Zwei Leben - Eine Geschichte

Eine andere Welt!

Felicia betrachtete sprachlos das vor ihr angerichtete Menü, welches mit Flugzeugessen nur noch wenig gemein hatte. „Business-Class ist einfach ein Muss", bemerkte Oliver, als er ihren wohl verdutzten Gesichtsausdruck wahrnahm und sich seine gefüllte Gabel in den Mund schob. „First-Class ist dann doch etwas zu dekadent", fuhr er lächelnd fort. Felicia sah sich um: „Natürlich viel zu dekadent", wiederholte sie seine Worte mit einem Hauch Ironie in der Stimme. In was für eine Welt war sie hier hineingeraten?
„Wäre es denkbar, dass wir uns für die Zeit in Dubai duzen und...", begann Oliver, stockte jedoch kurz und nestelte nervös an seiner Krawatte herum. Felicia sah ihn erwartungsvoll an „...und dass ich Sie gegebenenfalls für diese Zeit als meine Partnerin vorstelle?". Sie hatte sich bereits gewundert, weshalb ein Mann so exorbitant viel Geld ausgab, um lediglich ein paar Tage Gesellschaft zu haben, doch jetzt wurde ihr einiges klar, sie sollte sein Statussymbol sein. Wen wollte er beeindrucken? „Wenn nicht, ist das natürlich auch in Ordnung", hakte er unsicher nach. Dieser Mann brauchte zweifellos eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. Felicia lächelte beruhigend, bei Oliver hatte sie da wenig Bedenken: „Nur für die Zeit in Dubai", bemerkte sie ruhig, woraufhin ihr Nebenmann erleichtert aufatmete. „Natürlich". „Nun, was haben Sie in Dubai so Wichtiges zu klären?", versuchte sie ihm die Hintergründe seiner Reise und ihrer Anwesenheit zu entlocken. „Ich arbeite grade an einer Dating-App, welche lediglich auf dem Charakter eines Menschen basiert", begann er zu erzählen. Felicia schmunzelte, denn sie konnte sich denken, welche Zielgruppe er damit ansprechend wollte. Irgendwie süß! „Das Grundkonzept steht, allerdings fehlt es mir noch an der technischen Umsetzung." „Und Sie haben dafür jemand Speziellen im Hinterkopf?", hakte Felicia interessiert nach. Oliver nickte: „Allerdings, ich habe vor langer Zeit schon einmal mit ihm zusammengearbeitet, aber es ist schwierig ihn für so ein kleines Herzensprojekt zu gewinnen." „Bin ich bei einer solchen Herzensangelegenheit, wie Sie es nennen, nicht ein falsches Statement?". Das Gesicht Ihres Nebenmannes färbte sich in ein leichtes Rosa: „Nun ja, ich möchte nicht unbedingt den Eindruck erwecken, dass ich nur aus meiner eigenen Verzweiflung eine derartige App entwickle. Ich möchte ernst genommen, nicht wieder nur belächelt werden." Ob das der richtige Weg war?
Ihre Augen wurden groß, als sie ihr Apartment für die nächsten Tage sah. Mit knapp 130 qm bot es wohl genug Platz, die Ausstattung war modern und schlichtweg purer Luxus. „Leider haben wir keinen eigenen Pool", bemerkte Oliver trocken und stellte seine Tasche auf dem Sofa ab. „Pool?", hakte Felicia neugierig nach. Ihr Gegenüber lächelte, es schien ihm zu gefallen ihr einen derartigen Luxus präsentieren zu können. „Drei Pools. Ein Indoor-Pool für die heißen Tage, ein Outdoor-Pool und der Infinitiv-Pool mit Meerblick, aber leider kein Privatpool." „So ein Pech aber auch" witzelte sie, während sie ihren Koffer im Schlafzimmer abstellte.


Kolja hielt den Atem an, tauchte ab und stieß sich mit den Füßen von der Poolwand ab. Er genoss diese Ruhe unter Wasser, genoss es sich über keine Geschäfte Gedanken zu machen, sein Kopf war zur Abwechslung einfach still. Erst als ihm langsam die Luft ausging glitt er zur Wasseroberfläche und ging in ein gemütliches Kraulen über. Für den Moment brauchte er eine Pause von seiner Arbeit. Immer wieder hatte er darüber nachgedacht sich mit dem hiesigen Escortservice in Verbindung zu setzen, hatte sich ausgiebig durch die Bilder der verfügbaren Damen geklickt, doch keine hatte ihn auch nur ansatzweise angesprochen. Er war froh, dass Sport, neben Frauen, eine weitere teilweise auch weitaus effektivere Möglichkeit darstellte sich zu entspannen und seinen Verstand wieder zu erden. Er straffte seinen Körper, schaltete den Kopf aus und zog das Tempo an, schließlich war auch diese Auszeit zeitlich begrenzt.


Felicia betrat die im zwanzigsten Stock liegende Terrasse und blickte auf die Skyline von Dubai, welche in ein sanftes nachmittägliches Licht getaucht war, vor ihr der von ihrem Begleiter erwähnte Infinity-Pool. Oliver wollte die Zeit nutzen, sich noch ein wenig für das abendliche Treffen mit seinem ehemaligen Geschäftspartner vorzubereiten, sodass sie die Gelegenheit nutzte ihre Umgebung ein wenig zu erkunden und mit diesem Ausblick konnte man durchaus leben.
Der Pool-Boy grüßte sie aufmerksam und streckte ihr sogleich ein frisches Handtuch entgegen. Sprachlos nahm sie das Handtuch entgegen, ließ sich auf einer Liege am äußeren Rand der Terrasse nieder und beobachtete ihre Umgebung. Im seichten Teil des Pools spielten zwei kleine blonde Jungs mit Schwimmwesten, neben ihnen eine vermutlich indische Frau, welche die Jungs aufmerksam beobachtete, während sie immer wieder lachend vom Beckenrand sprangen. Am äußeren Teil des Pools hingen zwei gebräunte Frauen, welche sich angeregt unterhielten und diese atemberaubende Kulisse genossen. Verständlich! Felicias Blick blieb an einem Mann direkt vor sich hängen, welcher konsequent in zügigem Tempo seine Bahnen zog, für ihn war es wohl eher die Bewegung, in der er Entspannung fand. Beindruckt beobachtete sie den Mann vor sich, während sie sich ihr T-Shirt über den Kopf zog und aus ihrer kurzen Shorts stieg. Schlagartig stockte sie. Der Mann, den sie nun schon eine Weile beobachtete, ließ sich langsam an die Wasseroberfläche gleiten, lehnte sich an den Beckenrand und wischte sich ruhig das Wasser aus dem Gesicht. Das konnte nicht sein. Felicias Herz pochte, dieser Mann sah einem ihrer Kunden zum Verwechseln ähnlich. Seine Haarfarbe, die Frisur, sein sportlicher Körperbau, seine leicht gebräunte Haut. „Kolja Weyland", schoss es ihr in den Kopf. Als hätte er ihren Blick bemerkt, sah er auf, was Felicia jedoch erleichtert aufatmen ließ. Es waren hellbraune Augen, die sie aufmerksam musterten. Es war nicht der Mann für den sie ihn gehalten hatte. Felicia lächelte selbstbewusst, legte ihre Kleider sorgfältig auf ihre Liege und stieg in das angenehm kühle Wasser.