(Maggy)
Eine weitere Woche meines Praktikums vergeht wie im Flug. In den letzten Tagen habe ich kaum etwas mit Lio oder seinem Vater zu tun gehabt. Ich habe Clara zugearbeitet und durfte an meinem Bericht weiter schreiben. Ich wusste nicht einmal, ob sie im Büro waren.
"Magdalena", ertönt nach meiner Mittagspause die altbekannte dunkle Stimme hinter mir. Lio legt mir seine Hand auf die Schulter und ich drehe mich zu ihm. "Ich hab eine wirklich beschissene, langwierige aber wichtige Aufgabe für dich" Ich muss über diese Beschreibung lachen. Er war ehrlich, das musste man ihm lassen. "Worum geht es?", frage ich und er führt mich zu einem der Besprechungsräume.
Der ganze Tisch ist voll mit Akten, Briefen und anderen Unterlagen, die ich noch nicht zuordnen kann. "Was ist das alles?", frage ich. Lio hängt sein Sakko über einen Stuhl und atmet schwer aus. "Das sind alles Unterlagen eines Unternehmens, das wir aufkaufen wollen", beginnt er. "Das Problem ist: Bisher freuen sie sich eher weniger darüber, dass sie verkaufen müssen und das vermutlich auch noch an uns, deshalb erschweren sie uns das Ganze ein wenig. Das hier sind alles Informationen über das Unternehmen. Akten, Verträge, Umsätze, Klauseln... alles absolut unübersichtlich und eben erst angekommen. Da wir am Montagmorgen den Termin zur Besprechung haben und am Dienstag unser Kaufangebot abgeben müssen, muss das alles hier so schnell wie möglich sortiert werden"
Meine Augen wurden groß bei genauerer Betrachtung dieser vielen Unterlagen. Es würde Stunden dauern, bis ich auch nur die Übergeordneten Themen sortiert hatte. "Okay", sagte ich und war selbst überrascht, wie zuversichtlich ich klang. Das war ein weiterer Moment, in dem ich richtig glänzen konnte und anscheinend sprach Lio mit seinem Vater über mich. Ein gutes Praktikumszeugnis in so einem großen Unternehmen würde mich in Zukunft weiter bringen.
Ich setze mich auf einen Stuhl und mein Blick schweift ein letztes Mal über alle Unterlagen, bevor ich mich auf die einzelnen Ordner konzentriere. "Gut", Lio klatscht in die Hände und setzt sich ebenfalls. Irritiert schaue ich ihn an. "Was denn? Glaubst du, ich überlasse diese spaßige Aufgabe dir allein?" Er rückt näher an den Tisch und greift sich einen Ordner. Ganz selbstverständlich ließt er sich die erste Seite durch und ich brauche ein paar Sekunden um zu realisieren, dass wir die nächsten Stunden zusammen arbeiten würden.
Nach einer Stunde steht Lio ohne ein Wort auf und geht aus dem Raum. Wenig später kommt er mit zwei Tassen in der Hand wieder und stellt eine davon vor mir ab. Der Geruch von Früchte-Tee steigt mir in die Nase. "Danke", lächle ich und wärme meine Hände an der Tasse. "Ist dir kalt?", fragt er als er sich wieder auf seinen Platz setzt. "Es geht schon. Ich hab immer kalte Hände" "Eine Frau mit kalten Händen, das ist ja mal etwas ganz neues", neckt er mich.
Nach drei Stunden haben wir die Hälfte der Unterlagen geschafft. Eigentlich könnte ich in einer Stunde Feierabend machen, aber ich würde sicher nicht einfach aufstehen und gehen. Ich muss nur den anderen unbemerkt schreiben, dass ich später kommen werde. Irgendwann wird er sicherlich mal auf Toilette verschwinden oder sich den nächsten Kaffee holen, dann schicke ich Jona eine kurze Sprachnachricht.
Doch eine Stunde vergeht und er macht keine Anstalten, irgendwo hinzugehen. Lio ist so konzentriert, dass er kaum mit mir spricht. Manchmal vergesse ich sogar, dass wir hier zu zweit sitzen. Eigentlich finde ich es angenehm so zu arbeiten. Man kommt voran und muss keinen unnötigen Smalltalk halten, aber ich werde immer nervöser wegen der anderen.
Eine halbe Stunde später vibriert mein Handy. Jona ruft mich an und ich drücke sie weg. Wenige Minuten später erneut. "Sorry", sage ich und verziehe das Gesicht. "Schon gut", lacht er. Als mein Handy das dritte Mal vibriert - Jona ist so eine Nervensäge - schaut er endgültig von dem Stapel vor sich auf. "Dein Freund?", fragt er und ich schüttle ein wenig zu energisch den Kopf. "Meine Mitbewohnerin", erkläre ich knapp. "Wenn sie dich so oft anruft, ist es vielleicht ein Notfall?" Ich seufze und nehme mein Handy aus der Tasche, es hatte sowieso keinen Sinn mehr, es zu verstecken. "Nein, kein Notfall. Wir wollten heute feiern gehen..." Es war mir unangenehm das zu sagen. Ich wollte auf keinen Fall, dass er mich nun aus dem Büro schmeißt. Es war mir zu wichtig, diese Aufgabe fertig zu bekommen.
"Tut mir Leid, ich wusste nicht, dass du noch Pläne hast" Er fährt sich mit der linken Hand, auf der die Rose ist, über sein Kinn. "Nein, alles gut. Ich war mir sowieso unsicher, ob ich mitgehen soll" "Ach ja? Warum?", fragt er neugierig. "Wie du weißt, muss ich samstags im Café arbeiten. Gerade ist die Freizeitgestaltung etwas schwierig" Er nickt verständnisvoll und starrt dabei nachdenklich auf den Tisch. "Hör zu, du hast mir schon sehr geholfen, also wenn du willst..." "Nein, ist wirklich in Ordnung", unterbreche ich ihn und könnte mich dafür Ohrfeigen, dass ich ihn nicht aussprechen lassen habe. Er sieht mich überrascht an. "Okay", sagt er dann. "Aber dann bestelle ich uns etwas zu essen, wir sitzen hier vermutlich noch eine Weile."
"Das ist nicht nötig", winke ich ab. "Italienisch oder Sushi?", ignoriert er meinen Einwand. "Lio, ich..." Diesmal unterbricht er mich. "In 3 Sekunden entscheide ich, wenn du nichts sagst" Dann zählt er runter und im letzten Moment rufe ich *Italienisch*. Er lacht und dieses Lachen habe ich bei ihm noch nie gesehen. Es ist offen, herzlich und seine Gesichtszüge verändern sich dabei komplett. "Kein Sushi-Fan?", fragt er während er mir sein Handy hin hält, damit ich mir etwas von der Speisekarte aussuchen kann. "Es geht so..." In Wirklichkeit habe ich nicht vor zu testen, ob ich vor ihm mit Stäbchen essen kann, ohne dass mir so ein Ding in die Sojasauce fällt und mich, ihn und die Akten vollkleckert.
DU LIEST GERADE
Lio - Trust my Destiny / Abgeschlossen
Fanfiction1. Teil: Trust Me, I am a Bad Boy. Diese Geschichte kann auch unabhängig von der ersten gelesen werden. Trotzdem empfehle ich, die erste vorher zu lesen, damit euch die Namen und einige Ereignisse bekannt vorkommen :-) Ben Ramirez, ehemaliges Clan...