Endlich geschafft! Total entnervt und abgespannt betrat Kolja sein Hotelzimmer. Für die nächsten Wochen sein „zu Hause". Anfangs war es ihm schwergefallen sich immer wieder an neue Orte zu gewöhnen, doch inzwischen fühlte er sich überall heimisch, wo er sich grade aufhielt.
Für den Abend hatte er sich etwas Besonderes überlegt. Er brauchte Ablenkung und was konnte einen besser ablenken als eine Frau. Mittlerweile hatte er es aufgegeben sich in Bars und Clubs herumzutreiben, auf Beutefang zu gehen. Das konnte man auch einfacher haben! Schon am Nachmittag hatte er bei einer Agentur angerufen, die er im Internet ausfindig gemacht hatte. Er hatte der netten Dame seine Situation und seine Vorstellungen dargelegt, woraufhin sie ihm tatsächlich eine nette Gesellschaft für den Abend zugesagt hatte. In den letzten Monaten hatte er oft solche Dienste in Anspruch genommen. Es war unkompliziert, man ging einfach keine Verpflichtung ein. Für eine Frau war in seinem Leben nun wirklich kein Platz. Als Geschäftsführer eines weltweit vertretenen Unternehmens bestand sein Lebensinhalt in erster Linie aus seiner Arbeit. Erst an zweiter Stelle standen seine privaten Interessen: Frauen, Sport und Musik.
Das Thema Frauen betrachtete Kolja eher nüchtern. Wenn eine Frau Interesse an ihm zeigte, galt dies meist nicht ihm, sondern seiner Position und seinem Vermögen, vermutlich spielte auch seine Optik eine gewisse Rolle. Er war groß, schlank und recht sportlich. Seine hellgrauen Augen bildeten einen starken Kontrast zu seinen dunkelblonden Haaren, was ihn äußerst charismatisch wirken ließ. Ihm war sein Erscheinungsbild enorm wichtig, auch wenn ihm dafür eine gewisse Eitelkeit nachgesagt wurde.
Die Frauen, die ihn umgarnten, waren meist außerordentlich attraktiv, aber nicht besonders intelligent. Und was sollte er mit einer Frau, mit der er nicht einmal ein vernünftiges Gespräch führen konnte.
Verabredet war 20:00 Uhr. Wieder einmal hatte er es nicht geschafft wie geplant seine Termine hinter sich zu bringen. So warf er also einen Blick auf seine Uhr. 19:52 Uhr und er hatte eigentlich noch vor zu duschen. Schließlich war er den ganzen Tag in Besprechungen und auf Terminen gewesen. Er stellte seine Aktentasche neben dem Sofa ab, schnappte sich frische Kleider aus dem Schrank und ging ins Badezimmer. 8 Minuten für eine Dusche waren doch kein Problem.
Grade hatte er seine schwarze Stoffhose angezogen, klopfte es an der Zimmertür. „Die Tür ist offen", antwortete er. Er konnte hören, wie jemand das Zimmer betrat. „Ich bin gleich bei Ihnen", fügte er nun etwas in Eile hinzu. Dann musste sie wohl ein paar Minuten warten! Ungestylt vor eine Frau, das gab es nicht. Doch auf eine Rasur musste er wohl oder übel verzichten, das ließ die Zeit nun wirklich nicht mehr zu. Mit dem Handrücken strich er über seine Wange. Nicht perfekt, aber passabel. Seine Haare kämmte er wie immer mit einer gutriechenden Pomade nach hinten, achtete dabei penibel darauf, dass jedes Haar seinen vorgesehenen Platz einnahm.
Schnell griff er nach dem frischen weißen Hemd, welches er sich zurechtgelegt hatte und streifte es über. Noch ein prüfender Blick in den Spiegel. Passt!
Felicia trat vor das Zimmer, welches ihr genannt worden war. 111. Schicke Nummer. Sie wollte sich noch immer nicht eingestehen, dass sie doch ein wenig nervös war. Eine eigentlich normale Reaktion, wenn man bedachte, dass sie in einem der edelsten und teuersten Hotels der Stadt stand und sie keinerlei Ahnung hatte, wer oder was sie an diesem Abend erwarten würde. Das Einzige, was sie hatte, war ein Name: Kolja Weyland.
Felicias Chefin hatte sie erst am Nachmittag angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie am Abend arbeiten musste. Geplant hatte sie eigentlich einen gemütlichen Abend mit ihrer Schwester zu Hause, aber, so war es nun mal in dieser Branche. Männer wollten am Abend Gesellschaft, wofür auch immer. Ihre Chefin hatte besonders hervorgehoben, dass es sich um einen recht anspruchsvollen Kunden handelte, der auch bereit war, dafür einen entsprechenden Preis zu zahlen. So jemanden an der Angel zu haben, war sicherlich nicht verkehrt. Die meisten ihrer Kunden waren inzwischen Stammkunden, welche gelegentlich einfach nur einen Abend mit ihr verbrachten oder auch ihre Dienste in Anspruch nahmen. Sie hatte eine ausgesprochen anziehende Wirkung auf Männer, dessen war sich auch ihre Chefin bewusst. Schließlich hatte sie sie nicht grundlos an ihrem freien Abend angerufen, obwohl noch genügend willige Kolleginnen zur Verfügung standen.
Felicia war 25 Jahre alt, arbeitete seit nun fast 3 Jahren im Escort. Sie war durch Zufall in die Agentur hineingeschliddert und liebte ihren Job. Für sie war es keine Schande Kunden auf eine vielleicht eher intimere Art zufriedenzustellen, wie es auch in jedem anderen kundenorientierten Beruf üblich war. Sie hatte sich viel erarbeitet, hatte sich bewiesen, sodass sie eigentlich nur noch anständige Kunden hatte, die auch auf sie eingingen und ihr jeden Wunsch erfüllten. Neue Kunden bedeuteten immer ein gewisses Risiko. Schließlich kannte weder sie noch ihre Chefin diese Menschen und schwarze Schafe gab es überall.
Felicia zupfte noch einmal ihre dünne Seidenbluse zurecht, überprüfte ihre Frisur und klopfte höflich an.
„Die Tür ist offen", ertönte es gedämpft aus dem Zimmer. Sie atmete noch einmal tief durch und betrat das Zimmer. „Ich bin gleich bei Ihnen". Erstaunt sah sich Felicia um, erschlagen von dem Zimmer, welches eher einem ganzen Apartment glich. An dem nötigen Kleingeld schien es ihrem Kunden nicht zu mangeln. Neugierig ließ sie ihren Blick schweifen, das Zimmer sah unbewohnt aus. Nichts lag herum, keine persönlichen Gegenstände, die darauf hindeuteten, dass hier jemand lebte. Lediglich neben dem Sofa stand eine cognacfarbene Ledertasche. Er schien nicht oft dort zu sein.
Mit leichtem Herzklopfen ging sie auf und ab, bis sie das Geräusch einer Tür vernahm, die sich offensichtlich geöffnet hatte. Felicia war gespannt, wer ihr gegenübertreten würde, wer es sich leisten konnte hier zu wohnen und das auf längeren Zeitraum. Ein gut gebauter, attraktiver Mann betrat den Raum, vermutlich Ende 30, Anfang 40. Sie setzte ihr charmantes Lächeln auf und begrüßte den Mann, der ihr nun gegenüberstand: „Felicia. Wir sind wohl verabredet" Ein leichtes Schmunzeln huschte über ihre Lippen, als sie bemerkte, wie sein Blick möglichst unauffällig über ihren Körper wanderte. Mit den Jahren hatte sie gelernt Männer zu lesen, ihre Blicke wahrzunehmen, so unauffällig sie auch waren. „Guten Abend", grüßte er schließlich knapp und hielt ihr seine Hand entgegen: „Kolja, Kolja Weyland. Freut mich." Mit einer freundlichen Geste deutete Kolja auf das Sofa, welches in der Mitte des Raumes stand. Felicia folgte seiner Einladung und machte es sich auf dem dunkelbraunen ledernen Sofa gemütlich. Warum die Situation nicht genießen. Kolja beobachtete sie, folgte ihr und ließ sich schließlich ebenfalls auf dem Sofa nieder. Nun nutzte auch sie die Gelegenheit ihren Gegenüber ausgiebig zu mustern. Sie hatte Glück, er war ein äußerst attraktiver und unverschämt charismatischer Mann. Diese unglaublich hervorstechenden Augen, sein schlanker sportlicher Körper, seine perfekte Frisur und sein charmantes Lächeln, ein Lächeln mit dem er vermutlich jede Frau um den Finger wickeln konnte. „Zwei Dinge im Voraus:", brach er die Stille. Er hatte eine sachliche Art an sich, die vermuten ließ, dass er das nicht zum ersten Mal tat. „Ich möchte das finanzielle im Nachhinein klären, bevor Sie gehen." Jeder Freier war in dieser Hinsicht anders. Die meisten wollten es aus dem Hinterkopf haben, andere, wie Kolja, wollten es eben später machen. Im Grunde war es ihr egal, solange sie überhaupt bezahlt wurde. Erfahrungsgemäß konnte sie sich auf ihre Kunden verlassen und bei ihm hatte sie keine Zweifel, dass er zahlen würde. Also nickte sie zustimmend. „Außerdem möchte ich im Voraus klarstellen, dass Küssen für mich eine Zärtlichkeit ist, auf die ich nicht verzichte." Küssen? Felicia sah ihn etwas perplex an. In der Regel versuchte sie Küsse auf den Mund zu vermeiden, und bisher hatte sie noch kein Kunde direkt darauf angesprochen. Wie es schien, hatte er jedoch bereits Erfahrung damit gemacht. Ein Kuss war etwas sehr Sinnliches, er war aber auch eng mit Emotionen verknüpft, die sie von der Arbeit strikt fernzuhalten versuchte. Sicherlich hatte sie schon kleine flüchtige Küsse mit Männern ausgetauscht, doch bei ihm war sie sich sicher, dass er nicht auf eben diese kleine Küsschen anspielte.
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Zwei Leben - Eine Geschichte
RomanceEscort-Dame = Frau, die gegen Bezahlung für eine bestimmte Zeit ihre Gesellschaft [und sexuelle Dienstleistungen] anbietet. Geschäftsmann = Mann, der ein Geschäft führt, besitzt oder Geschäfte macht Zwei unterschiedliche Definitionen. Was jedoch w...