(Maggy)
Was ich bei meinem Aktion gestern nicht bedacht hatte, war dass ich am nächsten Tag wieder zur Arbeit musste. Nach langem hin und her entschied ich mich dazu, mich per E-Mail krankzumelden. Das war definitiv nicht die feine Art, aber entweder wusste David bereits über diese Zwilling-Telepathie Bescheid oder Lio hatte ihn direkt nach meinem Abgang angerufen. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht stinksauer auf mich war und mich sofort rausschmeißen würde, denn das würde in meinem Praktikumsabschluss vermerkt werden. George rief ich an und hielt mir dabei die Nase zu. Er merkte an dass ich gar nicht gut klingen würde, also war ich wohl authentisch. Der leidende Tonfall fiel mir gerade auf jeden Fall nicht schwer.
Jona erzählte ich nur, dass Lio und ich uns böse gestritten hatten. Sie deckte mich mit Süßigkeiten und einer Flasche Wein ein, bevor sie zu ihrem Praktikum fuhr. „Wie kommst du um diese Uhrzeit an eine Flasche Wein?", fragte ich verwundert. „Ich habe meine Mittel und Wege", lächelte sie. Jona würde erst spät abends nach Hause kommen, denn anders als ich musste sie in der Woche und nach dem Praktikum noch als Aushilfe in einem Supermarkt arbeiten.
Den Tag verbrachte ich tatsächlich so, als wäre ich krank. Ich war es ja auch irgendwie, Liebeskummer fühlt sich nämlich genau so an. Ich schaute die Serie Inventing Anna zu Ende und brachte mich mit einem Weihnachtsfilm langsam in Feiertagslaune. Nach und nach aß ich die Schokolade, die Chips und ein paar Weingummi.
Die Stunden vergingen, so wie das Tageslicht. Als es schließlich dunkel wurde, klopfte es an der Tür. In Jogginghose und Hoodie öffnete ich vorsichtig die Tür und machte einen Satz zur Seite, als Lio vor mir stand. Er trug das gleiche wie ich, nur mit weniger Flecken und vermutlich viermal so teuer. „Hey", sagte er leise. „Hey?," fragte ich eher als dass ich es sagte. „Darf ich reinkommen?" Ich sah ihn an und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Plötzlich tauchte das Bild von ihm wieder auf, wie er sich gestern vor mir aufgebaut hat. Es ist nicht so, als hätte ich wirklich Angst vor ihm gehabt, aber dennoch war ich vorsichtig. „Ich möchte nur mit dir reden", sagt er und hebt beschwichtigend beide Hände in die Höhe. Ich öffne als Antwort die Tür komplett, sodass er das Zimmer betreten kann.
Er betrachtet das Chaos, das ich heute angerichtet habe. „Bist du wirklich krank?" fragt, während ich mich mit angewinkelten Beinen auf mein Bett setze. „Zumindest ist mir schlecht", antworte ich trocken. „Bei den ganzen Süßigkeiten ist das kein Wunder", stellt er fest.
„Was machst du hier?", frage ich und ziehe die Ärmel meines Hoodies über meine Hände. Er setzt sich auf meinen Schreibtischstuhl. „Erstmal wollte ich mich bedanken, dass du mir die Akte zurückgegeben hast, auch im Namen von David und meinem Vater. Du hättest uns damit ruinieren können." „Stand nicht auf meiner To-Do-Liste", antworte ich sarkastisch. Er nickt und presst seine Lippen fest aufeinander, um sich einen Spruch zu verdrücken. „Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, was du gesagt hast...." Er pausiert, um sich zu räuspern.
„Du hast recht. Ich kann dich entweder von mir wegstoßen oder dir die Wahrheit erzählen, aber beides sind gerade nicht die richtigen Optionen für mich." Ich spiele mit den Bändern meines Pullovers und reagiere nicht darauf. „Ich schaffe es noch nicht, dir die ganze Wahrheit zu sagen, aber ich will dir zumindest so viel erzählen, wie ich kann" Er sieht mich aufrichtig durch seine grünen, traurigen Augen an. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er sich für diese Variante entscheidet, auch wenn ich es gehofft habe. „Also wenn du sagst, du gehst einen Kompromiss ein und gibst mir die Zeit, die ich brauche, um dir alles zu erzählen....", er beendet den Satz nicht, sondern schaut mich erwartungsvoll an. „Dann?", hake ich nach. „Dann beginnen wir ein neues Kapitel. Du bist nicht mehr die Praktikantin, die ich date. Ich möchte, dass du meine Freundin wirst" Wie ich es schon einmal erlebt habe, verschwinden alle negativen Gefühle ihm gegenüber sofort. Es fühlt sich gefährlich an, dass er mich so leicht dazu bringen kann, sie zu vergessen.
„Ich möchte nicht, dass du mich anlügst", flüstere ich, denn dieser Schmerz sitzt tiefer, als ich zugeben wollte. „Ich möchte wissen, wo du bist und mir keine Gedanken machen müssen, ob du lügst" Er beißt sich fest auf den Unterkiefer und nickt. „Ich weiß ehrlich nicht, ob ich ein guter Partner sein kann", gesteht er.
Ich erhebe mich vom Bett und er sich von dem Stuhl. Wir stehen mitten im Raum, um uns herum mein Chaos. Ich lege ihm meine Hand an die Wange und er drückt sich dagegen. Er hält meine Hand fest, damit ich sie nicht wegnehme. „Ich bin nicht gegen dich, Lio. Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen. Wenn du mir versprichst, dass mich nicht mehr anlügst, dann finden wir für alles eine Lösung" Vor seinen Augen bildet sich ein Schleier. „Ich verspreche es", presst er mit zitternder Stimme hervor. Wir küssen uns. Ich hatte mich so sehr danach gesehnt und weiß, dass auch ihm genau in diesem Moment ein Stein vom Herzen fällt. „Ich verspreche es", flüstert er noch einmal. „Okay", sage ich und er nimmt mich in den Arm. Er hält mich fest und ich streiche ihm über den Rücken. „Es tut mir leid, falls ich dir gestern Angst gemacht habe. Ich beschütze diese Firma und meine Familie mit allem, was ich habe." Ich weiß, wie wichtig ihm das alles ist, gerade weil es in engem Zusammenhang mit seiner Mutter steht.
"Kommst du mit zu mir nach Hause? Ich möchte dir gerne ein paar Dinge erzählen"
Wenige Minuten später habe ich meine Tasche gepackt. Lio hat in der Zwischenzeit das leere Papier in den Mülleimer geworfen. „So viele Süßigkeiten esse ich nicht mal in einem Jahr" Ich ziehe mir meine Schuhe an, während er weiter das Ausmaß bestaunt. „Gut, dann isst du mir nicht so viel Weg" Ich bringe ihn damit zum Lächeln und seine Mimik, die bis gerade noch zweifelnd und traurig war, erhellt sich wieder.
Auf dem Weg zu seinem Auto trägt er meine Tasche und hält mich fest in seinem Arm.
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Lio - Trust my Destiny / Abgeschlossen
Fanfiction1. Teil: Trust Me, I am a Bad Boy. Diese Geschichte kann auch unabhängig von der ersten gelesen werden. Trotzdem empfehle ich, die erste vorher zu lesen, damit euch die Namen und einige Ereignisse bekannt vorkommen :-) Ben Ramirez, ehemaliges Clan...