganz am Ende finde ich den Fahrstuhl. Auf der obersten Etage werde ich diesmal in der Nähe des Druckerraumes rausgelassen und muss mich neu orientieren. Als ich um die Ecke biege, stoße ich mit jemandem zusammen, der eine verdammt harte Brust hat. "Magdalena, was machst du denn hier?" Als ich hochschaue, sehe ich in die giftgrünen Augen von Lio. "Ich, ähm... Ich bin mit dem Fahrstuhl gefahren", stottere ich. "Hat David dir nicht den richtigen Fahrstuhl gezeigt?", fragt er irritiert, während er einen Stapel mit Briefen in der Hand hält. "Doch, aber ich habe Höhenangst und mir wird schlecht, wenn ich den anderen Aufzug nehme" Wieder fühle ich mich wie ein kleines Kind und ärgere mich darüber, dass ich so viel plappere. Er zieht seine linke Augenbraue in die Höhe. "So, so. Ich begleite dich zu deinem Platz" 

Mein Arbeitsplatz befindet sich in dem Großraumbüro in unmittelbarer Nähe zu Lios Büro - und damit auch zu dem von Ben Ramirez. Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, der viel zu niedrig eingestellt ist. Lio amüsiert sich mal wieder prächtig. 

Während ich mit dem Stuhl kämpfe, breitet er den Stapel Briefe vor mir aus. Als ich immer noch nicht klarkomme, beugt er sich vor, drückt einen Knopf und der Stuhl bewegt sich endlich nach oben. "Danke", sage ich verlegen. 

"Diese Briefe sind alle individuell. Ich möchte, dass du sie dir durchliest, auf Fehler achtest, die Adressen mit denen im System abgleichst und sie einpackst. Außerdem brauche ich dazu eine Liste mit den Investitionen der Adressaten und wie lange sie schon bei uns sind" Bevor ich starte, erklärt er mir in einem Schnelldurchlauf das System, dass ziemlich intuitiv ist. Er beugt sich dabei vor und ich kann sein unverkennbares Aftershave riechen. Die meisten finde ich schrecklich alkoholisch und bekomme morgens im Bus Kopfschmerzen von dem Geruch, aber er riecht angenehm, irgendwie fruchtig. Ich bemühe mich, mich auf die Erklärung und nicht auf den Geruch zu konzentrieren. 

"Alles klar?" Ich nicke. "Gut, dann komm einfach in mein Büro, wenn du fertig bist" "Okay." Er will gerade gehen, da stockt er noch einmal. "Trinkst du denn Tee oder nur Wasser?" Ich schmunzle. "Tee trinke ich" "Dann gibt es ja doch etwas, dass ich dir jetzt mitbringen kann." Wenige Minuten später steht ein Früchte-Vanille-Tee vor mir. 

Die ersten Aufgaben in Zusammenhang mit dem Brief sind überhaupt kein Problem für mich. Die Investitionen und Infos über die Adressaten herauszufinden schon eher. Dadurch, dass manche schon vor 20 Jahren eingestiegen sind, muss ich deren gesamte Akte durchgehen, damit ich nichts übersehe. Ich erstelle eine Excel-Tabelle. 

Nach drei Stunden bin ich fertig. Ich sende Lio die Tabelle per Mail, schnappe mir die Briefe und mache mich auf den Weg zu seinem Büro. Eigentlich möchte ich anklopfen, doch da alles aus Glas ist, kommt es mir komisch vor, meine Fingerknochen dort als Abdruck zu hinterlassen. Vorsichtig öffne ich die Tür und schaue rein. Er sitzt auf seinem Stuhl und telefoniert, trotzdem macht er eine Armbewegung, die sagt ich solle reinkommen. Stumm nehme ich auf der anderen Seite des Schreibtisches platz und warte ab. 

"Wenn es nicht anders geht, werde ich mich darum kümmern", sagt er. Lio sieht angespannt und konzentriert aus. Seine Augen starren in die Ferne. Er strahlt etwas gefährlicheres aus als David, auch wenn ich mir sicher bin, dass beide nicht lange fackeln würden, wenn es darauf ankommt. 

Er beendet das Telefonat und rückt näher an den Tisch heran. "Wie bist du vorangekommen?" Ich gebe ihm die Briefe und er öffnet die Excel-Tabelle. Ohne einen Ton von sich zu geben, schaut er sich genauestens an, was ich dort gemacht habe. "Mr. Smith ist aber bereits seit 18 Jahren bei uns", er schaut mir dabei direkt in die Augen. Mein Puls wird schneller. "Wirklich? Ich habe die Akte angesehen und..." "Es ist alles richtig, Magdalena. Lass dich nicht so leicht aus dem Konzept bringen" Wieder taucht dieses schiefe Lächeln auf seinem Gesicht auf. Er spielt mit mir. 

"Wunderbar. Dann kannst du jetzt in die Mittagspause gehen" Mit diesen Worten steht er auf, die Briefe in der Hand, und geht an mir vorbei. Ich stehe alleine in seinem Büro und frage mich, ob es an mir liegt oder er ein wenig merkwürdig ist. 

Lange traue ich mich nicht alleine in diesem Büro zu stehen, doch die Neugier überwältigt mich und ich schaue mich um. Auf dem Schreibtisch steht ein Bilderrahmen. Ich lehne mich so über den Tisch, dass ich das Bild erkennen kann. Es zeigt eine junge, hübsche Frau die am Meer steht und lächelt. Kurz denke ich, dass sie seine Freundin ist, doch sie sieht ihm sehr ähnlich und der Kleidungsstil ist etwas älter. Das Bild könnte seine Mutter sein, Maria Ramirez...