(Maggy)
"Erinnerst du dich daran, wie Nate mit mir im dem Club gesprochen hat?", frage ich lachend, während ich mich näher an ihn drücke. Wir liegen seit Stunden eng umschlungen im Bett.
"Wie könnte ich das vergessen", knurrt er.
"Ich kann nicht fassen, dass ihr verwandt seid. Wieso hast du mir das nie erzählt?" Ich streiche mit dem Zeigefinger seinen nackten Oberkörper entlang.
Es ist eine Woche her, dass wir in der Halle waren.
Eine Woche, in der ich jede Nacht von den Schüssen träume und hochschrecke. Seit dem Lio davon erfahren hat, ist er jeden Abend hier und wir schlafen gemeinsam ein. Es lässt mich nicht vergessen, aber er ist sofort da, um mich zu beruhigen.
"Taktische Gründe", seufzt er. "Wenn wir unterwegs sind, kann alles mögliche passieren. Nate weiß darüber Bescheid. Wenn wir Freunde sind, ist es einfacher als wenn wir Verwandte sind"
Ich schlucke schwer.
Lio hat immer versucht, sein Leben einfach und unkompliziert erscheinen zu lassen. Das war vermutlich genau das, was er selbst für sich und für uns wollte.
"Es wird wieder anders werden", sagt er sanft und küsst mein Haar, als hätte er meine Gedanken gelesen. "Ich weiß", antworte ich, auch wenn ich es mir gerade kaum vorstellen kann.
"Wie geht es Anna und David?", frage ich. Lio hat veranlasst, dass die beiden nach Kanada geflogen werden. Seit sie weg sind, ist es gespenstisch ruhig in dem großen Haus. Vor dem Einschlafen stelle ich mir oft vor, wie es wäre, wenn auch wir einfach wegfliegen würden - auch wenn ich weiß, dass Lio das niemals tun würde.
"Kanada gefällt ihnen ziemlich gut", antwortet er bloß und spielt sanft mit meinen Haaren. Mehr werde ich über das Telefonat, welches er wenige Stunden zuvor mit seinem Bruder geführt hat, vermutlich nicht erfahren.
Lio spricht so gut wie gar nicht mehr über das, was gerade passiert. In ihm kocht eine Wut, die nicht abzuklingen scheint. Es fühlt sich an, als würde sie seine Dämonen hervorholen und Gänsehaut breitet sich über meinen Körper aus, jedes Mal wenn ich darüber nachdenke, was das wohl zu bedeuten hat.
Mein Freund, Lio Ramirez, hat etwas skrupelloses an sich. Etwas, dass unkontrollierbar scheint und durch die Probleme, die die Firma und die Familie haben, genug Futter bekommt, um an seine Oberfläche zu gelangen.
Ich weiß, dass er es von Ben hat. Ich weiß auch, dass es ihm den Boden unter den Füßen wegreißen könnte, wenn sich die Situation nicht beruhigt. Und ich weiß auch, dass diese Liebe für mich nicht ungefährlich ist.
Nichts desto trotz liege ich auf ihm, lausche seinem Atem und seinem Herzschlag, habe noch nie so sehr geliebt, wie ich es jetzt tue.
Lio ignoriert seinen Vater vollkommen und ich wiederum werde von seinem Vater weitestgehend gemieden. Es ist eine komische Situation, die nicht gerade dazu beiträgt, dass ich mich hier wohl fühle. Niemals hätte ich gedacht, ich würde die Gemeinschaftsduschen im Wohnheim vermissen...
"Und gibt es sonst etwas Neues?", frage ich vorsichtig, während ich mich näher an ihn drücke.
"Das werde ich später erfahren. Wir haben nachmittags wieder ein Treffen", antwortet er knapp, bewegt sich unruhig unter mir.
"Okay", seufze ich und er legt seine Hand an meine Wange. Mit leichtem Druck bringt er mich dazu, zu ihm aufzuschauen. Er betrachtet mich, schaut mir tief in die Augen.
Auch wenn wir uns nach der Sache in der Halle nicht gestritten haben, konnte ich spüren, wie sehr er sich zusammenreißen musste. In seiner Stimme hallte etwas dunkles, bedrohliches. Ich habe keine Angst vor ihm, aber davor was er mit Menschen machen könnte, die ihn oder seine Familie bedrohen... oder mich.
"Du sollst dir darüber keine Gedanken mehr machen", sagt er sanft und trotzdem irgendwie aggressiv. "Ich weiß, aber du kannst dir sicher vorstellen, dass das nicht so einfach ist", antworte ich und breche den Blickkontakt ab.
Langsam hieve ich mich hoch, setze mich auf meine Knie und betrachte diesen wunderschönen Mann. Seine Haare sind verwuschelt, ein leichter Bart zeichnet sich auf seiner Mundpartie ab. Gott, er könnte hier und jetzt eine Werbekampagne für Calvin Klein mitmachen.
Mit einem frustrierten Gesichtsausdruck starrt er auf unsere Hände, die sich ineinander verschränken.
"Ab nächster Woche kannst du wieder in die Uni", sagt er und beobachtet meine Reaktion. Ich ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe.
"Nächste Woche?" Ich würde gerne die Gedanken daran, dass ich die Gemeinschaftsduschen vermisse, wieder zurücknehmen.
Er nickt.
"Lio, was bitte hast du in den kommenden Tagen vor, dass diese vollkommen surreale Situation einfach so beenden soll?" Panik und Hitze steigen in mir auf. Ich bringe Abstand zwischen uns, lehne mich an den Bettpfosten am unteren Rand.
"Sie wollen uns tot sehen. Sie wollten dich tot sehen. Was glaubst du, was ich tue?", fragt er und seine Augen kommen mir mit einem Mal leuchtender, giftiger vor.
Ich presse meinen Kiefer zusammen. Mit bebenden Nasenflügeln mustere ich sein Gesicht. Bis auf Wut und Entschlossenheit ist dort nichts zu finden. "Du lässt es so klingen, als würdest du bald zu einem Mörder werden", presse ich hervor.
Lio sagt nichts.
Plötzlich habe ich den Drang, mich zu bedecken, mich von ihm abzuschotten und noch mehr Abstand zwischen uns zu bringen.
Ich wirble herum, hebe meine Kleidung vom Boden auf, ziehe meine Hose, mein Shirt an und als ich meine Haare richte, steht er in einer Jogginghose und oberkörperfrei direkt vor mir.
"Ich weiß nicht, was genau passieren wird", murmelt er gelangweilt. "Was willst du von mir hören? Möchtest du, dass ich dich anlüge?"
Ich ziehe scharf die Luft ein, schaue an ihm vorbei in Richtung Tür, als er einen Schritt zur Seite macht. "Ich werde dich nicht aufhalten. Wenn du den Raum verlassen möchtest, dann gebe ich dir den Moment für dich. Das Haus wirst du aber nicht verlassen"
Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen. Ich spüre meinen Herzschlag bis in meine Ohren.
Noch nie habe ich so sehr geliebt, wie jetzt... doch komme ich damit klar?
Mit wackeligen Schritten laufe ich an ihm vorbei und in das Zimmer, in dem Anna und David zuvor waren.
DU LIEST GERADE
Lio - Trust my Destiny / Abgeschlossen
Fanfiction1. Teil: Trust Me, I am a Bad Boy. Diese Geschichte kann auch unabhängig von der ersten gelesen werden. Trotzdem empfehle ich, die erste vorher zu lesen, damit euch die Namen und einige Ereignisse bekannt vorkommen :-) Ben Ramirez, ehemaliges Clan...