Kapitel 2

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(Maggy)

Mit einem schwarz-weiß karierten Bleistiftrock, einem roten Pullover, meinem schwarzen Mantel und hohen Schuhen lief ich die Treppen zu diesem eindrucksvollen Gebäude hoch. Ich war mit dem Bus hergefahren, was ungefähr 50 Minuten gedauert hatte. Es fühlte sich gar nicht schick an, wenn man in einem stickigen Bus zur Arbeit fuhr und versuchte, sich nicht in irgendwas undefinierbares zu setzen. 

Der Eingangsbereich hatte eine gigantische Fensterfront. Man konnte die Stockwerke hinauf gucken und überall wirbelten Leute umher. Ich drehte mich einmal im Kreis, als ich mir alles ansah. Dann ging ich zum Empfang. "Guten Morgen. Mein Name ist Magdalena Nowak. Ich beginne heute mein Praktikum hier" Die Empfangsdame sah mich mit ihren großen blauen Augen gelangweilt an. Sie tippte kurz an ihrem Computer herum und schüttelte den Kopf. "Ich kann hier nichts finden" Mein Puls beschleunigte sich sofort. Was sollte ich denn jetzt machen? "Ähm.. ich komme von der Uni. Meine Professorin müsste..." "Magdalena Nowak?" Eine dunkle Stimmte ertönte hinter mir und ich drehte mich erschrocken um. "Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken", lachte er. "Mein Name ist David Ramirez. Du beginnst heute dein Praktikum bei uns, richtig?" Wie ein kleines Schulkind nicke ich bloß. "Komm mit, wir setzen uns erstmal zusammen und reden darüber, was auf dich zukommt" Mit einer einladenden Armbewegung wies er mich an, ihm Richtung Aufzug zu folgen. 

Ich war froh, dass ich bereits Fotos von den Zwillingen gesehen hatte, denn sonst hätte ich mich vermutlich noch dümmer angestellt. Ich versuchte, ihn nicht anzustarren, doch seine freundliche Art stand in einem so starken Kontrast zu seiner Aura und seinem Aussehen, dass ich nicht anders konnte. 

Er drückte den Knopf für die oberste Etage. Der Aufzug bestand ebenfalls aus Glas und so konnte man jedes Stockwerk beobachten, durch das man fuhr. Da ich totale Höhenangst habe, machte sich ein unschönes Gefühl in meinem Magen breit. Ich hielt meine Hand auf meinen Bauch und starrte auf die Knöpfe. "Höhenangst?", fragte David schmunzelnd. "Ein wenig", flüsterte ich verlegen. "Es gibt auf der anderen Seite einen Fahrstuhl ohne Aussicht, vielleicht nimmst du dann lieber den" Und wie ich den anderen Aufzug nehmen werde...

Die Aussicht aus dem obersten Stock war der Wahnsinn, man konnte über die Stadt bis zum Wasser schauen. Die Büros waren durch Glasfronten voneinander getrennt, zwei davon durch Milchglas. An dem einen stand groß "Ben Ramirez". 

David führte mich in einen Besprechungsraum. "Möchtest du etwas trinken?" "Ein Glas Wasser wäre super" Er verschwand um die Ecke und kam wenige Minuten später mit einem Glas Wasser und einem Becher Kaffee in der Hand wieder. "Danke" Ich trank einen Schluck in der Hoffnung, danach besser sprechen zu können. Wieso hatte ich mir das selbst so klein geredet? Ich hätte mich trotzdem auch auf den Fall vorbereiten sollen, mit einem aus der Ramirez-Familie zu sprechen. 

"Mein Bruder Lio verspätet sich um wenige Minuten. Ich werde in den nächsten Wochen erst auf Geschäftsreise und dann im Urlaub sein. Wir sehen uns dann also ungefähr nach der Hälfte deines Praktikums. Ich dachte, es wäre also besser, wenn er dein Ansprechpartner wird." Ich rang mir ein Lächeln ab und überlegte kurz, ob ich nachfragen sollte, wohin es gehen würde. Doch das wäre vermutlich umprofessionell. 

"Ich freue mich schon darauf, drei Wochen am Strand von Mauritius zu liegen. Mein erster Urlaub seit zwei Jahren", erzählte er dann. David war wirklich super nett und es überforderte mich schon fast, wie selbstverständlich er mit mir sprach. 

"Langweilst du jetzt etwa schon die Praktikantin mit deinen Urlaubsgeschichten?" Die Tür ging auf und ein weiterer großer, breit gebauter, viel zu gut aussehender Typ im Anzug kam rein. Das war der Zwilling mit der Rose auf der Hand. Er lief um den Tisch zu mir und reichte mir die Hand. "Ich bin Lio" "Magdalena Nowak, aber alle nennen mich Maggy", stellte ich mich vor. "Warum? Magdalena ist ein toller Name", sagte Lio während er ohne mich anzusehen wieder um den Tisch lief. Ich wurde rot. "Will noch jemand Kaffee?" David hielt bloß seine Tasse in die Höhe. "Und du, Maggy Magdalena?" "Nein, danke. Ich bleibe bei Wasser." 

"Trinkst du etwa keinen Kaffee?", fragte er und war bereits fast wieder aus dem Büro gestürmt. "Doch, aber nicht so viel. Ich arbeite neben der Uni als Barista und irgendwann reicht einem der Geruch" Er verzog den Mund zu einem schrägen Lächeln und ging. Ich kam mir doof vor, dass ich das einfach so erzählt hatte, aber bei Lio wusste ich nicht, wie ich mich benehmen sollte. Mein erster Eindruck von ihm war ganz anders, als der von David. 

David wirkte ausgeglichen, freundlich und strukturiert. Lio kam zu spät, rannte direkt wieder aus dem Büro und forderte mich bereits in den ersten Sekunden heraus. Schade, dass der falsche Zwilling die nächsten Wochen auf Mauritius verbrachte. 

Als Lio zufrieden mit einem Kaffee in der Hand neben seinem Bruder Platz nahm, sprachen wir über mein Studium. Beide wollten hören, welche Fächer ich bereits belegt hatte, worin meine Stärken und meine Schwächen lagen. David hörte mir zu, nickte immer mal wieder und schrieb sich Dinge auf. Lio spielte an seiner Uhr herum, während er mich mit seinen Blicken durchbohrte. 

"Also gut...", begann David. "Wir werden dich erstmal in der Verwaltung einsetzen. Du arbeitest dann hier oben und wirst Lio und meinem Vater ein wenig zuarbeiten. Danach geht es für dich in die Buchhaltung, die sitzt ein Stockwerk unter uns und am Ende noch ins Marketing." 

Ich musste meine Freude darüber zügeln, dass er alle meine Wünsche einbrachte und mir wirklich zugehört hatte. "Das wäre toll, wirklich toll", sagte ich. Ich sah aus dem Augenwinkel, dass Lio meine Freude amüsierte und wurde direkt ganz klein auf meinem Platz. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt