Kapitel 37

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(Lio)

Nervös tippe ich auf meinem Lenkrad herum, während die Ampel einfach nicht auf grün springen möchte. Meine Gedanken sind unkontrollierbar. Immer wieder springen sie zwischen der Arbeit und Magdalena hin und her. Ich konnte genau sehen, wie sie mir vorhin am Liebsten all ihre Fragen gestellt hätte, doch sie hat sie für sich behalten... vorerst. Ich bin froh, dass sie das getan hat, allerdings weiß ich nicht, wie viel Geduld sie mit mir haben wird. 

Als ich an der Halle ankomme, sind die anderen schon da. "Also, was gibt es?", frage ich in die Runde. "Wieder ein Schiff mit neuer Ware", erklärt David ohne den Blick von der Palette abzuwenden. "Irgendwelche Hinweise?" Er schüttelt den Kopf. "Es ist nicht vermerkt worden, wer diese Platte abholen würde. Vermutlich wollten sie sie in der Hand einfach holen. Niemand würde sie als gestohlen melden" Diese Leute waren schlauer, als ich mir erhofft hatte. Und sie versuchten ihr Glück immer öfter... 

"Was sollen wir machen?", fragt Michael, ein alter Freund meines Vaters. "Wir werden die Palette genau da lagern, wo sie sein sollte und abwarten, wer sie sich holen will", sage ich konzentriert. "Und dann schauen wir mal, wer diese Leute sind" Ich werde nicht zulassen, dass diese beschissenen Drogen nach Seattle gelangen. "Wie viele Leute willst du dafür einbeziehen?", fragt David und schaut mir das erste Mal in die Augen. "Ich mache das alleine", sage ich entschlossen. 

"Auf keinen Fall, fünf Leute minimum", schnauzt mein Bruder mich an. Ich hatte mit Gegenwind gerechnet. "Michael und ich, das ist das Maximum." David will gerade erneut ansetzen, um mich zu nerven, doch das lasse ich nicht zu. "Sie werden merken, wenn sich hier drin so viele Leute aufhalten" Er wusste, dass ich recht habe, doch er hasste es, das zuzugeben. "Also schön, ich sage Vater Bescheid" Dann ging er mit finsterem Blick nach draußen und zückte sein Handy. 

Ich besprach mit Michael, welche Sicherheitsvorkehrungen wir einhalten sollten und ließen uns einen Plan dieser Lagerhalle zeigen. Zum Glück war der Inhaber des Logistik-Unternehmens direkt zu uns gekommen, um schlimmeres zu verhindern. Er zahlte zwar kein Geld an uns - noch nicht - doch das Unternehmen, mit dem er zusammen arbeitet, ist schon seit Jahren unter unserem Schutz. 

Als alles geklärt ist, verlasse ich die Halle. David steht immer noch draußen. Er war eingeschnappt und starrte Löcher in die Luft. "Was ist los, Brüderchen?", fragte ich belustigt, als ich auf ihn zu ging. "Du bist jetzt nicht mehr nur für dich selbst verantwortlich" Ich atmete schwer ein und wieder aus. Ich hatte keine Lust auf so ein Gespräch, denn es war mir durchaus bewusst. "Pass einfach auf dich auf. Ich habe manchmal das Gefühl, dass deine Aktionen waghalsiger werden", setzte er noch einen drauf. "Was erwartest du von mir? Ich werde das alles noch im nächsten Jahr übernehmen - und zwar alleine." Sollte ich das alles mit Zuckerwatte und Eiscreme lösen? "Ich weiß, aber wir sind ja trotzdem noch da und..." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, du wirst in nichts mehr involviert sein. Das war die Abmachung" Dafür machte ich das alles hier. 

"Dann habt ihr euch also vertragen?", fragte er nach Minuten der Stille. "Haben wir", sagte ich und unterdrückte ein Lächeln. "Schön, sie wird dir gut tun" Wenn er dachte, sie würde mich weich machen, dann hatte er sich geschnitten. Ganz im Gegenteil, nun ging es um viel mehr als nur um mich. Nun ging es darum, noch weniger Fehler zu machen. "Klar", sagte ich bloß. Ich brauchte ihn nur wenige Sekunden ansehen und wusste, woran er gerade dachte. Er war in Gedanken bei unserer Mutter. David war schon immer der sensiblere von uns beiden und fragte sich immer, was wäre, wenn sie hier wäre. Ich konnte diese Gedanken nicht ertragen. Ich war rationaler. Sie war eben nicht mehr hier und dieses *was wäre wenn* erschien mir wie selbst gewählte Folter. 

Ich wollte mich nicht mit ihm foltern, deshalb verabschiedete ich mich von ihm und ging zu meinem Auto. Ich hatte nur wenige Stunden Zeit, bis ich zusammen mit Michael die Lagerhalle überwachen würde, deshalb fuhr ich direkt zum Training. 

Als ich später unter der warmen Dusche stand, musste ich an letzte Nacht denken. Magdalena, wie sie nackt in meinem Bett liegt... Entweder ist sie mein Untergang oder ich bin ihrer. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt