Kapitel 65

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(Lio)

Unten erwarten mich die anderen bereits. Prüfend sehe ich noch einmal hinter mich, stelle sicher dass wirklich kein Angestellter in der Nähe ist und sieht, wie ich diese ominöse Treppe, die als Überrest eines vorherigen Gebäudes abgestempelt wurde, heruntergehe. 

Ich schließe die Sicherheitstür hinter mir. Meine Augen müssen sich an das matte, gelbliche Licht gewöhnen. 

Ich reiche Pepe die Aufzeichnungen, kremple meine Ärmel hoch und betete mit leisen Schritten den heruntergekommenen Raum. 

Vor uns sitzen zwei gefesselte und geknebelte Männer. Die Augen weit aufgerissen, seit dem ich da bin, versuchen sie sich naiverweise immer noch von den Fesseln zu lösen. 

"Meine Herren", begrüße ich sie kalt, ziehe mir einen Stuhl heran und setze mich in Abstand zu ihnen vor sie. 

Ich betrachte ihre Gesichter in dem Licht. Angstschweiß bedeckt ihre Stirn. Blut läuft ihnen von den Schläfen bis zum Hals. Sie sehen furchtbar aus. 

Aber sie werden noch viel schlimmer aussehen, wenn ich mit ihnen fertig bin. 

Die Glühbirne über unseren Köpfen gibt ein summendes Geräusch von sich, im Hintergrund ist das Rauschen der Straße zu hören, welches durch die Schächte zu uns dringt. 

"Ich werde euch jetzt von den Knebeln befreien", beginne ich. "Macht euch nicht die Mühe, zu schreien. Es wird euch niemand hören und es bringt mich dazu, euch den Kiefer zu brechen" 

Unsanft nehme ich ihnen die Knebel ab und sie schnappen nach Luft. 

"Lass mich gehen, du Bastard", schreit seine ätzende, lächerlich zitternde Stimme mir entgegen. 

Meine Faust landet unmittelbar in seinem Gesicht, sein Kopf fliegt zur Seite, genau wie einer seiner Zähne. 

"Jeder Mensch lernt anders. Manche durch Worte, andere durch Taten", murmle ich und setze mich wieder auf meinen Stuhl. 

Hinter mir stehen Nate, Pepe und die anderen Männer. Sie verschränken die Arme vor sich und betrachten die Verräter mit missbilligenden Blicken. 

"Ich will, dass ihr euch etwas anseht", sage ich und wie auf Kommando holt Pepe einen Laptop hervor und startet das Video, welches er darauf bereits geöffnet hat. 

Es beginnt mit Aufzeichnungen aus unserem Büro, wie Akten heimlich kopiert werden. Aufnahmen aus dem Parkhaus, wie vermutlich genau diese Akten an einen Mann übergeben werden, der sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hat. 

Der für mich schwierigste Part ist der, in dem Magdalena belästigt wird. Mit stolz schaue ich zu, wie mein Bruder sie beschützt, wie mein Onkel ihm die Nase bricht. 

Zum Glück folgt dann der beste Part: Fotos und Videos von ihren Familien. Aufnahmen aus dem Garten, dem Kindergarten und Familienfotos mit den genauen Namen und Adressen derjenige, die darauf abgebildet sind. 

Sie fangen an unruhig auf ihren Stühlen herumzurutschen. Die Beleidigungen, die sie mir an den Kopf werfen, sind kläglich und bringen mich zum Lächeln. 

"Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen. Du bedrohst meine Familie und ich deine, Lukas..."

Ich sehe ihm direkt in die Augen. Er ist ein nichts, ein niemand. Wie kann er es überhaupt wagen, auch nur den Gedanken daran zu verschwenden, gegen mich und meine Familie anzukommen? 

"Ich hatte gehofft, ich könnte sie zur Vernunft bringen, aber sie ist genau so Abschaum wie du und der Rest deiner Bande", lächelt Lukas mit blutigen Zähnen. 

Ich schnalze mit der Zunge, lehne mich nach vorne, um ihm so nah wie möglich zu sein. Sollte er versuchen mich anzuspucken, werde ich ihm die Zunge abschneiden. 

Bei dem Gedanken muss ich erneut lächeln. 

"Du", beginne ich gefährlich leise, "hast eine Frau in einem Auto eingesperrt und sie bedrängt. Du bist die widerlichste, unwürdigste Spezies die es gibt", knurre ich. 

"Und keine Sorge, du wirst noch zu spüren bekommen, dass es sich dabei um die Frau handelt, die zu mir gehört" 

Dann wende ich meinen Blick ab, schaue zu dem Mann neben ihm. 

"Und du...", beginne ich. "Hast auf meine Leute in dieser elendigen Halle geschossen und gedacht, du würdest einfach damit davonkommen"

Ich schüttle den Kopf, wende meinen Blick nicht von ihm ab. Auch er zeigt keinerlei Reue, sondern versucht meinem Blick standzuhalten. 

"Ich hätte wissen müssen, dass du mit ihm verwandt bist", sage ich und zeige mit einer Kopfbewegung in Lukas' Richtung. 

"Ihr seid so besessen von meiner Familie...", schnaube ich. "Ihr hättet besser darin getan, einfach einen Fanclub zu eröffnen" Ich höre lachendes Schnauben hinter mir. 

"Aber nein, selbst dafür seid ihr zu dumm", sage ich mit aufgesetzt besorgter Miene. "Ihr habt wirklich geglaubt, dass ihr und eure schwächlichen Leute in irgendeiner Form etwas vom Kuchen abkriegen könnt" 

"Mirkos Familie steht hinter uns", sagt Lukas siegessicher. 

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. 

"Mirko ist tot", sage ich trocken und kann sehen, wie Lukas Augen unruhig in meinen die Wahrheit suchen. 

"Gestern von meiner Familie erledigt worden", lächle ich diabolisch. "Eine Sache, die wir schon vor Jahren hätten tun sollen" 

"Also, Lukas", knurre ich. "Wer beschützt euch jetzt?"

Mirko, der Mann, der meinem Vater früher das Leben schwer gemacht hat. Er hat meine Mutter entführt, er hat versucht, das Leben meines Onkels zu zerstören und ist mit dem Leben davon gekommen, weil mein Vater einen neuen Weg einschlagen wollte. 

Es ist gut, dass er das wollte, aber er hätte wenigstens das vorher noch zu Ende bringen sollen. 

Dann wäre uns all das erspart geblieben... 

Für wenige Sekunden ist es still in dem Raum, lediglich das Summen ist zu hören. 

Lukas setzt ein breites Grinsen auf. 

"Selbst wenn Mirko nicht mehr da ist... wir haben gewonnen" 

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und auch als sein hässlicher Cousin ebenfalls anfängt zu grinsen, werde ich unruhig. "Gewonnen?", sage ich gespielt belustigt. 

"Du hast die Wahl, Lio", sagt er und betont meinen Namen so ekelhaft, dass ich ihn gerne erneut mit meiner Faust zum Schweigen bringen würde. 

"Du lässt uns gehen und wir tätigen einen Anruf. Dann wird nur dein Vater sterben und Magdalena... naja, zumindest wird sie das, was sie mit ihr machen, überleben. Oder du versuchst selbst sie zu retten, vielleicht schaffst du es dann noch, dich von einem der beiden zu verabschieden." 

Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Wovon zum Teufel redet dieser Bastard?

"Ich bin nicht der einzige aus dem Unternehmen, der euch seit Monaten ausspioniert", lacht er. "Hat dein Vater nicht heute einen Termin mit dem Restaurantbesitzer, der uns angeblich *verpfiffen* hat? Und das bei euch zu Hause?" 

Ich stehe ruckartig auf, sodass der Stuhl hinter mir zu Boden fällt. Mein Kopf dreht sich zu Pepe, der ohne ein Wort versteht, was ich von ihm will. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt