Kapitel 47

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(Maggy)

Wir halten am Hafen und spazieren ein Stück am Wasser. Die Dämmerung setzt langsam ein und kalter Wind weht uns um die Nasenspitzen. "Danke, dass du mich mit hergenommen hast. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach war", sage ich, während wir Händchen haltend weiter laufen. "Ich muss dir dazu noch etwa sagen...", beginnt er angespannt. Wir bleiben stehen, direkt voreinander. 

"Die Dinge, die mein Vater gemacht hat, haben meine Mutter enorm beeinflusst. Sie ist immer eine eigenständige Frau geblieben, aber sowas geht an keinem einfach so vorbei. Ich habe dich auch mit hergenommen, damit dir das klar wird. Ich bin kein Märchenprinz aus irgendeinem Buch. Mein Leben ist mit all dem hier verbunden und ich weiß nicht, wie stark diese Verbindung in Zukunft sein wird.", er räuspert sich und schaut zu Boden. "Meine Eltern hatten fünf Jahre keinen Kontakt zueinander. Einen Tag bevor der Kontakt abgebrochen ist, hatte meine Mutter einen schweren Autounfall. Es stellte sich heraus, dass dieser Unfall kein richtiger Unfall war. Es war von jemandem geplant, der meinem Vater schaden wollte." Seine Augen glitzern im Licht und auch meine füllen sich mit Tränen. "Das ist furchtbar", sage ich traurig. "Das schlimmste daran kommt noch: Meine Mutter war schwanger. Sie hat das Baby verloren" 

Ich nehme Lio in den Arm und er lässt es zu. Eine Weile ist es still um uns. Ich habe mich schon oft gefragt, wieso einige Leute frei durchs Leben gehen können und anderen passieren andauernd schlimme Dinge. Es ist eine Ungerechtigkeit, die ich nicht verstehe. 

"Wenn du dich voll und ganz auf mich einlässt, dann werde ich alles geben, um dich zu beschützen. Aber trotzdem begibst du dich in Gefahr", sagt er leise. "Ich hab versucht, mich von dir fern zu halten, aber ich kann das nicht. Ich..." Ich unterbreche ihn, indem ich ihn küsse. Dann sehe ich ihm in die Augen. "Jeder braucht Liebe in seinem Leben, Lio. Ich glaube an dich, ich glaube an uns und dass wir das gemeinsam schaffen können. Dein Vater hat viel dafür getan, dass euer Leben anders wird und das ist es auch. Ich weiß, dass es trotzdem gefährlich ist, aber wir können so viel daraus machen" Dann küsse ich ihn wieder und wieder. 

Ich nehme all meinen Mut zusammen. "Ich liebe dich, Lio" Er schaut mir tief in die Augen. "Ich liebe dich", flüstert er und ein kleines Lächeln huscht ihm über die Lippen. *Lio braucht jemandem, der auch ihm zeigt, dass er es wert ist* gehen mir die Worte von Melinda durch den Kopf. Ich werde alles dafür tun, dass er das nicht vergisst. 

Ohne zu reden laufen wir zurück zum Auto und fahren ins Hotel. Jeder von uns braucht diesen Moment, in dem wir alles verarbeiten. 

Kurz bevor wir in die Straße vom Hotel einbiegen, macht Lio plötzlich eine Vollbremsung. "Was ist los?", frage ich erschrocken. Er beobachtet den Wagen hinter uns im Spiegel. Plötzlich verändert sich seine Mimik, seine Hände pressen sich ins Lenkrad. Ich weiß mittlerweile genau, was das bedeutet. Er nimmt sein Telefon und ruft jemanden an. "Wir haben ein Problem", sagt er bloß und gibt eine Adresse durch. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. "Lio?", frage ich doch er schüttelt den Kopf. "Halt' dich gut fest" In dem Moment gibt er Gas, macht einen U-Turn und wir fahren wieder in die entgegen gesetzte Richtung. 

Ich kralle mich in den Sitz. Die Lichter um uns herum verschwimmen. Hinter uns taucht ein weiterer SUV auf. Lio schaut in den Rückspiegel. "Ihr habt aber lange gebraucht", murmelt er und biegt ruckartig rechts ab. Ich war noch nie so dankbar für Anschnallgurte. "Was wollen die von dir?", frage ich mit zitternder Stimme. Er antwortet nicht, sondern biegt wieder scharf rechts ab. An der Kreuzung vor uns kommt ein SUV dazu. "Und da ist sie schon, die Kavallerie" 

Die nächste Ampel vor uns wird rot, Lio drückt das Gaspedal durch und ich schließe die Augen. Der SUV, der uns zur Hilfe kam, macht eine Vollbremsung und isoliert damit die anderen Wagen von uns. "Ich bringe dich jetzt zum Hotel. Du springst aus dem Wagen und gehst sofort aufs Zimmer, hast du verstanden? Öffne niemandem die Tür" Ich nicke, unfähig etwas zu sagen. 

Als wir vor dem Hotel ankommen, habe ich nicht einmal Zeit, um Lio wirklich anzusehen. Ich springe aus dem Auto, laufe in das Hotel und höre noch, wie er mit quietschenden Reifen davon fährt. Ich traue mich nicht, mich umzudrehen. Erst als ich im Hotelzimmer bin, atme ich wieder richtig. Ich zittere am ganzen Körper. Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf.

Sollte ich David anrufen? Oder vielleicht Ben?

Zwei Stunden warte ich auf Lio und es kommt mir vor wie eine quälende Ewigkeit. Ich laufe im Zimmer auf und ab. Immer wieder starre ich auf mein Handy, doch nichts passiert. Je mehr ich darüber nachdenke, desto bewusster wird mir, dass Lio sich gerade vermutlich in Lebensgefahr befindet. *Es hat ihr Leben enorm beeinflusst* Kommen mir Lios Worte über seine Mutter in den Sinn. 

Seit dem ich aus dem Auto gesprungen bin, habe ich nicht aufgehört zu zittern. Mein Magen verkrampft sich im Minutentakt und ich habe so große Angst, dass ich nicht einmal weinen kann. 

Es klopft an der Tür und ich zucke zusammen. Ich bewege mich nicht, traue mich kaum zu atmen, bis ich Lios Stimme höre. "Magdalena, ich bin es", sagt er mit heiserer Stimme. Ich öffne vorsichtig die Tür. Als er reinkommt, umschlingt er mich mit einem Arm, der andere schließt die Tür. Sein Auge ist angeschwollen und bereits leicht blau unterlaufen. "Oh mein Gott, geht es dir gut?", frage ich besorgt. "Ja", flüstert er. 

Er mustert mich, schaut sich jeden Zentimeter genau an, als würde er etwas suchen. Als er erkennt, dass mir nichts fehlt, öffnet sich sein Gesichtsausdruck. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, seine Hand wandert an meinen Nacken und ich spüre, wie sehr sich meine Lippen nach seinen sehnen. 

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt