(Maggy)
Die Tür fliegt auf, ich gebe einen erstickten Schrei von mir. Die Dunkelheit macht es unmöglich zu erkennen, wer sich Zugang zu diesem Raum verschafft hat, also warte ich auf ein Zeichen.
"Jetzt gehörst du mir", knurrt jemand und ich beiße mir auf die Zunge.
Fuck.
Ich drücke mich mit meinem Rücken eng an die Wand, versuche leise und ruhig zu atmen, doch in meiner Brust zieht sich alles zusammen.
Und dann werde ich plötzlich geblendet. Ein Lichtstrahl, der genau in meine Richtung zeigt und mir endgültig die Orientierung nimmt. Ich halte meine Arme schützend vors Gesicht, der brutale Kontrast zur Dunkelheit sticht in meinen Augen und schmerzt.
"Dieses Mal entkommst du mir nicht", brummt der Mann zufrieden und ich kann hören, wie seine schweren Stiefel auf mich zukommen.
Ich taste den Boden um mich herum nach der Waffe ab, die ich auf der Suche nach dem roten Knopf zur Seite gelegt habe, doch ich finde sie nicht.
Panisch gleite ich mit meinen Händen über den Boden, drehe mich von einer Seite zur anderen - ohne Erfolg.
Wo ist nur diese verfluchte Waffe?!
Die Schritte lassen den Boden vibrieren, dann spüre ich seine Anwesenheit direkt vor mir.
Unsanft packt er mich an meinem Arm und zerrt mich hoch. Ich gebe einen schmerzerfüllten Schrei von mir, doch das scheint ihn nicht zu irritieren.
Ich schaue hoch in sein Gesicht. Ein Mann, ungefähr in Bens Alter, mit wässrigen Augen und lauter Schnitten im Gesicht, die durch die Splitter des Kronleuchters entstanden sein müssen.
Ich hoffe, sie werden schrecklich vernarben.
Er greift an meinen Kiefer, drückt so fest zusammen, dass ich das Gefühl habe, das Gelenk würde gleich herausspringen und ich presse meine Augenlider fest zu.
"Dafür wirst du leiden, das verspreche ich dir", zischt er.
Merkwürdigerweise fühlt es sich an, als wäre alles im Haus ruhiger geworden. Meine Ohren sind taub, als würde ich in einem Flugzeug sitzen und den Druck ausgleichen müssen, doch ich kann es nicht.
Innerlich verbrenne ich. Das Adrenalin, mein Puls, meine Gedanken... alles überschlägt sich, während meine innere Stimme sich im Auge des Tornados aufzuhalten scheint.
Immer wieder sagt sie mir, ich solle ruhig bleiben. Ich habe alles getan, was ich konnte. Akzeptiere dein Schicksal.
Und dann, als ich meine Augen wieder öffne, trifft mein Blick direkt auf seinen.
Er verzieht den Mund zu einem schiefen Lächeln, bereit mich aus dem Büro zu zerren. Sein linker Fuß macht einen Satz nach hinten und gerade als er mich mit sich schleifen will, verändert sich seine Mimik.
Irritiert sehe ich ihn an. Er starrt geschockt in die Ferne, seine Gesichtsmuskeln plötzlich vollkommen erstarrt und sein Griff um meinen Kiefer lockert sich.
Der Mann geht plötzlich direkt vor mir zu Boden und ich kralle mich an dem Schreibtisch fest, um es ihm nicht gleich zu tun.
Erst jetzt bemerke ich, dass es hinter ihm in der Eingangshalle heller geworden ist. Mein Blick folgt den Lichtstrahlen, die in den Raum ragen, als ich den Umriss einer Gestalt im Türrahmen erkenne.
Ich zucke erneut zusammen, mache einen Satz nach hinten.
"Ich bin es", sagt die mir so vertraute Stimme und es dauert drei Sekunden, bis ich verstehe, dass sie echt ist.
"Lio?", flüstere ich aufgelöst, spüre wie der Stein auf meiner Brust abfällt und meine Energie und Körperspannung mit sich reißt.
"Es tut mir so Leid", flüstert er und kommt auf mich zu.
Mein Kopf, mein Körper sind vollkommen durcheinander und ich zucke unwillkürlich zusammen, was ihn dazu bringt, stehen zu bleiben.
"Ich...", beginne ich, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
"Wir haben sie, es ist vorbei", sagt er sanft und schaut erst mich, dann den Typen an, den er von hinten mit einem Schalldämpfer erschossen hat.
Ich antworte nicht.
"Hat er dir etwas getan?", fragt er und ich kann hören, wie bitter die Worte für ihn sind.
Ich schüttle den Kopf. "Nein, du bist rechtzeitig gekommen"
Und erst da realisiere ich, wie rechtzeitig er wirklich da war. Eine einzelne Träne läuft meine Wange herunter. Meine Knie werden weich, ich muss mich erneut an der Tischkante abstützen.
Lio macht einen Schritt auf mich zu, streckt seine Hand nach mir aus, doch ich nehme sie nicht.
Ich kann sie nicht nehmen.
"Was ist mit deinem Vater?" Der Gedanke an Ben schießt mir in den Kopf wie ein Blitz.
"Ich weiß es nicht, ich bin sofort zu dir", antworte er mit rauer Stimme.
Jemand muss den Knopf für die Rolladen gedrückt haben. Mit summendem Geräusch fahren sie hoch und gewähren dem schwächer werdenden Tageslicht Einlass.
Auch der Strom geht wieder, sodass die Schreibtischlampe neben uns den Raum zusätzlich erhellt.
"Wir müssen zu Ben", stottere ich. "Wir müssen sofort zu ihm" Damit setze ich einen Fuß vor den anderen, merke wie weich meine Knie sind, doch ich halte mich so gut es geht auf den Beinen.
"Magdalena...", beginnt Lio, doch ich schüttle den Kopf. "Komm mit", fordere ich ihn auf.
Gerade als ich an ihm vorbeigehen möchte, stolpere ich über meine eigenen Füße und Lio hält stützend meinen Arm.
Diese Berührung, welche aus einem Reflex entstanden ist, überrascht uns beide. Lio sieht mich mit großen, leuchtenden Augen an. Ich starre zu seiner Hand, dann wandert mein Blick zu seinem Gesicht. Seine Berührung brennt wie Feuer.
"Tut mir Leid", sagt er sanft und löst seinen Griff. "Ich wollte nur helfen"
Ich ziehe meine Lippen ein und nicke. Etwas anderes kann ich gerade nicht tun.
Dann gehe ich weiter - dicht gefolgt von Lio.
Zum ersten Mal erkenne ich das Ausmaß. Das Haus ist komplett verwüstet. Nicht nur, dass es überall Einschusslöcher gibt, nichts aus Glas hat überlebt, die Bilder an den Wänden liegen verteilt auf dem Boden. Blut überall.
Ungläubig sehe ich mich um, schüttle geistesabwesend meinen Kopf und versuche zu verstehen, dass es vor kurzem alles noch perfekt aussah.
Vor der Tür zum Wohnzimmer bleibe ich stehen. Lio stellt sich neben mich, sein sorgenvoller Blick haftet auf mir.
"Du musst da nicht reingehen. Warte hier und ich bin gleich zurück", bietet er an.
Könnte ich es ertragen, Ben am Boden liegen zu sehen?
"Okay", flüstere ich, schaue ihn dabei jedoch nicht an. "Okay", wiederholt er und betritt ohne zu zögern das Wohnzimmer.
Doch ich verstehe in diesem Moment gar nicht, dass Lio diesen Raum betritt, um zu sehen, ob sein Vater noch lebt oder nicht.
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Lio - Trust my Destiny / Abgeschlossen
Fanfiction1. Teil: Trust Me, I am a Bad Boy. Diese Geschichte kann auch unabhängig von der ersten gelesen werden. Trotzdem empfehle ich, die erste vorher zu lesen, damit euch die Namen und einige Ereignisse bekannt vorkommen :-) Ben Ramirez, ehemaliges Clan...