Kapitel 20

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(Maggy)

Als wir spät wieder auf unserem Zimmer ankommen, platzt Jona fast vor Neugierde. Ich erzähle ihr zwar von unserem Gespräch, habe aber das Gefühl, ich sollte nicht zu sehr darauf eingehen, wie sensibel Lio sich gezeigt hat. Das war etwas zwischen ihm und mir.

"Und dann lag seine Hand auf deinem Oberschenkel", quietscht sie und ich falle mit ein. "Lio Ramirez steht auf meine beste Freundin", singt sie während sie sich einen Pyjama anzieht. "Warten wir mal ab. Wir gehen das ganz langsam an und sehen, was passiert", versuche ich sie zu beruhigen, auch wenn das nicht klappt. "Ja genau", sagt sie augenverdrehend und legt ihre Hand auf ihren Oberschenkel. "So langsam?" Ich werfe sie mit meinem Pullover ab, den ich gerade ausgezogen habe und wir müssen lachen. "Vielleicht habt ihr ja mal Sex im Büro" Ich schreie auf. "Jona, hör auf", doch diese Frau ist nicht zu bremsen. "Fünf Wochen hast du ja noch"

Kaum liege ich in meinem Bett, falle ich in einen tiefen Schlaf. Das Vibrieren meines Weckers kommt viel zu früh. Brummend suche ich mein Bett nach meinem Handy ab und würde am liebsten einfach weiterschlafen. "Du musst aufstehen und dir heute dein bestes Outfit für Lio raussuchen", flüstert Jona verschlafen. "Gibt es für dich auch so etwas wie eine Aus-Taste?", stöhne ich und erhebe mich aus meinem Bett. "Nein", antwortet sie bloß.

Damit ich etwas wacher werde, springe ich unter die Dusche. Dass ich jeden Tag mit dem Bus so lange fahren musste, war wirklich ätzend. Jona brauchte nur 10 Minuten und stand erst auf, wenn ich bereits auf dem Weg war. Ich überlegte, ob ich die Dusche kurz auf kaltes Wasser stelle, um endgültig wach zu werden aber so wichtig war mir das dann doch nicht...

Ich ziehe eine Stumpfhose, einen braunen Rock und einen grauen, lockeren Pullover an, den ich in den Rock stopfe. Dazu hohe schwarze Stiefelletten und eine Kette mit einem Herz-Anhänger. "Du siehst richtig süß aus", kommentiert Jona hinter mir. "Danke", flüstere ich konzentriert auf mein Make-Up. Die Augenringe mussten dringend verschwinden. Ich nahm eine dickere Jacke aus meinem Schrank und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Ich bekam sogar einen Bus früher, der viel leerer war. Vielleicht sollte ich das ab jetzt immer so machen, denn dann konnte ich mir vor Ort noch Frühstück besorgen.

Bewaffnet mit einer Müsli-Schüssel To Go vom Bäcker nebenan betrete ich das Gebäude. Heute kommt es mir noch schöner vor, als sonst. Die Sonne strahlt durch die Fensterfront und erhellt die gesamte Eingangshalle. "Guten Morgen", spricht mich jemand hinter mir an. "Lukas, guten morgen", lächle ich. "Schön oder?", sagt er und betrachtet mit mir wie die Sonnenstrahlen tanzen. "Oh, gibt es heute mal Frühstück?", neckt er mich. Bisher hatte ich es nie wirklich geschafft, mir Frühstück mitzunehmen; sonst saßen Sunday, Naomi, Jona und ich jeden Morgen vor Vorlesungsbeginn zusammen in der Mensa und aßen unser Frühstück. "Ja, ich habe endlich mal geschafft", lache ich und halte meinen Becher in die Höhe.

"Guten Morgen", ertönt Lios Stimme hinter mir. Ich lächle ihn an, doch sein Blick ruht auf Lukas. Dieser dreht sich erschrocken um und schaut zu Lio hoch, der ein ganzes Stück größer ist als er. Die Situation scheint wieder zu kippen, doch ich weiß, wie ich uns hier heraus manövrieren kann. "Tut mir Leid, Lukas. Ich habe auch Lio gewartet. Wir sehen uns später", sage ich und greife Lios Arm, damit er mit mir mitkommt. "Alles klar, dann bis später", seufzt Lukas.

"Ach, du hast auf mich gewartet?" Lios Laune wird besser. "Ich habe gesehen, wie du ihn angeschaut hast und wollte ein Blutbad vor 9 Uhr Morgens verhindern" Ich lasse seinen Arm wieder los, doch er läuft weiter ganz dicht neben mir. "Und nach 9 Uhr?", lächelt er und ich verdrehe die Augen. "Wieso hast du ihn so angeschaut?", frage ich. "Wie denn?" "Na als würdest du ihm gleich den Kopf abschlagen" Ich drücke den Knopf, damit der Aufzug zu uns kommt. "Ich hatte eher an erschießen gedacht", antwortet er trocken. "Lio", rufe ich empört und haue ihm gegen den Arm. Er tut so, als hätte ihm das weh getan, woraufhin ich lachen muss.

Als die Fahrstuhltür zugeht, lehnt er sich gegen die Wand. "Ich mag es nicht, wie er dich anstarrt", gesteht er. "Dir ist aber schon klar, dass ich mit ihm zusammen arbeite?" "Gut das du das Thema von alleine ansprichst: Komm wieder zu uns" Lio ist wirklich unmöglich. "Nein, ich werde noch eine weitere Woche im Marketing verbringen und dann in die Buchhaltung gehen", erkläre ich ihm den neuen Plan. "Oder du kommst zu uns" Ich erkläre ihm den Plan immer wieder, bis wir auf meiner Etage angekommen sind. Ich will aussteigen, doch er hält mich am Handgelenk fest und zieht mich zu sich. "Bitte", flüstert er und schaut auf meine Lippen. Hitze steigt in mir hoch. "Lio", ermahne ich ihn flüsternd, doch ich kann mich aus seinem Griff nicht befreien. "Überlege es dir wenigstens" "Okay", gebe ich nach. "Versprochen?" Ich nicke und er lächelt. Als ich aussteige, drehe ich mich noch einmal um. Die Tür schließt sich und ich sehe sein verschmitztes Grinsen bevor sie zu geht.

Kopfschüttelnd begebe ich mich auf meinen Platz. "Guten Morgen", begrüßt Lucy mich mit einem Stapel Papier. "Das hier ist eines der neuen Plakate, ausgedruckt auf DIN A 4 Seiten, weil der Drucker sich dazu entschieden hat", lacht sie. "Hilfst du mir, sie im Besprechungsraum auszulegen?" Ich nicke lachend, stelle meine Sachen ab und folge ihr.

Es macht Spaß dieses Puzzle zusammen zu setzen. Als wir fertig sind, stellen wir uns an das Kopfende des Tisches und betrachten das Ergebnis. Auf dem Werbeplakat ist das Space Needle zu sehen, daneben ein Auto, welches mit einer E-Säule verbunden ist. *Technologische Fortschritte für Seattle - damals und heute* Den Spruch habe ich mir als Spaceholder ausgedacht, weil wir uns noch nicht sicher waren. Ben Ramirez möchte gerne persönlichen historischen Bezug auf den Plakaten einbringen. Sie sollen immer anders aussehen, je nachdem wo sie stehen. Da das Space Needle in den 60ern gebaut wurde und für viele ein Symbol des technischen Fortschritt war, erschien es mir plausibel.

"Mir gefällt der Spruch immer besser", sagt Lucy und reibt sich dabei nachdenklich das Kinn. "Mal sehen, was Mr. Ramirez dazu sagt. Wir haben später einen Termin mit ihm", erklärt sie. Dann schaut sie mich an. "Möchtest du dabei sein?"

Lio - Trust my Destiny / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt