Arbeitsalltag vs. Arbeitsalltag

339 18 0
                                    

„War mit deinem neuen Kunden alles in Ordnung?", erkundigte sich Felicias Chefin und sah von ihren Papieren hoch. Felicia lächelte, betrachtete aufmerksam die braunhaarige adrett gekleidete ältere Dame vor sich: „Allerdings", begann sie „Ein unglaublich charismatischer Mann". „Du würdest ihn also erneut annehmen, falls er anfragt?" „Definitiv", bestätigte Felicia schmunzelnd, woraufhin ihre Gegenüber ebenfalls lächelte und ihre Papiere zur Seite legte: „Du hattest also einen schönen Abend?". Felicia beugte sich vor und lehnte sich mit den Unterarmen auf den Tresen: „Das kann man so sagen. Eine nette Abwechslung zu den sonst so trockenen Geschäftsmännern. Ich hätte gegen einen weiteren Abend mit ihm sicher nichts einzuwenden". Ihre Chefin lachte: „Na dann hoffen wir mal, dass du ebenfalls einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hast und er sich wieder meldet." „Davon gehe ich aus", witzelte sie selbstbewusst und zuckte mit den Schultern, was ihre Chefin auflachen lies. „Wenn du möchtest, kannst du dir heute Abend frei nehmen", fuhr Gwen nun wieder ernster fort. Felicia überlegte kurz, schüttelte jedoch den Kopf: „Leider nein. Ich treffe mich später mit Oliver". Gwen winkte ab: „Den kann doch auch jemand anderes übernehmen." „Er ist schon so lange bei mir. Das kann ich nicht machen, Gwen.", erwiderte Felicia ruhig. Sie versuchte ihre Stammkunden nicht grundlos abzusagen oder zu einer Kollegin zu schieben, schließlich wollte sie sie als ihre Stammkunden halten und zu diesen gehörte Oliver definitiv dazu. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie über ihren Kunden nachdachte. Er war ein ruhiger, eher unauffälliger alleinstehender Mann Ende 30 mit einem rundlichen Gesicht und einem kleinen Wohlstandsbäuchlein. Mit seiner zurückhaltenden Art zählte er wohl nicht zu den harten Geschäftsmännern, die man sich so vorstellte. Oliver ging in der doch sehr oberflächlichen Geschäftswelt eher unter. So oft hatte er sich bei ihr darüber ausgelassen, dass er in der Welt, in der er sich bewegte, einfach nicht ernst genommen wurde, sogar in der Agentur wurde er häufiger belächelt. Es fehlte ihm an Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, welches er sich mit seiner Vita und seiner unglaublichen Intelligenz durchaus hätte leisten können, doch leider ließ er sich von seinem Umfeld zu sehr beeinflussen, vor allem verunsichern. Mit der Konsequenz, dass er sich lieber über Materialistisches definierte als über seine in ihren Augen sehr nette, höfliche Art oder sein immenses Fachwissen. „Wie du möchtest", fuhr ihre Chefin fort „Ella hätte heute Abend noch Zeit. Ihr Kunde hat soeben abgesagt." Felicia lächelte: „Das ist schon in Ordnung. Ich nehme meinen freien Abend einfach wann anders."


Erschöpft ließ Kolja die Hände in seinen Nacken gleiten, versuchte mühevoll die verspannten Muskeln zumindest etwas zu lockern. Ein Schmunzeln trat auf seine Lippen, als er die bereits heilenden Kratzer auf seiner Haut spürte. Diese Frau hatte nicht nur körperlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen und es ärgerte ihn, dass er aller Voraussicht nach die nächsten Tage nicht einmal in Deutschland verbringen würde. Gerne hätte er einen weiteren Abend mit ihr verbracht, sich tatsächlich mit ihr unterhalten, aber das musste wohl warten. Natürlich mochte er es viel unterwegs zu sein, viel zu reisen, doch manchmal nervte ihn sein Lebensstil. Er war selten lange an einem Ort, musste oft spontan verreisen, um Gespräche zu führen, welche man auch problemlos hätte über Telefon führen können. Er hatte viele Kontakte, die es zu pflegen galt. Sein Name war im Bereich der Softwareentwicklung ein Begriff, er war derjenige der sich seine Aufträge aussuchen konnte, nicht auf die Gunst anderer angewiesen war. Er hatte sich mit seinen Systemen, seinen Dienstleistungen eine Art Monopolstellung erarbeitet, welche ihm und auch seinem Privatleben, durch die hohe Nachfrage hin und wieder zum Verhängnis wurde. Zwar übernahm er nur noch wenige Programmierarbeiten selbst, dafür hatte er in der Tat eine Reihe von ausgezeichneten Informatikern, Analysten und auch Mediengestaltern, versuchte jedoch bis zum Vertragsabschluss die Kommunikation mit seinen Kunden und Partnern durchweg selbst zu übernehmen, was eine gewisse Spontanität erforderte. Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf das Display und atmete tief durch. Bis zum Flug würde er sicher keine freie Minute mehr haben: „Weyland", meldete er sich sachlich. Konzentriert lauschte er seinem Gesprächspartner. „Ich glaube nicht, dass wir uns da einig werden, Herr Fischer.", entgegnete er. Erneut lauschte er aufmerksam dem Vorschlag seines Gesprächspartners und schmunzelte. „Nein, das ist nichts für mich." Er lachte „Sie können es gerne versuchen. Überzeugen Sie mich".


Felicia richtete noch einmal ihre Frisur, bevor sie die Klingel neben sich betätigte. Es brauchte einen kurzen Moment, bis sich die Tür öffnete. Vor ihr stand Oliver in einem seiner etwas zu knapp bemessenen Anzügen, welcher sie bereits freudig anlächelte. „Felicia, schön Sie zu sehen", bemerkte er, trat zur Seite und bat sie höflich einzutreten. „Wie geht es Ihnen?", fuhr er fort, während er ihr ins Wohnzimmer folgte. „Sie wissen doch Oliver, mir geht es immer gut.", lächelte Felicia und ließ sich auf das lederne Sofa sinken, auf welchem sie schon den ein oder anderen Abend verbracht hatte. „Möchten Sie ein Glas Wein?", erkundigte sich Oliver höflich. Felicia nickte: „Gerne".
„Ich wollte Sie etwas Fragen, Felicia", begann ihr Gegenüber als er sich ebenfalls mit einem Glas Wein auf dem Sofa niedergelassen hatte. Erwartungsvoll sah sie ihn an. „Würden Sie mich für ein paar Tage ins Ausland begleiten?" Oliver musste ihren irritierten Blick bemerkt haben. „Natürlich werde ich alle Kosten übernehmen. Ich würde ungerne allein reisen und ich dachte Sie wären eine sehr angenehme Gesellschaft", fuhr er ein wenig nervös fort. Felicia schluckte. War er sich darüber bewusst, wie viel er allein für ihr Honorar aufbringen musste? „Grundsätzlich ist das natürlich kein Problem", lächelte sie „Sie wissen aber auch, dass das kein günstiges Vergnügen ist?" „Geld spielt keine Rolle", unterbrach Oliver sie augenblicklich und winkte ab. „Ich muss für fünf Tage geschäftlich nach Dubai". „Nach Dubai?", entfuhr es Felicia überrascht. Oliver zuckte mit den Schultern: „Ich habe da etwas zu klären und dachte man könnte es mit einem kleinen Urlaub verbinden, wobei eine hübsche Frau natürlich nicht fehlen darf." Warum nicht! Felicia lächelte: „Setzten Sie sich am besten mit Gwen bezüglich des Zeitraums in Verbindung." Oliver schmunzelte zufrieden: „Das mache ich.", begann er, stellte sein Weinglas auf dem Tisch vor sich ab und setzte sich direkt neben Felicia. „Da das Organisatorische nun geklärt ist, könnten wir auch zum gemütlichen Teil übergehen, oder?", fuhr er ein wenig nervös fort und strich sanft mit seiner Hand über ihren Rücken. Oliver war ein netter Mann, er war süß, im Bett jedoch war er eine „Schlaftablette", wie ihre Kollegin immer zu sagen pflegte. Bei dem Gedanken verzogen sich ihre Lippen zu einem Schmunzeln. Sie machte das Beste daraus, sie hatte gelernt sich zu nehmen was sie wollte und sie wusste, wie sie es verpacken musste, damit die Männer das Gefühl hatten daran beteiligt gewesen zu sein. Eine kleine manipulative Ader musste man in dieser Berufssparte wohl besitzen. Sie stellte ihr Glas ebenfalls auf dem Tisch ab, lächelte verführerisch, schob sich ohne zu zögern auf Olivers Schoß und ließ ihre Fingerspitzen über seinen Hals gleiten.


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt